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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 405 ff. (engl.) |
Denkens bestehen. Andererseits hören wir oft von mehreren Personen, dass sie
dasselbe Objekt genauso gesehen haben wie andere Leute. Das wäre ein Beweis
dafür, dass es viele Wahrnehmende für ein einziges Objekt gibt. Dieser Umstand
beweist den Unterschied zwischen Objekt und Denken. Desgleichen kann der Sehende
und das Geschaute, nämlich das Denken und das Objekt (oder das Instrument des
Erkennens und das Objekt des Erkennens) nicht ein und dasselbe sein, denn dann
wäre alles unterscheidende Erkennen unmöglich, und das ist absurd. Eine Lösung
dieser Schwierigkeit darin zu suchen, dass man sagt, dass das endlose Verlangen
der Urform der äusseren Objekte die Ursache von all unserem unterscheidenden
Erkennen ist, wäre nutzlos, denn das, was sich bereits erschöpft hat, kann nicht
zur Ursache werden. Es muss daher als erwiesen betrachtet werden, dass die
objektive Existenz unabhängig ist vom Subjekt. Man kann sich auch nicht
vorstellen, dass eine einzige Substanz (nämlich Prakriti) in diesem Fall alle
die vielfältigen Unterschiede unseres Erlebens hervorrufen könnte, denn die drei
Gunas und ihre verschiedenartigen Kombinationen in verschiedenen Graden genügen,
um das alles zu erklären. Bei den Yogis, die wahrhaft erleuchtet und durch
Wissen zur Begierdelosigkeit gekommen sind, ist es nur natürlich, dass sie sich
um die Gunas nicht mehr kümmern, denn diese sind dann ebenfalls im Zustand des
Gleichgewichts und rufen keine Wirkungen mehr hervor».
Der dritte Gedankengang befasst sich speziell mit dem Erkenntnis-Aspekt, mit dem Zustand des Bewusstwerdens des innewohnenden Denkers; und das ist für den Studierenden des Raja Yoga sofort von praktischem Wert. Er enthält gewisse Fragen, die wie folgt formuliert werden können: 1. Auf welcher [406] Daseins- oder Erkenntnisebene (denn diese Begriffe sind für den Schüler des Okkulten identisch) wirke ich? 2. Identifiziere ich mich mit der Form oder mit der Seele? 3. Welchen Weg gehe ich, den Höhenweg der Seele oder den niederen Weg der Materie? 4. Befinde ich mich in einem Übergangsstadium, in dem mein Erkennen vom niederen in das höhere Bewusstsein verlagert wird? 5. Ist der Körper, obwohl ich in ihm bin, nur mein Werkzeug, und bin ich wach auf einer anderen Ebene des Gewahrseins? Diese und ähnliche Fragen sind von grossem Wert für den strebenden Menschen, wenn sie ernsthaft gestellt und wahrheitsgetreu, gleichsam in der Gegenwart Gottes oder des Meisters, beantwortet werden. 16. Die vielen Modifikationen des einen Denkprinzips erzeugen die verschiedenartigen Formen, deren Dasein von diesen vielen Denkimpulsen abhängt. Mit diesen Worten wird die ganze Grundidee aus dem Bereich des Einzelnen in das Reich des Universalen erhoben. Wir werden direkt zu kosmischen und solaren Impulsen hingeführt, so dass die Kleinheit und Geringfügigkeit unseres individuellen Problems offensichtlich wird. Jede erschaffene Form ist das Resultat von Gottes Denken. Jeder Bewusstseinsträger, durch den die Lebensimpulse des Universums strömen, ist erschaffen und wird in Form gehalten durch das beständige Fliessen von Gedankenströmen, die von einem grandiosen kosmischen Denker ausgehen. Seine geheimnisvollen [407] Wege, sein geheimer, verborgener Plan, das grosse Ziel, auf das er in diesem Sonnensystem hinarbeitet, ist dem Menschen bis jetzt noch nicht erkennbar. In dem Mass jedoch, in dem des Menschen Fähigkeit zunimmt, in grossen Begriffen zu denken und die Vergangenheit als ein Ganzes zu sehen, wenn er sein Wissen über das Leben Gottes und dessen Wirken in den Reichen der Natur zu einem Ganzen zusammenfügen kann, und wenn seine Erkenntnis vom Wesen des Bewusstseins zunimmt, dann wird auch der göttliche Wille, dessen Fundament liebende Aktivität ist, erkannt werden. Den Schlüssel zum Wie und Warum findet der Mensch im Begreifen seiner eigenen mentalen Tätigkeit. Das Verständnis für Gottes grosse Gedankenform, ein Sonnensystem und seine Erhaltung, wird in dem Mass wachsen, in dem der Mensch seine eigenen Gedankenformen und die Art, wie er seine Umgebung bildet und schafft und seinem eigenen Leben Farbe gibt, versteht. Er erbaut seine eigenen Welten durch die Kraft seiner Gedankentätigkeit und der Modifikationen jenes