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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 382 ff. (engl.)
lautet: «Wie ein Mensch denkt, so ist er»; und ergänzend kann der orientalische Lehrsatz: «Dem Denken folgt Energie» als Erklärung hinzugefügt werden. In dem Mass, in dem ein Mensch sein Verlangen ändert, so ändert er sich selbst; wenn sich sein Bewusstsein von einem Ziel abwendet und auf ein anderes richtet, dann wandelt er sich. Das trifft zu auf alle Bereiche und alle Bewusstseinszustände - höhere und niedere.

Dadurch, dass wir unser bewusstes Denken von einem niederen auf ein höheres Ziel richten, entsteht ein Energiestrom, dessen Schwingungsgrad dem des höheren Ziels entspricht. Dieser Energiezufluss bewirkt in den Körperhüllen des denkenden Menschen eine Änderung oder Transmutation, sie werden umgewandelt und in einen solchen Zustand gebracht, dass sie dem Denken oder Verlangen des Menschen angepasst sind. Diese Umwandlung führt schliesslich zur Erneuerung, und wir verstehen jetzt die Worte des Paulus: « ... Ändert euch also durch Erneuerung des Denkens».

Ändert die Art und Richtung eueres Denkens, und ihr werdet eure Natur ändern. Trachtet nach dem, was wahr und recht, rein und heilig ist, und euer von diesen Dingen erfülltes Bewusstsein wird aus dem alten Menschen einen neuen schaffen, ein «Instrument, das brauchbar ist».

Diese Verlegung, Umwandlung und schliessliche Erneuerung geschieht durch eine von zwei Methoden:

1. Durch einen [383] langsamen Vorgang von wiederholten Leben, Erfahrungen und physischen Inkarnationen, bis schliesslich die treibende Kraft des Entwicklungsprozesses den Menschen Stufe um Stufe die grosse Leiter der Entwicklung hinaufführt.

2. Durch einen schnelleren Prozess, so z.B. durch ein Verfahren, wie es von Patanjali angegeben und von allen Hütern der religiösen Mysterien gelehrt wird. Der Mensch nimmt sein Schicksal in die Hand, befolgt die niedergelegten Regeln und Gesetze und bringt sich durch eigene Anstrengung in einen Zustand geistiger Entfaltung. Diese drei Massnahmen führen den Menschen zu der Einweihung, die Verklärung genannt wird.

3. Die Übungen und Methoden an sich bewirken noch nicht die Verlagerung des Bewusstseins, aber sie sind vorbereitende hilfreiche Mittel, um Hindernisse zu beseitigen, so wie der Landmann seinen Acker für die Saat vorbereitet.

Das ist einer der einfachsten und klarsten Lehrsprüche, er bedarf also kaum einer Erläuterung.

Die Übungen beziehen sich hauptsächlich:

1. Auf die Mittel zur Beseitigung von Hindernissen. (Siehe Buch I, Lehrsprüche 29-39). Das wird, wie uns bereits gesagt wurde, bewirkt durch:

a. beständiges Festhalten an einem Prinzip,

b. Mitgefühl mit allen Wesen,

c. Regulierung des Pranas oder Lebensodems,

d. Beständigkeit des Denkens,

e. Meditieren über Licht,

f. Reinigung der niederen Natur,

g. Verstehen des Traumzustandes,

h. den Weg der Hingabe.

2. Auf den Weg [384] zur Beseitigung von Hemmnissen. (Siehe Buch II, Lehrsprüche 2-33,) Diese Blockierungen werden beseitigt durch:

a. eine entgegengesetzte geistige Einstellung,

b. Meditieren,

c. die Pflege rechten Denkens.

Diese Übungen betreffen im besonderen die Vorbereitung des Lebens auf die wahre Yoga-Praxis; wenn sie regelmässig durchgeführt werden, bringen sie die ganze niedere Natur in einen derartigen Zustand, dass die drastischeren Methoden schnelle Erfolge zeitigen.

Die Methoden beziehen sich auf die acht Mittel des Yoga oder der Vereinigung. (Siehe Buch II, Lehrsprüche 29-54, und Buch III, Lehrsprüche 1-12.) Es sind dies:

Die Gebote, die Regeln, die Haltung oder Einstellung, richtige Beherrschung der Lebenskraft, Zurückziehung der Sinne, Konzentration, Meditation und Kontemplation.

