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Die Arbeiten des Herkules, Seite 145 ff. (engl.)
ein Ungeheuer verborgen liegt und ist bestürzt und verwirrt, wenn er versucht, mit diesem furchtbaren Feind fertig zu werden.

Herkules ruft ein strahlenderes Licht als das des analytischen Denkens hervor. Er versucht, sein Problem in eine höhere Dimension zu erheben, statt endlos im Morast des Unterbewussten herumzuwühlen. Bemüht, sein Dilemma im Licht jener Weisheit zu sehen, die wir Seele nennen, begegnet er ihm aus dem Blickwinkel einer neuen Schau. Indem er das tut, zerbricht er den Zugriff der Hydra und überwindet schliesslich das Tier.

Moderne Version des Kampfes mit der Hydra

Eine Betrachtung der neun Probleme, denen ein Mensch heutzutage und in dieser neuen Ära gegenübersteht, wenn er versucht, die Hydra zu erschlagen, dürfte einiges Licht auf die eigenartigen Kräfte werfen, die in dem Pulverfass des menschlichen Denkens am Werk sind. ...

1. Der «Sex». Sowohl viktorianische Prüderie als auch psychoanalytische Lüsternheit sind beide nicht wünschenswert. Die Sexualkraft ist eine Energie. Diese kann unterdrückt oder hemmungslos ausgeübt, oder aber sublimiert werden. Verdrängung oder Unterdrückung sind keine echte Lösung. Hemmungslosigkeit und Promiskuität verrohen das Leben und machen den Menschen zum Sklaven einer beherrschenden Leidenschaft. Sublimierung umfasst die Nutzung der Sexualenergie zu schöpferischem Bemühen.

Umwandlung menschlicher Energien eröffnet ein weites Spekulations- und Experimentierfeld. In der Physik kann Bewegungsenergie in Elektrizität umgewandelt werden, und Hitzeenergie in Bewegung. Bis zu welchem Ausmass können dann menschliche Energien in eine andere Richtung gelenkt werden? Die Energie der Materie, die durch Nahrung dargestellt wird, wird offensichtlich vor allem dazu benützt, um Bewegung zu erzeugen. Kann die antreibende Energie der Emotionen in gleicher Weise in die Tätigkeit des Denkens umgeleitet werden? Kann die Energie hitziger Leidenschaft ihren Ausdruck als Aspiration finden? Können die Triebe und Zwänge der menschlichen Natur so umgewandelt werden, dass sie zu wohltätigen Kräften werden? Kann die Energie, die Denken erzeugt, als jene synthetische Kraft genutzt werden, welche sich in einem Sinn für Identifikation mit allen lebendigen Dingen wiederfinden lässt?

Die Erfahrung des Herkules zeigt, dass solche Möglichkeiten bestehen, und dass derjenige, der die Hydra der Leidenschaften und des separativen Denkens unterwerfen will, Probleme dieser Art zu lösen hat.

2. Bequemlichkeit. Ein ewiges Gefühl der Unzufriedenheit spornt den Menschen zu immer grösseren und höheren Errungenschaften an. Bequemlichkeit ist häufig ein Hindernis für solches Streben. Belastet mit Besitztümern und abgestumpft durch die bestrickende Sucht nach Bequemlichkeit, verkümmert und verblasst der Geist. Der Gefangene seiner eigenen Bequemlichkeit versinkt in Apathie und vergisst die Kämpfe und Prüfungen, welche die scharfe Klinge geistigen Strebens härten. Der Wille, zu suchen, der treibende Drang, das Mysterium im Kern des Lebens zu lösen, ist der narzistischen Neigung fremd, die Bequemlichkeit zum zentralen Lebensmotiv zu machen.

3. Geld. Anhäufen von Geld ist eine zwingende Leidenschaft, die Grundlage der Aktivität der Völker und Nationen. Ethische und menschliche Werte werden in dem irren Streben nach möglichst viel machtverleihendem Gold missachtet. Unvermeidlich werden Entscheidungen weit mehr von finanziellen Erwägungen bestimmt als von geistiger Überzeugung oder ethischen Prinzipien. Der Drang, Reichtum anzusammeln ist unersättlich. Gleichgültig, wie viel ein Mensch bereits besitzt, er verlangt gierig nach mehr.

Eine lähmende Wirkung, die aus dieser Entartung des Denkens entsteht, ist Selbstsucht. Der Mensch, der von diesem Gebrechen befallen ist, will möglichst alles bekommen, aber nichts geben. Der Zustand des Universums besteht für ihn lediglich für das, was er erraffen kann. Er betrachtet sich selbst als das Endziel und anerkennt keinerlei Verantwortlichkeit, auch andere an den Vergünstigungen teilnehmen zu lassen, die er selbst erlangt hat.

