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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 203 ff. (engl.) |
«Begierdelosigkeit» ist der Sammelbegriff für diesen Zustand des Denkens; und
das ist der grosse Impuls, der schliesslich zur völligen Befreiung von der Form
führt.
Es ist nicht [204] so, dass eine Form oder das Annehmen einer Form an sich etwas Böses wäre. Formen und die Methode der Inkarnation sind beide richtig, wo sie am Platz sind. Aber für den Menschen, der des Erlebens in den drei Welten nicht mehr bedarf, da er die nötigen Lektionen in der Schule des Lebens gelernt hat, sind Form und Wiedergeburt vom Übel und müssen auf einen Platz verwiesen werden, der ausserhalb des seelischen Lebens liegt. Wohl ist es wahr, dass der befreite Mensch aus freien Stücken die Begrenzung durch eine Form wählen kann, wenn er sie für besondere Zwecke des Dienstes braucht; aber er tut es durch einen Akt des Willens und der Selbstverleugnung; er wird nicht vom Verlangen dazu getrieben, sondern von der Liebe zur Menschheit und dem Wunsch, bei seinen Brüdern zu bleiben, bis auch der letzte Gottessohn das Portal der Einweihung erreicht hat. 41. Reinheit bewirkt ferner ein ruhig-sanftes Gemüt, konzentrierte Aufmerksamkeit, Beherrschung der Organe und die Fähigkeit, das Selbst zu schauen. Es muss beachtet werden, dass die Gebote und auch die Regeln (Yama und Niyama) mit dem niederen vierfachen Selbst zu tun haben, das in den drei Welten wirkt und häufig die Quaterne oder niedere Vierheit genannt wird. Wir haben gesehen, dass die Läuterung, die verlangt wird von vierfacher Art ist und die vier Körper betrifft. Die Ergebnisse dieser Läuterung sind ebenfalls vierfältig und beziehen sich gleichfalls auf die vier Hüllen. In der Reihenfolge der Körper sind es folgende Ergebnisse: 1. Beherrschung der Organe #der physische Körper, 2. Ein friedvolles Gemüt #der emotionale Träger, 3. Konzentration #das niedere Denkvermögen, oder der Mentalkörper 4. die Fähigkeit, das Selbst zu schauen #das synthetische Ergebnis der dreifachen Verfassung der genannten Hüllen. Die «Beherrschung [205] der Organe» bezieht sich vor allem auf die Sinne und ist das Ergebnis der magnetischen Reinheit oder Verfeinerung des Ätherkörpers. In diesem Zusammenhang müssen wir uns daran erinnern, dass der physische Körper kein Prinzip ist, sondern in genauer Übereinstimmung mit dem Ätherkörper aufgebaut ist. Dieser Ätherkörper ist der magnetische Träger auf der physischen Ebene und zieht (entsprechend seiner eigenen Natur und Zusammensetzung) diejenigen Atome und Substanzteilchen an, aus denen der physische Körper aufgebaut ist. Wenn die Sinneswahrnehmungen verfeinert sind und die Schwingung des Ätherkörpers richtig eingestellt ist, werden die Sinnesorgane vom wirklichen Menschen völlig beherrscht und kontrolliert; sie bringen ihn schliesslich mit den beiden höchsten Unterebenen der physischen Ebene in Berührung, nicht mit der Astralebene, wie es jetzt der Fall ist. Die richtige Reihenfolge, in der die physischen Wahrnehmungsorgane (die fünf Sinne) unter Kontrolle gebracht werden, ist folgende: 1. Richtige verstandesmässige Wahrnehmung des Ideals auf der Mentalebene. 2. Reines Verlangen, frei von Bindung an eine Form, auf der Emotional- oder Astralebene. 3. Richtiger Gebrauch und richtige Entfaltung der fünf Zentren [206] entlang der Wirbelsäule (Zentrum an der Basis des Rückgrats, Sakralzentrum, Solarplexuszentrum, Herz- und Kehlzentrum); ein jedes dieser Zentren befindet sich im Ätherkörper und ist mit einem der fünf Sinne verbunden. 