Netnews Homepage     Zurück     Vorwärts      Index      Inhaltsverzeichnis
Die unvollendete Autobiographie, Seite 34 ff. (engl.)
Hölle glaubte für alle, die gewisse Glaubenssätze ablehnten und an einen Himmel für die anderen, die sie annahmen. Sechs Monate lang gehörte ich jedes Jahr der einen Partei an, und die übrigen sechs (wenn ich nicht in Schottland und unter dem Einfluss meiner Tante war) der anderen. Ich schwankte hin und her zwischen der Schönheit der Liturgie und der Enge des Dogmas. Missionstätigkeit wurde von beiden Gruppen meinem Bewusstsein eingehämmert. Die Welt war geteilt in diejenigen, die Christen waren und sich um die Erlösung von Seelen bemühten, und in die anderen, die Heiden waren und sich anbetend vor steinernen Bildern verneigten. Der Buddha war ein steinernes Bild; es war mir damals nie in den Sinn gekommen, dass die Christusstatuen und Bilder, die ich in den christlichen Kirchen des europäischen Kontinents so oft gesehen hatte, auf der gleichen Stufe standen. Ich tastete vollkommen im Nebel. Und dann - auf dem Höhepunkt meiner Betrübnis und inmitten meines Dilemmas und meiner Zweifel - kam einer der Meister der Weisheit zu mir.

Zur Zeit dieses Ereignisses und viele Jahre danach hatte ich nicht die blasseste Ahnung, wer er war. Die Begebenheit liess mich vor Angst erstarren. Trotz meiner Jugend besass ich Intelligenz genug, um etwas von jugendlichem Mystizismus und religiöser Hysterie zu wissen; ich hatte Missionshelfer darüber sprechen hören. Ich hatte viele religiöse Versammlungen besucht und gesehen, wie Leute dabei «ausser Kontrolle» gerieten, wie ich es nannte. Ich erzählte daher niemandem etwas von meinem Erlebnis, da ich befürchtete, man könnte mich als «geistesgestört» bezeichnen und dementsprechend behandeln und streng überwachen. Ich war geistig intensiv wach und bis zu einem gewissen Grad meiner Fehler bewusst. Ich war damals bei meiner Tante Margaret in Castramont in Kirkcudbrightshire zu Besuch und die Atmosphäre war dazu wie geschaffen.

Es war ein Sonntagmorgen. Am vorhergehenden Sonntag hatte ich eine Predigt gehört, die meinem ganzen höherem Streben Auftrieb gegeben hatte. Diesen Sonntag war ich aus irgendeinem Grund nicht zur Kirche gegangen. Die übrige Hausgesellschaft war hingegangen und es war sonst niemand zu Hause als ich und die Diener. Ich sass im Gesellschaftszimmer und las. Die Tür öffnete sich und herein kam ein hochgewachsener Mann in europäischer Kleidung (von sehr gutem Schnitt, wie ich mich entsinne), aber mit einem Turban auf dem Kopf. Er kam näher und setzte sich neben mich. Ich war angesichts des Turban so versteinert, dass ich keinen Ton herausbringen konnte oder auch nicht zu fragen vermochte, was er denn hier wolle. Dann begann er zu sprechen. Er sagte mir, dass es da für mich in der Welt etwas zu tun gäbe, wie es geplant sei, aber nur unter der Bedingung, dass ich meine Charakterveranlagung sehr beträchtlich änderte; ich würde aufhören müssen, solch ein unangenehmes, kleines Mädchen zu bleiben und müsste versuchen, mir ein gewisses Mass von Selbstkontrolle anzueignen. Meine zukünftige Verwendbarkeit für ihn und für die Welt würde davon abhängen, wie ich mich benehmen und bis zu welchem Grad ich mich ändern würde. Er sagte, wenn es mir gelänge, wirkliche Selbstkontrolle zu erlangen, dann würde man sich auf mich verlassen können; ich würde über die ganze Welt reisen, viele Länder besuchen und dabei «allezeit deines Meisters Werk tun». Diese Worte haben mir seitdem stets in den Ohren geklungen. Er betonte, dass alles von mir abhinge und sagte mir, was ich tun könnte und ab sofort tun sollte. Er fügte hinzu, er würde in Abständen von mehreren Jahren immer wieder mit mir in Verbindung treten.