Man könnte daher folgendes sagen: Die Übungen gehören mehr zu jenem Stadium im Leben des Aspiranten, in dem er sich auf dem Probepfad, dem Weg der Läuterung, befindet, während sich die Methoden auf das Endstadium dieses Pfads und auf den Pfad der Jüngerschaft beziehen. Wenn die Übungen und Methoden befolgt werden, bringen sie zwar gewisse Veränderungen innerhalb der vom wahren oder geistigen Menschen bewohnten Formen zustande, aber sie sind nicht die Hauptursache dafür, dass sich das Bewusstsein vom Körperaspekt abwendet und dem Seelenaspekt zuwendet. Diese grosse Umwandlung ist das Ergebnis gewisser Ursachen, die [385] ausserhalb der Körpernatur liegen; solche Ursachen sind z.B. der göttliche Ursprung des Menschen, die Tatsache, dass Christus oder das Seelenbewusstsein latent in den Formen besteht, und der Drang des Entwicklungsprozesses, der das Leben Gottes in allen Formen dazu antreibt, sich in zunehmendem Mass zum Ausdruck zu bringen. Man muss auch beachten, dass in dem Mass, in dem das Eine Leben, in dem wir leben, weben und sind, zu grösserer Vollkommenheit fortschreitet, auch die Zellen und Atome in Seinem Körper entsprechend beeinflusst, stimuliert und entwickelt werden.

4. Das Bewusstsein «Ich bin» ist der Grund für die Bildung der Organe, die das Gefühl der Individualität vermitteln.

Hier haben wir den Schlüssel zur Formwerdung, und die Ursache aller Erscheinungen. Solange das Bewusstsein eines Wesens (solar, planetarisch oder menschlich) sich nach aussen richtet auf Objekte des Verlangens, auf empfindendes Dasein, auf individuelles Erleben und auf das Leben sinnlicher Wahrnehmung und Freude, so lange werden die Körper und Organe geschaffen, wodurch Wünsche befriedigt, die Freuden physischen Daseins genossen und Objekte wahrgenommen werden können. Das ist die grosse Illusion, durch die das Bewusstsein verblendet wird; und solange die Verblendung irgendwelche Macht ausübt, so lange wird das Gesetz der Wiedergeburt das sich nach aussen richtende Bewusstsein dazu bringen, auf der Ebene der Körperlichkeit sichtbare Formen anzunehmen. Es ist der Wille-zu-sein und das Verlangen nach Existenz, [386] was sowohl den kosmischen Christus, der auf der materiellen Ebene durch das Medium des Sonnensystems wirkt, als auch den individuellen Christus, der durch das Medium der menschlichen Form wirkt, in Erscheinung treten lässt.

In den Frühstadien schafft das Bewusstsein «Ich bin» materielle Formen, die für die volle Äusserung göttlicher Kräfte unzureichend sind. Mit fortschreitender Entwicklung werden diese Formen immer brauchbarer, bis die geschaffenen «Organe» es dem geistigen Menschen ermöglichen, sich des Gefühls der Individualität zu erfreuen. Wenn dieses Stadium erreicht ist, kommt die grosse Erkenntnis der Illusion. Das Bewusstsein erwacht zu der Tatsache, dass in Form und sinnlicher Wahrnehmung und in der nach aussen gehenden Tendenz keine wirkliche Freude oder Befriedigung liegt; es beginnt eine neue Anstrengung, die gekennzeichnet ist durch eine allmähliche Abschwächung der nach aussen gehenden Tendenz und ein Ablenken des Geistes von der Form.

5. Bewusstsein ist zwar eine Einheit, doch erschafft es die verschiedenartigen Formen der Vielheit.

Das ist eine fundamentale Aussage, die nicht nur den Zweck und den Grund für die Manifestation selbst erklärt, sondern in einem kurzen Satz den Seinszustand Gottes, des Menschen und des Atoms umfasst. Hinter allen Formen ist das Eine Leben zu finden. In jedem Atom (solar, planetarisch, menschlich und elementar) ist das eine empfindende Dasein enthalten. Hinter der objektiven Natur, der Gesamtsumme aller Formen in allen Reichen der Natur, ist die eine subjektive Wirklichkeit zu finden, dem Wesen nach ein vereinigtes Ganzes oder eine Einheit, welche die verschiedenartige Vielheit hervorbringt. Das Homogene ist die Ursache [387] des Heterogenen. Einheit erzeugt Verschiedenartigkeit; das Eine ist verantwortlich für das Viele. Der Studierende kann das besser verstehen, wenn er der goldenen Regel folgt, die das Mysterium der Schöpfung enthüllt, und wenn er sich selbst erforscht. Der Mikrokosmos enthüllt die Natur des Makrokosmos.