Sind nicht intellektuelle Reichtümer und geistige Schätze Wertaspekte, die mehr unserer Bemühung wert wären? Man kann sie mit allen teilen und wer davon alles gibt, was er hat, wird reicher sein als vorher. Der Trieb nach Anhäufung materieller Güter kann sich eines Tages in den Wunsch verwandeln, Wissen zu erwerben, und in den Willen, die Kleinodien des Geistes zu erlangen.

4. Angst. Auf zahllose Weise quälen die Gespenster der Angst die Söhne der Menschen. Unzählige illusorische Formen der Angst verwirren und ängstigen sie und wirken wie Fesseln an ihren Füssen und wie ein Mühlstein um ihren Hals. Viele Menschen ducken sich feige, wenn sie von quälender Furcht vor Lächerlichkeit, vor Versagen, vor dem Unbekannten, vor Altern, Zufall und Tod verfolgt werden.

Können diese Ängste ausgemerzt werden? Die Erfahrung des Herkules zeigt, dass sie durch Erheben des Bewusstseins auf einen höheren Integrationspunkt zu überwinden sind. Wenn sich eines Menschen Leben wieder auf einen höheren Zweck konzentriert, werden die drohenden Schatten der Angst an die Peripherie des Denkens zurückgedrängt. Solange die unbestimmbaren Furchtungeheuer im Zwielicht des Unterbewussten hausen, werden sie die Macht haben, Wangen zu bleichen und Herzen zu Eis erstarren zu lassen.

Ein Soldat, der den Feind besiegen will, riskiert sogar sein Leben. Eine Mutter, die ihr Kind vor einer Gefahr zurückreisst, vergisst die eigene Angst. Der Autofahrer, der in halsbrecherischem Tempo auf der Strasse dahinrast, gefährdet Leben und Glieder um des Abenteuers willen. Solche Leute haben ihre Aufmerksamkeit auf einen Punkt konzentriert, der über der Furcht liegt. Der geistig orientierte Mensch hat sein Denken auf eine Ebene erhoben, die so verfeinert ist, dass Furcht sie nicht erreichen kann.

5. Hass. Hass wurzelt in der Verneinung. Er ist das Gegenteil des Wunsches nach Einheit. Wird Hass in eine höhere Dimension erhoben, so wird er umgewandelt in eine Zurückweisung all dessen, was unwirklich ist. Wenn Hass von aller emotionalen Befriedigung befreit ist, kann er in eine Energie umgewandelt werden, die den Menschen veranlasst, die Form abzulehnen um des Lebens willen, das die Form beseelt. Auf der niederen Spirale ist Hass mit Sicherheit zerstörerisch, auf der höheren, wenn er völlig geläutert ist, kann Hass als die andere Seite der Liebe erkannt werden.

6. Machtstreben. Während der vergangenen Jahrhunderte hat der Mensch die Energie der Macht viel häufiger freigesetzt als die Energie der Liebe. Das Resultat ist Unausgeglichenheit. Macht, die nicht mit Liebe verbunden ist, ist eine verderbliche Kraft. Viele Tragödien menschlicher Beziehungen sind das Resultat des unbeherrschten Wunsches, das Leben anderer zu beherrschen, ihnen ihr Verhalten vorzuschreiben und zu bestimmen. Wer Machtbeweggründe anstelle ethischer Prinzipien setzt, erzeugt fortwährend Streit. Die hohen Ideale, die jahrhundertelang als Leuchtfeuer dienten, nämlich Brüderlichkeit, Zusammenarbeit, Idealismus, glühen nur schwach, solange Macht der bestimmende Faktor der Gesellschaft ist. Umgewandelt wird jedoch der Wille zur Macht zum Willen-zum-Erreichen und zum Willen-zum-Opfern. Der harte, egozentrische Wille wird zu einem Verteiler segenbringender Gaben. Dann dient Macht wahrhaftig der Liebe, und Liebe heiligt die Macht.

7. Hochmut. Die Mauern, die durch Hochmut aufgerichtet werden, kerkern den Menschen sicherer ein als Gefängnismauern. Festgehalten durch die schweren Ketten dünkelhafter Selbstüberschätzung blickt er herablassend auf andere herunter. So schwächt er das Band, das alle Menschen in unlöslicher Bruderschaft verbindet. Indem er sich absondert, entfernt er sich immer weiter aus dem Kreis menschlicher Sympathie.

Herkules sinkt auf die Knie, während er mit der Hydra ringt und symbolisiert mit dieser Haltung den Geist der Demut, der erlangt werden muss. Die Überheblichkeit der Persönlichkeitsneigungen müssen durch den Ausdruck aufopferungsvoller Tendenzen ersetzt werden.

8. Absonderung. Das analytische Denken teilt und unterteilt, wodurch der Teil auf Kosten des Ganzen überschätzt wird. Auf die Unterschiedsmerkmale wird grösserer Nachdruck gelegt als auf die überbrückende Einheitlichkeit. Solches Splitterdenken verstösst gegen den Impuls zur Synthese.