Es war ein sehr kurzes Interview. Ich sagte nichts, sondern hörte nur zu, während er ziemlich eindringlich sprach. Als er gesagt hatte, was zu sagen er gekommen war, stand er auf und ging hinaus, nachdem er in der Tür einen Augenblick Halt gemacht hatte, um mir einen Blick zuzuwenden, an den ich mich bis zum heutigen Tag sehr gut erinnere. Ich wusste nicht, was ich aus all dem machen sollte. Als ich mich von dem Schock erholt hatte, war ich zunächst voller Angst und dachte, ich verlöre meinen Verstand oder ich hätte geschlafen und geträumt, aber dann reagierte ich mit einem Gefühl eitler Selbstzufriedenheit. Ich kam mir vor wie die Jungfrau von Orleans (für die ich damals schwärmte) und bildete mir ein, dass ich gleich ihr geistige Visionen hätte und demnach für ein grosses Werk auserwählt sei. Worum es sich dabei handelte, konnte ich mir nicht vorstellen, aber ich sah mich in dramatischer Weise als die bewunderte Lehrerin von Tausenden. Das ist ein bei Anfängern sehr häufiger Irrtum, und ich kann ihn heute oft bei verschiedenen okkulten Gruppen beobachten. Es steht fest, dass Leute, die es aufrichtig meinen und wirklich höher streben, es fertigbringen, irgendeinen inneren, geistigen Kontakt herzustellen, und dann deuten sie ihn im Sinn eines persönlichen Erfolgs und der eigenen Wichtigkeit. Das ist eine Reaktion, die auf Überstimulierung beruht. Bei mir folgte darauf ein weiteres Stadium, in dem die Kritik, die er an mir geübt hatte, in meinem Denken vollends überwog. Ich kam zu dem Schluss, dass ich am Ende vielleicht doch nicht ganz in die Rangklasse der Jungfrau von Orleans gehörte, sondern bloss jemand war, der netter sein könnte, als ich es bisher gewesen war, und der sich bemühen könnte, seine recht wilden Temperamentsausbrüche unter Kontrolle zu bringen. Das begann ich zu tun. Ich versuchte, meine üble Laune und meine Zunge im Zaum zu halten und eine Zeitlang benahm ich mich so unausstehlich gut, dass meine Familie sich Sorgen machte; sie dachten, ich wäre vielleicht krank und baten mich nahezu, meine aufbrausenden Launen erneut in Szene zu setzen. Ich war selbstzufrieden, süss-sanft und sentimental.

Im Lauf der Zeit stellte ich in Abständen von sieben Jahren (bis zum fünfunddreissigsten Lebensjahr) gewisse Anzeichen dafür fest, dass dieses Wesen mich überwachte und an mir Interesse nahm. Dann entdeckte ich 1915, wer er war, und dass andere ihn auch kannten. Von da an wurde unsere Beziehung immer enger, und heute kann ich mich nach Belieben mit ihm in Verbindung setzen. Eine solche Zugänglichkeit auf seiten eines Meisters ist jedoch nur dann möglich, wenn ein Jünger seinerseits gewillt ist, diese Gelegenheit niemals für sich selbst wahrzunehmen, sondern nur im Fall eines wirklichen Notstandes im Dienst an der Welt.

Ich fand heraus, dass mein Besucher der Meister K. H. war, der Meister Kut Humi, ein Christus sehr nahestehender Meister, ein Weltlehrer und ein hervorragender Exponent der Liebe-Weisheit, die in Christus ihren vollsten Ausdruck erreicht. Der wirkliche Wert dieses Erlebnisses liegt nicht darin, dass ich, ein junges Mädchen namens Alice La Trobe-Bateman, ein Interview mit einem Meister hatte, sondern in der Tatsache, dass ich einen von ihnen kennenlernte und dass er mit mir sprach, obwohl ich von der Existenz der Meister gar nichts wusste. Ebenso wertvoll ist die Tatsache, dass alles, was er mir sagte, wahr wurde (nachdem ich mich angestrengt bemüht hatte, den Anforderungen zu entsprechen) sowie meine Feststellung, dass er nicht der Meister Jesus war, wie ich natürlich angenommen hatte, sondern einer, der mir gänzlich unbekannt war. Auf jeden Fall ist der Meister K. H. mein geliebter und wirklicher Meister. Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr habe ich für ihn gearbeitet, und heute bin ich einer von den älteren Jüngern in seiner Gruppe, in seinem Ashram, wie es esoterisch heisst.