Fragments des universalen Denkprinzips, welches er sich für seinen eigenen Gebrauch angeeignet hat. Der Sonnenlogos, Gott, ist die Gesamtheit aller Bewusstseinszustände. Der Mensch - die Menschheit als Ganzes oder eine individuelle menschliche Einheit - ist Teil dieser Gesamtheit. Die vielen Bewusstseinseinheiten, angefangen vom Bewusstsein des Atoms (anerkannt durch die Wissenschaft) durch alle Grade von Denkern und Stadien der Bewusstheit hindurch bis zum Bewusstsein Gottes selbst, sind verantwortlich und die Ursache für eine jede Form, die in unserem Sonnensystem zu finden ist. Vom unendlich Kleinen bis zum unendlich Grossen, vom Mikrokosmos zum Makrokosmos wird ein stufenweise sich erweiterndes Bewusstsein und ein ständig zunehmender Gewahrseinszustand offenbar. In dieser Skala der [408] Entwicklung sind drei markante Kategorien von Formen als Ergebnis schöpferischen Denkens zu finden: 1. Die Form des Atoms, der wahre Mikrokosmos. 2. Die Form, des Menschen, der Makrokosmos für alle untermenschlichen Naturreiche. 3. Die Form Gottes, ein Sonnensystem; der Makrokosmos für den Menschen und alle übermenschlichen Stufen. Alle diese Formen mit allen Zwischenformen sind von einem Leben abhängig, das mit der Fähigkeit ausgestattet ist, zu denken und durch Gedankenimpulse empfindungsfähige Substanz zu verändern, auf sie einzuwirken und aus ihr Formen zu bilden. 17. Diese Formen werden erkannt oder nicht erkannt, je nachdem, welche Qualitäten im wahrnehmenden Bewusstsein latent vorhanden sind. Die Version von Charles Johnston lautet wie folgt: «Ein Objekt wird wahrgenommen oder wird nicht wahrgenommen, je nachdem, ob das Denken etwas von der Färbung des Objekts annimmt oder nicht». Wir sehen das, was wir selbst sind; wir nehmen in anderen Formen das wahr, was in uns selbst entwickelt ist. Wir können manche Lebens-Aspekte deshalb nicht erkennen, weil diese Aspekte in uns noch nicht zur Entfaltung gekommen sind. Zum Beispiel erkennen wir das Göttliche in unserem Bruder deshalb nicht, weil wir mit dem Göttlichen in uns selbst noch nicht in Verbindung getreten sind und es uns unbekannt ist. Wir haben den Form-Aspekt und dessen Begrenzungen entwickelt, doch die Seele ist so verborgen, dass wir nur die Form unseres Bruders sehen, aber nicht seine Seele. In dem Augenblick, da wir mit unserer Seele verbunden sind und von ihrem Licht [409] leben, sehen wir die Seele unseres Bruders, erkennen sein Licht; und unsere Einstellung zu ihm wird eine ganz andere. Hier finden wir die Erklärung für unsere Begrenzungen. Hierin liegt die Verheissung für unseren Erfolg. Wenn eine latente Fähigkeit entfaltet wird, erschliesst sie uns eine neue Welt. Wenn die verborgenen Kräfte der Seele ihren vollen Ausdruck finden, lassen sie uns eine neue Welt erkennen; sie offenbaren uns einen Gesamtplan des Lebens und einen Seins-Bereich, den wir bisher nicht beachtet haben, weil wir ihn nicht sehen konnten. Jeder Mensch, der in die Geheimnisse des Daseins eindringen will, muss darum für sein Suchen und Forschen eine volle Ausrüstung mitbringen; und darum ist es notwendig, diesen Prozess der Seelenentfaltung weiterzuführen und latente Fähigkeiten zu entwickeln, wenn die Wahrheit in ihrem ganzen Umfang erkannt werden soll. 18. Der Herr des Denkvermögens, der Wahrnehmende, ist sich der ständigen Aktivität der Denksubstanz, der wirkungserzeugenden Ursache, stets bewusst. Dieser Leitsatz enthält eine Feststellung, die uns den Schlüssel zur wirkungsvollen und sicheren Meditation gibt. Das Ego, die Seele, ist es, die meditiert, und ihr Werk ist eine positive Tätigkeit, nicht ein negativer Zustand. Vieles, was als Meditationsarbeit bezeichnet wird, ist gefährlich und nutzlos, weil damit nur der Mensch auf der physischen Ebene die Vorherrschaft erreichen will; sein Bemühen richtet sich nur darauf, das Gehirn zur Ruhe zu bringen. Er versucht, die Gehirnzellen ruhig, negativ und empfänglich zu machen. Richtige Meditation betrifft jedoch die Seele und das Denken; die Aufnahmefähigkeit des Gehirns ist eine automatische Reaktion auf den höheren Zustand. Beim Raja Yoga muss daher zuerst der Kontakt mit dem wirklichen Menschen (dem Ego) hergestellt [410] und die Kraft vorhanden sein, die «Modifikationen des Denkprinzips zu stillen»; erst dann darf das Gehirn aktiv und empfänglich werden. Der Herr des