Die trennende Einstellung ist sich der Unterschiede zwischen den Menschen bewusster als deren Sinnlichkeiten; sie sieht in den Religionen mehr eine Anzahl antagonistischer Einzelgruppen als einen einzigen Ausdruck geistigen Impulses; sie hält Klassengegensätze in der Gesellschaft für bemerkenswerter als die Tatsache der gemeinsamen Menschheit, in der alle zu Brüdern werden; sie sieht die Erde als eine Summe ungleichartiger Nationen, statt als die eine Welt.

Herkules muss die Hydra als das ganze Ungeheuer erkennen und nicht als eine Bestie mit neun verschiedenen Köpfen. Solange er versuchte die Köpfe, einen nach dem anderen abzutrennen, hatte er keinen Erfolg. Erst als er mit ihr als einer Einheit verfuhr, errang er über sie den Sieg.

9. Grausamkeit. Von Menschen empfundene Befriedigung beim Verletzen anderer ist ein Beweis für das Vorhandensein böser Neigungen, die das Denken zersetzen. Freude zu empfinden, wenn man seinen Mitmenschen Leid zufügt, ist eine Krankheit. Dieses hässliche Haupt der Hydra muss ein für allemal zerstört sein, ehe man sich als ein menschliches Wesen bezeichnen kann. Das moderne Leben bietet zahlreiche Beispiele von Brutalität und schadenfroher Grausamkeit. In vielen Familien werden empfindsame Kinder verspottet, lächerlich gemacht und von denen heruntergesetzt, die sich nicht die Mühe machen wollen, sie zu verstehen. Ehepartner werden täglich der Welt in Scheidungsprozessen als Opfer «seelischer Grausamkeit» vorgeführt; die Gerichtssäle und Krankenhäuser liefern in steigendem Mass die Beweise, dass menschliche Wesen ein irrationales Vergnügen dabei empfinden, einander zu quälen. «Wir tun es wegen des Nervenkitzels,» sagte unlängst ein krimineller Teenager, «nicht für Geld.»

Wird das Ungeheuer Grausamkeit hoch in die Luft in das reine Licht der Vernunft und des Erbarmens erhoben, verliert es seine Macht. Die Aufgabe, die Energie der Grausamkeit in die Energie aktiven Erbarmens zu übertragen, bleibt noch zu tun. In zwei Prüfungen «tötete» Herkules was er hätte lieben sollen, aber im Skorpion gelang ihm dann diese Umwandlung, indem er in seiner eigenen Natur eine Neigung ausrottete, die jedes zukünftige Unternehmen gelähmt hätte.

Solcherart ist psychologisch gesprochen die Leistung des Herkules in dieser Arbeit. Er brachte Licht in die dunklen Bereiche des Unterbewussten, rang mit den ungeheuren Kräften, die sich im unterbewussten Schlamm suhlen, und bezwang die Feinde seines eigenen Haushaltes. Ein Reinigungsprozess fand statt und Herkules ist nun für die nächste Arbeit bereit, in der er seine Fähigkeit beweisen muss, die Mächte und Gewalten des Denkens zu kontrollieren.

F. M.

Anwendung auf das Leben

(Zusammenfassung aus einem Vortrag von A. A. B.)

Skorpion enthält die Aufgabe, die uns von einem bestimmten Gesichtspunkt her schon immer beschäftigt hat und noch lange Zeit beschäftigen wird, weil wir, ungleich Herkules, noch nicht über die Hydra gesiegt haben. Die meisten von uns beschäftigen sich mit den nutzlosen Methoden, die er am Anfang dieser Prüfung angewandt hatte.

Vornehmlich ist dies das Problem der Menschheit, aber als einzelne sind wir so eingehend mit unserer eigenen Entwicklung befasst, dass wir die grössere Sicht vergessen. Wenn wir jemals den Gipfel des Berges in Steinbock erklimmen, müssen wir die Persönlichkeit aus den Augen verlieren und anfangen, als Seelen zu funktionieren.

In meinen höchsten Augenblicken weiss ich theoretisch, wie meine Haltung und mein Handeln sein sollten, und doch wurstle ich immer so weiter als wüsste ich nichts. Warum? Wegen eines fundamentalen Gesetzes, das besagt, dass alles in der Natur sich folgerichtig entwickeln muss, Schritt für Schritt, auf einer Linie nach der anderen, eine Regel nach der anderen. Es könnte eine verheerende Erfahrung werden, würde ich meine Persönlichkeit so rasch reinigen, dass die volle Kraft der Seele einströmen könnte. Die Macht und das Licht, die Allwissenheit und Allmacht meiner Seele würden mich umwerfen. Ich wüsste mit dem, was ich hätte, nichts anzufangen. Das soll nicht heissen, ich brauchte nur

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.