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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 226 ff. (engl.)

51. Es gibt [226] einen vierten Zustand, der über die Stadien der inneren und äusseren Beherrschung hinausgeht.

Wir haben gesehen, dass die Beherrschung der Lebensströme äusserlich aktiv, innerlich aktiv, oder ausgeglichen sein kann. Dieser dreifache Prozess bringt den ganzen niederen Menschen zuerst in einen Zustand, in welchem er auf den inneren antreibenden Faktor (in diesem Fall auf das Ego oder den geistigen Menschen auf seiner eigenen Ebene) rhythmisch reagiert, und sodann in einen Zustand völliger Ruhe oder Stille. Diesem letzteren Zustand empfänglichen Wartens, wie man es nennen könnte, folgt ein Zustand höherer Aktivität. Das ist buchstäblich die Auferlegung einer neuen Schwingungsfrequenz auf den niederen Menschen, das Hervorquellen eines neuen Grundtones, der vom geistigen Menschen ausgeht und ganz bestimmte Wirkungen in den drei Körpern hervorruft, aus denen das niedere Selbst besteht und die das Göttliche im Menschen verhüllen. Diese Wandlungen werden in den nächsten beiden Lehrsprüchen behandelt.

Die Arbeit des Aspiranten gilt hauptsächlich der Vorbereitung der Körperhüllen, damit dieser vierte Zustand ermöglicht werden kann. Sein ganzes Augenmerk richtet sich darauf, folgendes zu erreichen:

1. Die bewusste Koordinierung der drei Körper oder Hüllen;

2. deren richtige Gleichschaltung (Harmonisierung);

3. die Regulierung des Rhythmus der Körperhüllen, so dass sie sowohl miteinander als auch mit den egoischen Impressionen übereinstimmen;

4. die Zusammenfassung dieser drei Hüllen zu einem einheitlichen Ganzen, so [227] dass der Mensch tatsächlich die Drei in Einem und der Eine in den Dreien ist;

5. friedvolle Stille oder den Zustand positiver Empfänglichkeit für die höhere Eingebung und für das Herabströmen seelischen Lebens und seelischer Energie.

Es könnte dem Studierenden helfen, wenn er sich darüber klar wird, dass zur richtigen Beherrschung des Pranas die Erkenntnis gehört, dass Energie die Gesamtsumme des Daseins und der sichtbaren Schöpfung ist, und dass die drei niederen Körper Energiekörper sind, von denen jeder ein Träger einer höheren Energieart ist, und dass sie selbst Übermittler von Energie sind. Die Energien des niederen Menschen sind Energien des dritten Aspekts, des Heiligen Geistes- oder Brahma-Aspekts. Die Energie des geistigen Menschen ist die des zweiten Aspekts, der Christus-Kraft oder Buddhi. Das Ziel der menschlichen Entwicklung besteht darin, diese Christus-Kraft, das Buddhi-Prinzip, auf der physischen Ebene zu voller Entfaltung und Auswirkung zu bringen, und zwar durch die Nutzbarmachung der niederen dreifachen Körperhülle. Diese dreifache Hülle ist der Heilige Gral, der Kelch, der das Leben Gottes empfängt und enthält. Wenn der niedere Mensch durch Befolgen der bereits behandelten vier Yogamittel zu einer richtigen Resonanz gebracht worden ist, zeigen sich in ihm zwei Resultate; er ist dann bereit, die weiteren vier Mittel zu benutzen, die ihm eine neue geistige Einstellung geben und die ihn schliesslich zur Befreiung führen.

52. Dadurch wird das, was das Licht verdunkelt, allmählich beseitigt.

Das erste Ergebnis ist, dass die materiellen Formen, welche die Wirklichkeit verbergen, allmählich abnehmen oder sich verdünnen. Das [228] bedeutet nicht den Zerfall der Formen, sondern die ständige Verfeinerung und Umwandlung der Materie, aus denen sie bestehen; infolgedessen werden die Formen so gereinigt, dass das «Licht Gottes», das bisher in ihnen verborgen war, in seiner ganzen Schönheit in den drei Welten aufleuchten kann. Diese Tatsache ist auf der physischen Ebene nachweisbar, denn durch den Reinigungsprozess und die Beherrschung der Lebensströme wird das Licht im Kopf so hell, dass es von hellsichtigen Menschen als Strahlungsring um den Kopf gesehen wird; so erscheint ein Strahlenkranz, wie wir ihn von den Heiligenbildern her kennen. Der Heiligenschein ist eine Tatsache in der Natur, kein blosses Symbol. Er ist das Resultat des verwirklichten Raja-Yoga und der physische Beweis für das Leben und das Licht im geistigen Menschen. Vivekananda sagt (in Fachausdrücken) folgendes, (und es ist gut für die westlichen Studierenden des okkulten Wissens, wenn sie die Technik und Terminologie dieser Wissenschaft von der Seele beherrschen, die der Osten so lange gehütet hat):