Wenn ich diese Feststellungen mache, so verfolge ich damit eine bestimmte Absicht. Es wird in diesem Zusammenhang so viel Unsinn geredet und es werden oft von Leuten, die weder die Erfahrung noch die erforderliche mentale und geistige Orientierung besitzen, oft derart anmassende Behauptungen aufgestellt, dass wirkliche Jünger sich schämen, ihr Werk und ihre Stellung zu erwähnen. Solchen Jüngern möchte ich es in Zukunft leichter machen und den Unsinn blosstellen, den so viele (sogenannte) esoterische Gedankenrichtungen verbreiten. Die Behauptung, Jünger zu sein, ist jederzeit zulässig; sie verrät nichts und hat nur dann Gewicht, wenn das Leben eines Dieners bestätigend dahintersteht. Dagegen ist die Behauptung, Eingeweihter eines bestimmten Grades zu sein, niemals zulässig, es sei denn gegenüber Gleichgestellten, und dann ist sie unnötig. Die Welt ist voll von Jüngern. Sie sollten sich als solche bekennen. Sie sollten im Bündnis der Jüngerschaft zusammenhalten und es damit anderen erleichtern, dasselbe zu tun. So lässt sich das Dasein der Meister beweisen, und zwar in der einzig richtigen Weise, nämlich durch die Lebensführung und das Zeugnis derer, die von ihnen ausgebildet werden.

Ungefähr zur gleichen Zeit geschah etwas anderes, was mir die Überzeugung von einer anderen Welt des Geschehens vermittelte. Es ist etwas, was ich mir damals unmöglich hätte einbilden können, denn ich hatte keine Ahnung von einer solchen Möglichkeit. Zweimal hatte ich einen Traum bei vollem Wachbewusstsein. Ich sage Traum, weil ich mir damals nicht erklären konnte, was es sonst hätte sein können. Heute weiss ich, dass ich an etwas teilnahm, was tatsächlich stattfand. Zur Zeit dieses Doppelgeschehens lag dieses Wissen ausserhalb meines gewöhnlichen Erkenntnisbereichs. Darin liegt der Wert des Vorgangs. Es bestand gar keine Möglichkeit zu Autosuggestion, Wunschdenken oder überspannter Einbildungskraft.

Zweimal (während meines Aufenthalts und Wirkens in Grossbritannien) nahm ich an einer ausserordentlichen Zeremonie teil und erst zwei Jahrzehnte später kam ich darauf, worum es sich eigentlich handelte. Die Zeremonie, an der ich teilnahm, findet, wie ich am Ende herausfand, tatsächlich jedes Jahr zur Zeit des «Mai-Vollmondes» statt. Es ist der Vollmond des Monats, der im Hindukalender unter dem alten Namen Vaisakha (Taurus) bekannt ist. Dieser Monat ist für alle Buddhisten von vitaler Bedeutung, und der erste Tag dieses Monats gilt als nationaler Festtag, an dem die Hindus den Neujahrstag feiern. Dieses ungeheure Ereignis, an dem ich teilnahm, findet alljährlich in einem Tal des Himalayagebirges statt und ist durchaus kein sagenhaftes, unterbewusstes Ereignis, sondern ein wirklicher Vorgang auf der physischen Ebene. Ich befand mich (hellwach) in diesem Tal und inmitten einer sehr grossen, wohlgeordneten Menschenmenge - meistenteils Menschen aus dem Orient, aber mit starker Beimischung von Bewohnern des Abendlandes. Ich wusste genau, wo ich in dieser Menge zu stehen hatte und war mir darüber klar, dass es der richtige Platz war und dass er auf meine geistige Rangstufe hinwies.