Denkvermögens ist immer wachsam; stets nimmt er die Neigung der Denksubstanz wahr, auf Kraftströme zu reagieren, die durch Gedanken oder Wünsche erzeugt werden. Darum beobachtet er jede Kräfte-Ausstrahlung, die von ihm ausgeht, und er kontrolliert jeden Gedanken, jede Regung, so dass nur solche Energieströme und Impulse von ihm erzeugt werden, die mit der ständig im Auge behaltenen Zielsetzung übereinstimmen und den Bestrebungen des Gruppenplanes entsprechen. Man darf niemals vergessen, dass alle Egos in Gruppenformationen und unter der direkten Leitung jener Denker arbeiten, die den göttlichen Gedanken des Logos verkörpern. Jeder Aspirant sollte daher bestrebt sein, das Gehirnbewusstsein mit jenen Gedanken in Übereinstimmung zu bringen, die ihn über das Seelenbewusstsein erreichen; dadurch wird sich der göttliche Plan allmählich auf der physischen Ebene sichtbar auswirken. Wenn jeder Gottessohn die aktive Denksubstanz, für die er verantwortlich ist, in einen solchen Zustand bringt, dass sie für göttliche Gedanken empfänglich wird, dann wird der Plan aller Zeiten durchgeführt und beendet werden. Niemand braucht zu verzagen wegen seiner vermeintlichen Unfähigkeit oder Geringfügigkeit, denn ein jeder von uns ist mit irgendeinem Teil des Planes betraut worden, und wir müssen ihn durchführen. Ohne unsere Mitarbeit entsteht Verzögerung und Unklarheit. Manchmal entstehen grosse Schwierigkeiten, wenn ein winzig kleiner Teil eines grossen Mechanismus nicht richtig funktioniert; oft sind grosse Korrekturen und Regulierungen notwendig, ehe die ganze Maschinerie weiter [411] arbeiten kann. Im Bereich der menschlichen Zusammenarbeit kann leicht eine ähnliche Situation eintreten. Die ständig aktive Denksubstanz kann sowohl auf die vom dreifachen niederen Menschen ausgehenden niedrigeren Schwingungen, als auch auf die von der Seele (dem Mittler zwischen Geist und Materie) ausgehenden Schwingungen reagieren. Die Seele ist sich dieses Zustandes stets bewusst; der Mensch auf der physischen Ebene ist dafür blind, oder er wird sich eben erst dieser zweifachen Möglichkeit bewusst. Die Arbeit des Yoga-Aspiranten besteht darin, die Denksubstanz allmählich und immer mehr unter den Einfluss des höheres Impulses zu bringen und sie der niederen Schwingung zu entziehen, so dass schliesslich die Reaktionsfähigkeit auf die höhere Schwingung zu einem stabilen Zustand wird, die Schwingungstätigkeit des niederen Menschen abnimmt und schliesslich ganz aufhört. 19. Da das Denkvermögen erkannt oder wahrgenommen werden kann, ist es offensichtlich, dass es nicht die Quelle der Erleuchtung sein kann. Dieser und die beiden folgenden Lehrsprüche gehen in typisch orientalischer Weise an ein sehr schwieriges Problem heran. Diese Art des Argumentierens ist dem westlichen Denken weniger vertraut. In den sechs Schulen der Hindu-Philosophie ist das ganze Problem des Ursprungs der Schöpfung und der Natur des Denkvermögens zergliedert und diskutiert und so vollständig behandelt worden, dass praktisch alle modernen Denkrichtungen als Weiterentwicklung oder logische Folgeerscheinungen der verschiedenen Standpunkte der Hindus angesehen werden können. Der Schlüssel zu den verschiedenen Auffassungen über diese beiden Punkte kann vielleicht in den sechs Typen gefunden werden, in die alle Menschen [412] einzuordnen sind, denn der siebente ist nur die Synthese oder Zusammenfassung aller anderen. In den Yoga-Lehrsprüchen wird dem Denkvermögen nur die Aufgabe eines Instruments zuerkannt, eines Mittlers, einer empfindlichen Platte; es registriert entweder das, was von oben einströmt, oder das, was von unten her einwirkt. Es hat keine eigene Persönlichkeit, kein eigenes Licht oder Leben, ausser dem, was aller Substanz innewohnt und daher auch in den Atomen der Denksubstanz zu finden ist. Da diese Atome sich auf der gleichen Entwicklungsstufe befinden wie die übrige niedere Natur, verstärken sie die Flut der materiellen Kräfte, welche die Seele gefangen halten wollen, und welche die grosse Illusion ausmachen. Das Denkvermögen kann daher in zweifacher Hinsicht erkannt werden: erstens kann es vom Denker, von der Seele auf ihrer eigenen Ebene erkannt und erfahren |
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Last updated Saturday, February 14, 1998 © 1998 Netnews Association. All rights reserved. |