Als Herkules heimkehrte, begrüsste ihn der Lehrer. «Die mörderischen Vögel sind vertrieben. Die Arbeit ist getan.»

F. M.

Die Auslegung der Aufgabe

(Überarbeiteter Vortrag von A. A. B. 1937)

Schütze ist für mich höchst interessant, weil dieses Zeichen jeden von uns, die wir uns «Aspiranten» nennen, in so besonderer Weise angeht.

Zwei Worte gibt es, die ich gerne aus dem Wortschatz des Okkultisten ausgemerzt wüsste, nämlich «Eingeweihter» und «Meister». Das Wort «Eingeweihter» ist so wunderbar trennend, die Bezeichnung für einen Denkmalsockel! Das Wort «Meister» hat im Bewusstsein der Menschen das Gefühl erzeugt, es existierten da eine Art Übermenschen, die gegenüber ihren «Jüngern» die Position von Vorgesetzten oder Meistern einnehmen und ihnen sagen, was sie tun oder nicht tun dürfen. Es ist kein wirklicher Adept bekannt, der je etwas derartiges getan hätte.

Dagegen mag ich die Worte «Aspirant» und «Jünger». Aspirant ist ein Sammelwort, das uns in jedem Stadium unserer Entwicklung betrifft. Wenn Ihnen ein fachgerechterer Ausdruck lieber ist, dann sagen Sie «Jünger». Dies ist ein verhüllendes Wort, denn ein Aspirant der niedersten Stufe ist auch ein Jünger. Christus selbst ist ebenfalls ein Jünger. Das beseitigt alle Grade, Stufen und Klassen und die verschiedenen Entwicklungsstadien.

Wo wir auf der Evolutionsleiter stehen, ist unsere ausschliessliche Privatsache. Die Welt wird wissen, was wir sind, wenn wir die Arbeit getan haben, die uns in dieser Aufgabe im Schützen gestellt ist.

Wir haben uns schon mit dem grossen Zeichen Skorpion befasst, in dem Herkules sich selbst die Tatsache bewiesen hat, dass er von der Schlange der Illusion nicht mehr beeinflusst werden konnte. Er war frei von Furcht und Verblendung, von allem, was ihn verlocken konnte. Die Vision war erschaubar geworden.

Weil Schütze ein so ungeheuer wichtiges Zeichen ist, möchte ich ein kurzes Résumé darüber geben, was bis zur gegenwärtigen Zeit geschehen ist und das umfasst, was hinter uns liegt. Ich nehme an, dass jeder von uns der zielgerichtete Aspirant ist, der Bogenschütze auf dem Pferd, der gerade wie ein Pfeil auf sein Ziel losgeht.

Es wurde schon erwähnt, dass der Stander der Vereinigten Staaten die Pfeile des Schützen in den Klauen eines Adlers zeigt, weil Aquila astrologisch mit dem Schützen auswechselbar ist. Er ist das Symbol des Geistes, der sich durch die Seele offenbart, wonach der Aspirant auf der physischen Ebene zielstrebig sucht. In diesem Stander der Vereinigten Staaten haben wir die Prophezeiung des Ziels dieser Rasse, wenn sie einmal erwachsen ist. Denn in ihr wird jene Gruppe von Aspiranten erstehen, die ihrerseits zu einer Gruppe von Jüngern verschmelzen und dem Planeten die Tatsache der subjektiven Welt beweisen wird. Das ist die Bestimmung dieser Rasse und wird die Errungenschaft aller Rassen sein, die in den Vereinigten Staaten versammelt sind.

Wir wollen mit unserer Geschichte jetzt auf Herkules, den Aspiranten zurückkommen und sehen, was er in jedem Zeichen vollbrachte.

Im Widder begann er auf der Ebene des Denkens mit einem Versagen bei seinem Bemühen, die menschenfressenden Stuten zu fangen, weil er sich mit ihnen in der Weise der Persönlichkeit befasste. Er handelte gedanklich vom Standpunkt der Persönlichkeit aus und nicht vom Standpunkt der Seele. Im Schützen tötete er die menschenfressenden Vögel. Hier hatte er wieder das gleiche Problem auf der Ebene des Denkens vor sich, wo er vollkommene Kontrolle dessen beweist, was die erste Aufgabe des Aspiranten für Einweihung ist. Wir beherrschen unsere Gedanken und folglich auch unsere Worte. Ehe wir das nicht tun, gibt es für uns keine Einweihung. Im Widder begann Herkules die Gedanken zu beherrschen.