«Das Chitta an sich enthält alles Wissen. Es besteht aus Sattva-Partikeln, die aber überdeckt werden durch Rajas- und Tamas-Partikel. Durch Pranayama wird diese Umhüllung beseitigt».

53. Und das Denken wird für konzentrierte Meditation geeignet.

Johnston übersetzt sehr schön diesen Lehrspruch mit den Worten: «Dadurch erlangt das Denkvermögen die Fähigkeit, sich im Licht zu halten». Darin liegt folgender Gedanke: Wenn einmal der [229] Zustand der Stille und das vierte Stadium der übersinnlichen Wahrnehmung erreicht ist, können die übrigen Yoga-Mittel-Zurückziehung, Aufmerksamkeit, Meditation und Kontemplation - in der rechten Weise zur Anwendung kommen. Die Denkfähigkeit kann beherrscht und benutzt werden, und die Übermittlung von Wissen, Licht und Erkenntnis vom Ego oder der Seele - über das Denken - zum Gehirn kann ungefährdet erfolgen.

V. MITTEL: ZURÜCKZIEHUNG

54. Abstraktion (oder Pratyahara) ist die Unterjochung der Sinne unter das Denkprinzip und deren Abkehr von den bisher erstrebten Dingen.

Dieser Lehrspruch fasst all das zusammen, was getan werden muss, um die psychische Natur zu beherrschen; er gibt uns an, was erreicht wird, wenn der Denker durch das Medium der Denkkraft (des Denkprinzips) die Sinne so in der Gewalt hat, dass sie nicht mehr selbstständig tätig sein können.

Ehe Konzentration, Meditation und Kontemplation (die letzten drei Yoga-Mittel) in der richtigen Weise angewandt werden können, müssen nicht nur die äussere Lebensführung entsprechend umgestellt und die innere Reinheit erlangt, nicht nur die richtige Einstellung zu allen Dingen und infolgedessen die Beherrschung der Lebensströme erreicht worden sein, sondern es muss auch die Fähigkeit entwickelt werden, die nach aussen gerichtete Tendenz der fünf Sinne zu unterjochen. Der Aspirant muss daher lernen, das [230] auf die Erscheinungswelt gerichtete Bewusstsein in der rechten Weise ab- oder zurückzuziehen und es in der grossen Zentrale im Kopf zu sammeln; von da aus können die Energien, die er bei seiner Mitarbeit am grossen Werk braucht, bewusst verteilt werden, und von da aus kann er mit dem Reich der Seele in Verbindung treten und die Botschaften und Eingebungen empfangen, die von diesem Bereich ausgehen. Das ist nicht bloss eine symbolische Ausdrucksweise für zielbewusstes Streben, sondern auch ein Beweis dafür, dass er eine ganz bestimmte Entwicklungsstufe erreicht hat.

Die verschiedenen Organe sinnlicher Wahrnehmung werden in einen Zustand der Stille versetzt. Das Bewusstsein des wahren Menschen wird nicht mehr durch die fünf Arten der Wahrnehmung nach aussen gelenkt. Die fünf Sinne werden vom sechsten Sinn, der Denkkraft, beherrscht, und das ganze Bewusstsein und Wahrnehmungsvermögen des Aspiranten ist im Kopf vereinigt und nach innen und aufwärts gerichtet. Dadurch wird die psychische Natur unterworfen, und die Mentalebene wird zum Tätigkeitsbereich des Menschen. Dieses Ab- und Zurückziehen geht stufenweise vor sich:

1. Die Zurückziehung des physischen Bewusstseins, oder der Wahrnehmung durch Hören, Fühlen, Sehen, Schmecken und Riechen. Diese Arten der Wahrnehmung werden vorübergehend stillgelegt. Der Mensch nimmt dann nur mental wahr, und nur das Hirnbewusstsein ist noch auf der physischen Ebene tätig.