Es war ein breites, länglichrundes Tal, voller Felsen und zu beiden Seiten von hohen Bergen umschlossen. Die im Tal versammelte Menge blickte nach Osten, in Richtung auf einen engen Durchgang am Ende des Tales. Knapp vor diesem trichterförmigen Durchgang befand sich ein riesiger Felsblock, der sich wie ein grosser Tisch aus dem Talboden erhob, und auf diesem Felsen war eine Kristallschale, die so aussah, als hätte sie einen Durchmesser von etwa einem Meter. Die Schale war bis zum Rand mit Wasser angefüllt. An der Spitze der versammelten Menge und knapp vor dem Felsen standen drei Gestalten. Sie bildeten ein Dreieck, und zu meiner Überraschung schien mir die an der Spitze stehende Gestalt Christus zu sein. Die wartende Menge schien sich dauernd zu bewegen, und im Verlauf dieser Bewegung bildete sie grosse und vertraute Symbole - das Kreuz in seinen verschiedenen Formen, den Kreis mit dem Punkt in der Mitte, den fünfzackigen Stern und verschiedene, ineinander übergehende Dreiecke. Es war fast wie ein feierlicher, rhythmischer Tanz, sehr langsam und würdevoll, aber durchaus geräuschlos. Plötzlich streckten die drei Gestalten vor dem Felsen ihre Arme gen Himmel. Die Menge erstarrte zur Unbeweglichkeit. Am fernen Ende der Talenge erschien eine Gestalt am Himmel, die über dem Durchgang schwebte und sich langsam dem Felsen näherte. Aus irgendeinem subjektiven Grund wusste ich mit Bestimmtheit, dass es Buddha war. Ich hatte ein Gefühl des Wiedererkennens. Gleichzeitig wusste ich, dass unser Christus dadurch in keiner Weise in seinem Wert geschmälert wurde. Ich erhielt einen kurzen Einblick in die Einheit und den Plan, für den sich Christus, Buddha und alle Meister unaufhörlich und hingebungsvoll einsetzen. Erstmalig, wenngleich verschwommen und unsicher, erkannte ich die Einheit aller Manifestation, und es wurde mir bewusst, dass alles Bestehende - die materielle Welt, das Reich des Geistes, der aufstrebende Jünger, das sich entwickelnde Tier und die Schönheit des Pflanzen- und Mineralreichs - ein göttliches, lebendiges Ganzes ausmacht, das sich vorwärts bewegt, um die Herrlichkeit des Herrn zu bekunden. Ich begriff - verschwommen -, dass die Menschenwesen den Christus, Buddha und alle Mitglieder der planetarischen Hierarchie nötig haben, und dass es Vorgänge und Ereignisse gibt, die von weit grösserer Bedeutung für den Fortschritt der Menschenrasse sind als diejenigen, welche die Geschichte verzeichnet. Am Ende war ich verwirrt, denn für mich waren (damals) die Heiden immer noch Heiden und ich war eine Christin. Tiefe und grundsätzliche Zweifel blieben ungelöst in meinem Denken. Mein Leben war fortab (und ist noch heute) von dem Wissen bestimmt, dass es Meister und subjektive Ereignisse auf den inneren, geistigen Ebenen und in der Welt der Bedeutung gibt, die einen Teil des Lebens selbst, und vielleicht seinen bedeutendsten Teil ausmachen. Wie ich diese Dinge mit meiner begrenzten Theologie vereinbaren und meinem täglichen Leben anpassen könnte, wusste ich nicht.

Es heisst immer, man solle seine tiefsten und intimsten geistigen Erlebnisse nie besprechen oder erzählen. Das ist grundsätzlich richtig und derjenige, der wahre Erfahrungen gemacht hat, ist an derartigen Diskussionen nicht im geringsten interessiert. Je tiefer und lebenswichtiger die Erfahrung, um so geringer ist die Versuchung, sie zu berichten. Nur Anfänger, die ein theoretisches, ihrer Einbildungskraft entsprungenes Ereignis im Bewusstsein tragen, rühmen sich solcher Erfahrungen. Ich habe aber absichtlich diese beiden subjektiven Begebenheiten (oder war nun die erste wirklich subjektiv?) berichtet, weil es Zeit ist, dass Menschen von Rang und Namen, deren gesunde Vernunft und Intelligenz allgemein anerkannt wird, ihr Zeugnis denjenigen der

Netnews Homepage     Zurück     Vorwärts      Index      Inhaltsverzeichnis
Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.