Im Stier wirkte er hinunter in die astrale Ebene und stiess auf das Sexualproblem, der Demonstration des grossen Gesetzes der Anziehung im Universum in seinem niedersten Aspekt. Dabei war er relativ erfolgreich. Er beherrschte den Stier und trieb ihn in die Stadt der Cyklopen.

In den Zwillingen begann es ihm zu dämmern, dass er eine Dualität sei; er beschäftigte sich mit dem Problem von Seele und Körper und wie diese zu koordinieren seien. Deshalb gibt es in den frühen Stadien im Zwilling Schwankungen.

Im Krebs erreichte er ein bestimmtes Mass an Massenbewusstsein, er nahm eine Form an. Das ist ein Stadium der menschlichen Inkarnation. Vielen kommt die Tatsache, dass sie menschliche Wesen mit Beziehungen zu anderen menschlichen Wesen sind, überhaupt nicht zum Bewusstsein. Im Krebs begann Herkules diesen Standpunkt zu erreichen. Im Augenblick des Erreichens dieses Standpunkts fängt man das scheue Reh der Intuition. Man beginnt intuitiv zu werden, aber nicht das, was man «psychisch» nennt.

Dann betrat Herkules das schwierige Zeichen Löwe, wo so viele jetzt stehen, und wurde ein machtvolles Individuum. Er war überzeugt, alles tun zu können, er stand allein: ein Stadium der Macht. In diesem Stadium wird man Menschen beherrschen, und anfangs beherrscht man sie falsch. Man behauptet sich zu ungestüm und hält sich für wichtiger als man ist. Man muss das Gefühl des «Ich bin» loswerden. Das ist die ganze Geschichte des Lebens des Aspiranten. Ihr müsst euch so sehr mit der wahren geistigen Wesenheit, die hinter allen Formen liegt, identifizieren, dass ihr weder mit eurer eigenen Form, noch euren mentalen und emotionalen Reaktionen, oder eurer eigenen Nützlichkeit beschäftigt seid.

In Jungfrau sah Herkules Seele und Körper nicht nebeneinander gestellt, sondern er wurde sich der Tatsache des latent in ihm selbst vorhandenen unendlichen Christus bewusst, und dass die Persönlichkeit, die Formseite, ein wundervolles, verborgenes Etwas behütete. Und seine Augen wurden geöffnet.

In Waage ging er durch ein schwieriges Stadium, das Gleichgewicht zu erlangen. Waage ist auf vielerlei Art ein sehr schwer verständliches Zeichen, weil der Mensch weder Seele noch Körper ist. Waage ist der Ausgleich der Gegensatzpaare auf der physischen Ebene. Herkules hat sie so sehr ausgeglichen, dass er das Gefühl hat, nicht weiterzukommen.

In Skorpion nimmt er auf der Astralebene das Werk wieder auf, das er im Stier begonnen hat; er vollendet es, räumt den grossen Schlamm hinweg, die grosse Illusion, und steht frei da mit dem Ziel klar vor Augen.

Zwilling ist das dem Schützen gegenüberliegende Zeichen. Zwilling - Dualität; Schütze - Einheit, zielgerichtetes Vorwärtsgehen, die geeinte Persönlichkeit, ihrer Seele bewusst und entschlossen, in das Zeichen Steinbock einzutreten, wo der grosse Übergang aus dem vierten in das fünfte Naturreich, das geistige Reich, gemacht wird.

Schütze ist der Bogenschütze auf dem weissen Pferd, manchmal als der Centaur mit Pfeil und Bogen dargestellt. In diesen beiden Arten der Verbildlichung: der Centaur, halb Mensch halb Tier, der Bogenschütze auf dem weissen Pferd, halb menschlich halb göttlich, haben wir die ganze Geschichte. Ein weisses Pferd ist immer das Symbol der Göttlichkeit. Christus kam hervor auf einem weissen Pferd, da haben wir das Zeichen Schütze in der Offenbarung des Johannes. Es ist ein doppeltes Zeichen und bei jedem doppelten Zeichen gibt es ein Problem.

Ebenso, wie Herkules das Werk, das er im Stier begann, im Skorpion vollendete, nahm er das Werk im Schützen auf und vollendete, was er im Widder begonnen hatte. Im Widder hatte er sich mit dem Denken an dessen Wurzeln zu befassen. Im Schützen beweist er vollendete Kontrolle der Gedanken und der Rede.

