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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 174 ff. (engl.)
Unzufriedenheit geführt. Nichts bringt ihm wahre Freude oder Frieden. Er hat sich in der Suche nach eigener Freude erschöpft. Nun fängt er an, seinen Horizont zu erweitern und zu suchen, wo (in der Gruppe oder in seiner Umwelt) das, was er sucht, liegen könnte. Ein Gefühl der Verantwortung für Andere wird wach in ihm, und er beginnt, das Glück in der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber seinen Untergebenen, seiner Familie, seinen Freunden und all denen zu suchen, mit denen er in Berührung kommt. Diese neue Tendenz ist der Anfang eines Lebens des Dienens, das schliesslich zur vollen Erkenntnis der Bedeutsamkeit des Gruppenbewusstseins führt. H.P. Blavatsky hat gesagt, dass ein Gefühl der Verantwortung das erste Anzeichen sei für das Erwachen des Egos oder Christus-Prinzips.

5. Leid. Je feiner und reiner der menschliche Lebensträger ist, desto stärker reagiert sein Nervensystem auf die Gegensatzpaare - Schmerz und Freude. Wenn ein Mensch Fortschritte macht und auf der Leiter der menschlichen Entwicklung höher steigt, steigert sich ganz ersichtlich seine Fähigkeit, Schmerz oder Freude zu empfinden. Das gilt ganz besonders für einen Aspiranten oder Jünger. Sein Sinn für Werte wird so geschärft und sein physischer Körper so feinfühlig, dass er mehr leidet als der Durchschnittsmensch. Das treibt ihn dazu, sein Suchen noch zu verstärken. Er reagiert immer schneller auf äussere Kontakte, und seine Fähigkeit, physisch und seelisch zu leiden, wird immer grösser. Das zeigt sich in der fünften [175] Rasse und besonders in dieser fünften Unterrasse in den zunehmenden Selbstmorden. Die Fähigkeit der Menschen, zu leiden, ist der Entfaltung und Verfeinerung des physischen Körpers und der Entwicklung des Gefühls- oder Astralkörpers zuzuschreiben.

6. Furcht. Wenn sich der Mentalkörper entwickelt und die Modifikationen des Denkprinzips schneller werden, beginnt Furcht und das, was sie hervorruft, sich zu zeigen. Das ist nicht die instinktive Furcht der Tiere und der primitiven Rassen, die durch Reaktionen des physischen Körpers auf äussere Zustände ausgelöst wird; es handelt sich vielmehr um mentale Befürchtungen, die ihre Ursachen im Gedächtnis, in Einbildungen, im Vorausschauen und in der Fähigkeit haben, sich in Gedanken etwas vorzustellen. Diese Befürchtungen sind schwer zu überwinden und können nur vom Ego oder der Seele selbst gemeistert werden.

7. Zweifel. Das ist eine der interessantesten Modifikationen, denn sie bezieht sich mehr auf die Ursachen als auf die Wirkungen. Man könnte einen Zweifler vielleicht folgendermassen beschreiben: Er ist ein Mensch, der daran zweifelt, Gestalter seines Schicksals zu sein; er ist über das Wesen und die Reaktionen seiner Mitmenschen im Zweifel; er zweifelt an Gott oder die erste Ursache, wie es die Streitfragen beweisen, die um die Religionen und ihre Exponenten entstanden sind; er zweifelt sogar an der Natur, so dass er dadurch zu wissenschaftlichem Forschen angetrieben wird; und schliesslich bezweifelt er sogar das Denken. Wenn er anfängt, die Fähigkeit des Denkens zu begreifen, zu erklären und zu deuten, in Frage zu stellen, hat er praktisch alle seine Hilfsquellen in den drei Welten erschöpft.

Die Tendenz dieser sieben mentalen Zustände, die durch die Erfahrungen des Menschen auf dem Rad des Lebens hervorgerufen werden, geht dahin, in ihm das Gefühl zu wecken, dass das äussere [176] Leben, mit seinen Empfindungen und gedanklichen Vorgängen ihm nichts mehr zu geben hat und ihn überhaupt nicht befriedigen kann. Er erreicht dann den Zustand, den Paulus meint, wenn er sagt: «Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen als Schaden geachtet. Ich achte alles für Schaden, auf dass ich Christum gewinne».