4. Daraus ergibt sich richtiges Reagieren der Sinnesorgane auf die Erfordernisse des wahren oder geistigen Menschen Beim Astralkörper ist das Ergebnis der Läuterung ein ruhiges Gemüt, eine «abgeklärte Ruhe» dieses Körpers, so dass er das Christus-Prinzip oder die buddhische Natur in angemessener Weise widerspiegeln kann. Die Beziehung des astralen oder kamischen Prinzips (das den mittleren Körper des dreifachen niederen Menschen benutzt) zum buddhischen Prinzip, dem mittleren Träger der geistigen Triade (Atma-Buddhi-Manas) sollte sorgfältig beachtet werden. Beruhigung der Gefühle und Beherrschung der Wunschnatur gehen immer der Neuordnung der niederen Natur voraus. Bevor sich das Verlangen eines Menschen auf geistige Dinge richten kann, muss er das Verlangen nach weltlichen und fleischlichen Dingen aufgeben. Das bringt zeitweilig grosse Schwierigkeiten im Leben eines Neophyten mit sich. Der Prozess wird symbolisiert in dem Wort «Bekehrung», welches in orthodoxen christlichen Kirchen gebraucht wird. Es bedeutet ein «Umwenden», das einen zeitlich begrenzten Aufruhr verursacht, auf den schliesslich Ruhe folgt. Im Mentalkörper wirkt sich die Läuterung in der Weise aus, dass die Fähigkeit zu beständiger Konzentration entwickelt wird Die Gedanken flitzen nicht mehr umher; das Denkvermögen wird beherrscht und ruhig, und es wird dadurch empfänglich für höhere [207] Eindrücke. Da dies im dritten Buch ausführlich besprochen wird, brauchen wir uns hier nicht weiter damit zu befassen. Wenn sich diese drei Ergebnisse der Reinheit im Leben des Menschen zeigen, nähert er sich einem gewissen Höhepunkt; er verspürt plötzlich das Wesen der Seele; in geistiger Schau erblickt er die Wirklichkeit, die er selbst ist, und er erkennt die Wahrheit der Worte Christi, dass «diejenigen, die reinen Herzens sind, Gott schauen werden». Er erschaut die Seele, und von nun an richtet sich sein Verlangen nicht mehr auf das Unwirkliche und die Welt der Illusion, sondern nur noch auf die Wirklichkeit. 42. Durch Zufriedenheit wird Glückseligkeit erlangt. Zu diesem Lehrspruch ist nicht viel zu sagen. Man könnte nur darauf hinweisen, dass Kummer und Leid, Verdruss und Betrübnis jeder Art nur auf Auflehnung beruht; und dass, vom Standpunkt des Okkultisten, Auflehnung die Trübsal nur grösser macht und Widerstand das Übel nur verschlimmert, was immer es auch sei. Der Mensch, der gelernt hat, sein Schicksal zu bejahen, verliert keine Zeit mit müssigem Bedauern; er kann daher seine ganze Energie für die vollkommene Erfüllung seines Dharma (karmische Pflichten) einsetzen. Anstatt unzufrieden zu sein und die Episoden des Lebens mit Ängsten, Zweifeln und Verzweiflung zu verdunkeln, erhellt er seinen Weg durch stille Anerkenntnis des Lebens, wie es ist, und durch direktes Erkennen dessen, was er daraus machen kann. So geht keine Kraft, Zeit oder Gelegenheit verloren, und er kommt ständig seinem Ziel näher. 43. Durch glühendes [208] geistiges Streben und durch beseitigen aller Unreinheiten kommen die Kräfte im Körper und die Sinne zur vollen Entfaltung. Obwohl geistiges Streben und Läuterung zwei grundlegende Mittel zur Vervollkommnung sind, sind sie in Wirklichkeit nur eines, denn sie sind nur die beiden Aspekte der harten Schule des Probepfads. Der alte Kommentar, die Grundlage für die esoterische Lehre vom Raja Yoga, enthält einige Sätze, die hier von Wert sind, da sie den genauen Grundgedanken vermitteln: «Wenn der Feueratem durch das System aufwärts strömt, wenn das feurige Element sich bemerkbar macht, verschwindet das, was hindert; und das, was verborgen war, wird aufgehellt. Das Feuer steigt empor und verbrennt Hemmnisse; der Feuerodem dehnt sich aus, und Begrenzungen verschwinden; die sieben, die bisher untätig waren, erwachen zum Leben. Die zehn Tore, die versiegelt und verschlossen oder halboffen waren, gehen weit auf. Die fünf grossen Kontaktmittel treten in Tätigkeit, Hindernisse werden überwunden, und es gibt keine Schranken mehr. Der geläuterte Mensch wird zum grossen Empfänger, und der Eine wird erkannt». Mit diesen Worten wird die grosse Reinigung durch Feuer und Luft (Atem) beschrieben, und das ist die Läuterung auf dem Yogapfad. Der Reinigung durch Wasser musste sich der hochentwickelte Mensch unterziehen, bevor er den Weg der Jüngerschaft betritt; und darauf deuten die oft gebrauchten Worte «Wasser des Leidens» hin. Nun muss er sich der Feuerprobe unterziehen, und die ganze niedere Natur muss durch das Feuer gehen. Das ist die erste Bedeutung, und zwar diejenige, die den Aspiranten am meisten