2. Die Zurückziehung des Bewusstseins in die Gegend der Zirbeldrüse, so dass der Punkt des Erkennens zwischen der Stirnmitte und der Zirbeldrüse liegt.

3. Als nächste Stufe folgt die Abziehung des Bewusstseins in das [231] Kopfzentrum, den tausendblättrigen Lotos oder Sahasrara, in der Weise, dass das Bewusstsein wissentlich aus dem Kopf zurückgezogen wird. Das kann bei vollem Wachbewusstsein getan werden, wenn gewisse Regeln gelernt wurden und eine bestimmte Tätigkeit ausgeführt wird. Es ist wohl verständlich, dass dies hier nicht mitgeteilt werden kann. Die meisten Menschen müssen erst einmal lernen, die beiden ersten Stufen zu meistern und die Wahrnehmungswege, die fünf Sinne, unter Kontrolle zu bringen.

4. Das Bewusstsein wird in den Astralkörper zurückgezogen und dadurch von der physischen Ebene losgelöst.

5. Dann wird es noch weiter zurückgezogen, nämlich in den Mentalkörper oder das Denkvermögen, so dass weder der physische Körper noch der Mentalkörper den Menschen beeinträchtigen können.

Wenn das getan werden kann, wird richtige Meditation und Kontemplation möglich.

Dvidedi sagt in seiner Erläuterung dieses Lehrspruchs:

«Zurückziehung besteht darin, dass die Sinne von der Denkkraft assimiliert oder von ihr beherrscht werden. Sie müssen von ihren Objekten abgelenkt und auf das Denken gerichtet werden und darin aufgehen. Dadurch wird die Wandlung des Denkprinzips verhindert; die Sinne richten sich nach ihm und werden sofort beherrscht; nicht nur das, sondern sie werden nunmehr bereit sein, in jedem Augenblick gemeinsam zur Meditation über eine bestimmte Sache beizutragen».

Die Ergebnisse der richtigen Zurückziehung sind daher, kurz gesagt, folgende:

1. Die Synthese der Sinne durch den sechsten Sinn, die Denkkraft.

2. Die Gleichschaltung [232] des dreifachen niederen Menschen, so dass die drei Körper als koordinierte Einheit wirken.

3. Die Befreiung des Menschen von den Begrenzungen der Körper.

4. Daraufhin ist dann die Seele (oder das Ego) imstande, das Gehirn durch das Denkvermögen zu beeindrucken und zu erleuchten.

55. Diese Mittel bewirken die vollständige Unterjochung der Sinnesorgane.

Im ersten Buch wurden ganz allgemein die Ziele des Raja-Yoga und die zu überwindenden Hindernisse angegeben, verbunden mit einem Hinweis auf die Vorteile. Im zweiten Buch werden diese Hindernisse im einzelnen behandelt und die Methoden zu ihrer Beseitigung beschrieben; und von den acht Yoga-Mitteln sind fünf angegeben und erklärt. Wenn diese fünf Mittel in der rechten Weise angewendet und befolgt werden, kommt der Mensch so weit, dass er seine niedere psychische Natur beherrscht, seine Sinne bemeistert und er darangehen kann, auch den sechsten Sinn, das Denken, gefügig zu machen.

Die Methoden, wie das Denken beherrscht und der Aspirant zum Meister des ganzen niederen Menschen wird, werden im nächsten Buch behandelt. Die letzten drei Yoga-Mittel werden erklärt, und dann werden die Ergebnisse des Yoga im einzelnen angegeben. Der Leser sollte die stufenweise und genaue Methode beachten, die in dieser wunderbaren Abhandlung so klar angegeben und trotz [233] ihrer Kürze vollständig ist. Es ist das Lehrbuch einer exakten Wissenschaft. Auf wenigen Seiten sind alle Regeln zusammengefasst, die für die arische Stammrasse notwendig sind, deren Beitrag zum Entwicklungsprozess die völlige Beherrschung des Denkprinzips sein soll.

BUCH III

Die erreichte Vereinigung und ihre Resultate.

a. Die Meditation und ihre Stufen.

b. Dreiundzwanzig Ergebnisse der Meditation.

Hauptthema: Die Kräfte und Fähigkeiten der Seele.

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.