Schütze ist zuweilen «das Zeichen der Wirkung des Skorpion» genannt worden. In dem Augenblick, da wir uns von der Illusion befreit haben, gehen wir in das Zeichen Schütze und sehen das Ziel. Niemals vorher haben wir es wirklich gesehen, denn zwischen uns und dem Ziel ist immer jene Wolke der Gedankenformen, die uns die Sicht behindert.

Wir reden über geistige Liebe, Hingabe an Christus, an die älteren Brüder der Menschenrasse, an die Seele, und solange wir mit diesen Gedanken beschäftigt sind, bilden wir Gedankenformen, weil wir sie «formen» während wir denken. So haben wir über unser Streben um uns selbst herum eine solche Wolke von Gedankenformen aufgebaut, dass wir das Ziel nicht sehen können. Ich will euch nicht den Boden unter den Füssen wegziehen, aber hört damit auf, darüber nachzudenken was zu tun ist, und lernt statt dessen, ganz einfach nur «zu sein».

Stille

Schütze ist das auf Steinbock vorbereitende Zeichen und wird in einigen alten Büchern «das Zeichen der Stille» genannt. In den alten Mysterien musste der neu aufgenommene Bruder schweigend sitzen, es war ihm nicht erlaubt zu gehen oder zu sprechen; er musste «sein», arbeiten und wachen, weil man nicht in das fünfte geistige Reich eintreten oder den «Berg des Steinbock» erklimmen kann, bis Beherrschung der Rede und Gedankenkontrolle erreicht sind. Das ist die Lektion im Schützen: Beherrschung der Rede durch Gedankenkontrolle. Und das wird uns weiterhin beschäftigen, denn nachdem die gewöhnlichen Redeformen aufgegeben sind, wie leeres Geschwätz und Klatsch, muss gelernt werden, Zurückhaltung der Rede über geistige Dinge zu üben und zu erkennen, was über das Leben der Seele nicht gesagt werden soll. Ich meine damit das weitschweifige Gerede über Dinge, für welche die Menschen womöglich noch gar nicht reif sind.

Richtiger Gebrauch der Gedanken, Zurückhaltung der Rede und daraus entstehende Harmlosigkeit auf der physischen Ebene ergeben Befreiung, denn wir werden in der menschlichen Grundeinheit festgehalten, sind Gefangene des Planeten, aber nicht etwa durch eine äussere Kraft, die uns hier hält. Wir werden vielmehr gefangen gehalten durch das, was wir selber gesagt und getan haben. Im Augenblick wo wir keine falschen Beziehungen mehr zu anderen Menschen herstellen, indem wir Dinge sagen, die nicht gesagt werden sollten und Dinge über Menschen denken, die nicht gedacht werden dürften, werden allmählich alle Bindungen, die uns in planetarischem Dasein festhalten, zerschnitten sein. Dann sind wir befreit und erklimmen den Berg wie die Bergziege im Steinbock.

Es wurde die Frage gestellt: «Dürfen wir niemals für uns neues Karma erzeugen, oder irgend etwas tun, das uns an ein menschliches Wesen bindet, weil wir sonst immer wieder geboren werden müssen?» Nun, ich binde mich an die Menschheit durch Dienen, Liebe und selbstlose Gedanken. Aber ich binde mich nicht durch kritische Gedanken, durch Selbstmitleid, durch Geschwätzigkeit und Klatsch oder durch Worte, die ich nicht sagen sollte. Meine eigene Befreiung ist nicht mein Motiv.

Eine Warnung: Seid nicht gut, nicht harmlos und dient nicht, einzig um von all dem loszukommen. Das ist das Motiv vieler Menschen. Sondern bleibt bei der Menschheit wie Christus es tut oder wie jenes grosse Wesen, von dem uns gesagt wird, ER werde auf seinem Platz bleiben, bis der letzte Pilger seinen Weg in die Heimat gefunden hat.

Zwei Tore, drei Konstellationen

Schütze ist das kleine Tor zum Steinbock. Es gibt zwei kosmische Tore: Krebs, das Tor in die Inkarnation, und Steinbock, das Tor in das geistige Reich. Vor Steinbock kommt Schütze, von dem als «dem geringeren Tor» gesprochen wird. Ich denke ihn mir gern als das kleine Tor am Fuss des Hügels, durch das wir gehen, ehe wir den Berg erklimmen; und indem wir durch das kleine Tor gehen, beweisen wir unsere Fähigkeit, die Pfeile der Gedanken richtig zu nutzen. Das ist die grosse Prüfung.