angeht. Dann kommt der Ruf [209] nach Feuer aus seinem Herzen, der in Worte gekleidet lautet: «Ich suche den Weg und sehne mich nach Wissen und Erkenntnis. Ich sehe visionäre Bilder und habe flüchtige tiefe Eindrücke. Hinter dem Tor, auf der anderen Seite, liegt meine Heimat, denn ich habe den Kreis durchlaufen, der sich nun schliesst. Ich suche den Weg; ich bin alle Wege gegangen. Der Weg des Feuers ruft mich nun mit Macht. Nichts in mir sucht den Weg des Friedens, nichts in mir sehnt sich nach den Dingen der Welt. Möge das Feuer wüten, lasst die Flammen alles verzehren; alle Schlacken sollen verbrennen; ich will eintreten durch das Tor und den feurigen Weg gehen». Der Atem Gottes wird auch als reinigende Brise empfunden und ist der Widerhall der Seele auf das Streben des Jüngers. Die Seele «inspiriert» dann den niederen Menschen. Die zweite Bedeutung hat natürlich eine direkte Beziehung zum Wirken der Kundalini oder des Schlangenfeuers am unteren Ende der Wirbelsäule, das ja auf die Seelenschwingung reagiert. Diese wird im Kopf, in der Gegend der Zirbeldrüse, empfunden und wird «das Licht im Kopf» genannt. Beim Aufsteigen verbrennt es alle Hindernisse im ätherischen Kanal der Wirbelsäule, belebt und elektrisiert die fünf Zentren entlang dieses Kanals und die beiden Kopfzentren. Die Lebensäther in den Hirnhöhlen geraten ebenfalls in Bewegung und üben dort eine reinigende oder vielmehr ausscheidende Wirkung aus. Aber damit hat der Studierende jetzt noch nichts zu tun. Er muss nur dafür sorgen, dass, soweit es an ihm liegt, das Streben seines Herzens die nötige «feurige» Wesensart hat, und dass die unablässige Läuterung seines physischen Körpers und seines Fühlens und Denkens wunschgemäss weitergeht. Wenn das der [210] Fall ist, wird die Resonanz der Seele wirksam, und die darauf folgenden Reaktionen innerhalb der ätherischen Zentren werden gefahrlos, gesetzmässig und normal sein. Die letzten Sätze des Kommentars betreffen: a. Die sieben Zentren, die bis dahin untätig waren. b. Die zehn geschlossenen Tore, die zehn Öffnungen des physischen Körpers. c. Die fünf Sinne, durch die der Kontakt mit der physischen Ebene hergestellt wird. Damit sind alle nach aussen und innen gerichteten Tätigkeiten des Menschen auf der physischen Ebene zusammengefasst. Wenn diese alle unter die Leitung der Seele, oder des inneren Herrschers, gebracht sind, entsteht Einheit mit der Seele; und daraus ergibt sich das Sich-eins-wissen mit dem Einen, in dem wir leben, weben und sind. 44. Geistiges Studium führt zum Kontakt mit der Seele (oder dem Göttlichen). Dieser Satz könnte vielleicht wörtlich so übersetzt werden: «Durch das Deuten von Symbolen kommt eine Verbindung mit der Seele zustande». Ein Symbol ist eine Form irgendwelcher Art, die einen Gedanken, eine Idee oder eine Wahrheit in sich birgt. Man könnte daher ganz allgemein den Grundsatz aufstellen, dass jede Form jeglicher Art ein Symbol oder die äussere Hülle eines Gedankens ist. Dieser Grundsatz lässt sich auch auf die menschliche Form anwenden, die dafür bestimmt ist, das Symbol (oder Ebenbild) Gottes zu sein. Es ist eine objektive (körperliche) Form, die einen göttlichen Gedanken, eine [211] Idee oder Wahrheit in sich birgt. Das Ziel der Entwicklung ist es, diese objektive symbolische Form zur Vollkommenheit zu bringen. Wenn ein Mensch das erkennt, hört er auf, sich mit dem Symbol zu identifizieren, das seine niedere Natur ist. Er fängt dann an, bewusst zu wirken als das göttliche, subjektive (innere) Selbst, das den niederen Menschen als Hülle benutzt und sich täglich mit dieser Form befasst, um sie zu einem angemessenen Instrument der Wesensäusserung zu machen. Dieser Gedanke wird auch in das tägliche Leben übertragen, in die Einstellung des Menschen zu jeder Form (in den drei Naturreichen), mit der er in Berührung kommt. Er versucht, hinter der äusseren Form oder Hülle den göttlichen Gedanken zu erkennen. |
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Last updated Saturday, February 14, 1998 © 1998 Netnews Association. All rights reserved. |