Er wird dann herausfinden, dass er, der wirkliche oder geistige Mensch, der Denker, oder das eine Leben in seinem winzig kleinen System, verantwortlich ist für die Schaffung seines mentalen, emotionalen und physischen Körpers, seiner drei niederen Aspekte, für den «Schatten» der Trinität, so wie sein Geist, seine Seele und sein Körper die Spiegelbilder der drei göttlichen Aspekte - Vater, Sohn und Heiliger Geist - sind. Er wird feststellen, dass er verantwortlich ist für Bildung aller Organe in seinem Körper und für alle Zellen, aus denen sie bestehen; und wenn er tiefer in sein Problem eindringt, wird er erkennen, dass sein Bewusstsein und sein Leben Myriaden von unendlich kleinen Lebewesen durchdringt und darum für diese verantwortlich ist. Er wird begreifen, dass er die Ursache dafür ist, dass sich diese Lebenspartikel zu Organen und Formen vereinigt haben, und dass diese Formen bestehen bleiben. Allmählich lernt er die wahre Bedeutung der Worte: «Gemacht nach dem Bilde Gottes» verstehen. Sein «Bewusstsein ist eine Einheit, doch hat es die verschiedenartige Formen der Vielheit geschaffen», die in seinem kleinen Kosmos bestehen. Und was auf ihn zutrifft, das gilt auch für seinen grossen Prototyp, den Himmlischen Menschen, den planetarischen Logos; und weiterhin gilt es für das Urbild seines Urbildes, den Grossen Himmelsmenschen, den Sonnenlogos, Gott in der Manifestation eines Sonnensystems.

6. Von den Formen, die das Bewusstsein annimmt, ist nur die frei von latentem Karma, die durch Meditation entsteht.

Formen sind [388] das Ergebnis von Verlangen. Meditation von rechter Art ist ein rein geistiger Vorgang, bei dem sich kein Verlangen einstellt. Formen sind das Resultat einer nach aussen drängenden Tendenz. Meditation ist das Resultat einer nach innen gerichteten Tendenz, einer Fähigkeit, das Bewusstsein von Form und Substanz loszulösen und es in sich selbst zu zentrieren.

Form ist eine Wirkung, die durch die Liebes- oder Wunschnatur des Bewussten hervorgebracht wurde; Meditation verursacht und erzeugt Wirkungen und hat mit dem Willens- oder Lebens-Aspekt des geistigen Menschen zu tun.

Verlangen ruft Wirkungen hervor, und die Organe des empfindenden Bewusstseins kommen daher zwangsläufig unter das Gesetz von Ursache und Wirkung, von Karma, das die Beziehung zwischen Form und Bewusstsein bestimmt und leitet. Die richtig verstandene und durchgeführte Meditation erfordert, dass sich das Bewusstsein des geistigen Menschen von allen Formen in den drei Welten zurückzieht, und dass es sich von allen Sinneswahrnehmungen und -Neigungen loslöst. Daher ist er im Augenblick der reinen Meditation frei von jenem Karma-Aspekt, der mit dem Hervorrufen von Wirkungen zu tun hat. Zeitweilig ist der Meditierende so losgelöst, dass sein vollkommen konzentriertes Denken, das mit den Dingen in den drei Welten nichts mehr zu tun hat, keine nach aussen gehende Schwingung erzeugt, sich auf keine Form bezieht und auf keine Materie einwirkt. Wenn dieses konzentrierte Meditieren zur Gewohnheit und zur normalen Geisteshaltung im täglichen Leben wird, dann wird der Mensch frei vom Gesetz des Karma. Er erkennt dann die Wirkungen, die noch abgetragen werden [389] müssen, und er lernt, neue dadurch zu vermeiden, dass er keine Handlungen einleitet, die in den drei Welten «Organe schaffen» würden. Er bleibt in der Welt der Gedanken, in ständiger Meditation; er erschafft etwas durch einen Willensakt, nicht durch die Hilfslosigkeit des Verlangens; er ist eine «freie Seele», ein Meister und befreiter Mensch.

7. Die Handlungen des befreiten Menschen sind unabhängig von den Gegensatzpaaren. Die der anderen Menschen sind von dreierlei Art.

Die Ausdrucksweise dieses Lehrspruches ist so ausgesprochen orientalisch, dass sie den westlichen Schüler ziemlich verwirren kann. Eine Untersuchung des Sinngehaltes dieser Worte und ein Studium des Kommentars des grossen Lehrers Vyasa könnten dazu beitragen, die Bedeutung klar zu machen. Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir es in diesem Buch mit sehr hohen Bewusstseinszuständen zu tun haben, die von jenen Menschen erreicht wurden, welche die acht Yogamittel befolgt und die im Buch III beschriebenen Wirkungen der Meditation erlebt haben.

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.