Die sieben Stadien der Erleuchtung werden von einem Hindu-Lehrer folgendermassen beschrieben:

a. Das Stadium, in dem der Mensch erkennt, dass er die ganze Skala der Lebenserfahrungen durchlaufen hat und sagen kann: «Ich habe alles kennengelernt, was es zu erfahren gab; es gibt nichts mehr, was noch zu erfahren wäre». Sein Platz auf der Leiter ist ihm bekannt; er weiss, was er zu tun hat. Das bezieht sich auf die erste Modifikation des Denkprinzips, das Verlangen nach Wissen.

b. Das Stadium, in dem sich der Mensch von jeder ihm bekannten Begrenzung frei macht und sagen kann: «Ich habe mich von meinen Fesseln befreit». Das ist ein langes Stadium, und es bezieht sich auf die zweite der genannten Modifikationen.

c. Das Stadium, in dem sich das Bewusstsein völlig aus der niederen Persönlichkeit herausverlagert und zum wahren geistigen Bewusstsein wird, das seinen Mittelpunkt im wirklichen Menschen, im Ego oder der Seele hat. Dadurch wird das Bewusstsein der Christus Natur hereingebracht, welches Liebe, Frieden und Wahrheit ist. Er kann nun sagen: «Ich habe mein Ziel erreicht. Nichts in den drei Welten kann mich mehr fesseln». Das Verlangen nach Glück ist gestillt. Die dritte Modifikation ist überwunden.

d. Das Stadium, in dem er in Wahrheit sagen kann: «Ich habe mein Dharma erfüllt und meine ganze Pflicht getan». Er hat sein [177] Karma abgetragen und das Gesetz erfüllt. So wird er ein Meister, der das Gesetz mit Geschick anwendet. Dieses Stadium hat Beziehung zur vierten Modifikation.

e. Das Stadium, in dem völlige Beherrschung des Denkens erreicht ist und der Seher sagen kann: «Mein Denken ist zur Ruhe gebracht». Dann, und nur dann, wenn völlige Ruhe besteht, kann die wahre Kontemplation und der höchste Zustand des Samadhi erlebt werden. Trübsal, die fünfte Modifikation, ist durch die Herrlichkeit der empfangenen Erleuchtung verscheucht. Die Gegensatzpaare bekämpfen sich nicht mehr.

f. Das Stadium, in dem der Mensch erkennt, dass Materie oder Form keine Macht mehr über ihn haben. Er kann dann sagen: «Die Gunas oder Qualitäten der Materie in den drei Welten wirken nicht mehr anziehend auf mich; sie rufen keinen Widerhall in mir hervor». Es besteht also keine Furcht mehr, denn im Jünger ist nichts, das Übles, Tod oder Schmerz zu ihm hinziehen könnte. So ist auch die sechste Modifikation überwunden, und an ihre Stelle tritt die Erkenntnis des wahren Wesens der Göttlichkeit und völlige Glückseligkeit.

g. Vollkommene Selbstverwirklichung ist das nächste und letzte Stadium. Der Eingeweihte kann nun bewusst sagen: « Ich bin, was Ich bin». Und er weiss sich eins mit dem All-Selbst. Es gibt kein Zweifeln mehr. Das volle Licht des Tages oder vollkommene Erleuchtung überflutet das ganze Sein und Wesen des Sehers.

Das sind die sieben Stadien auf dem Pfad; die sieben Stationen des Kreuzes, wie sie der Christ nennt; die sieben grossen Einweihungen und die sieben Wege zur Gottseligkeit. «Nun aber glänzet der Pfad des Gerechten wie das Licht, das immer heller leuchtet bis auf den vollen Tag».

DIE ACHT MITTEL

28. Wenn die [178] Mittel zum Yoga ständig angewendet wurden und die Unreinheit überwunden ist, kommt es zu einer Erhellung, die zur vollen Erleuchtung führt.

Wir kommen nun zum praktischen Teil des Buches, der die Anleitung gibt, wie Yoga, Vereinigung oder Einswerdung voll und ganz erreicht werden kann. Die zu leistende Arbeit ist von zweifacher Art:

1. Die beharrliche Anwendung der richtigen Mittel, durch welche die Vereinigung erreicht wird.

2. Die Disziplinierung des dreifachen niederen Menschen, damit Unreinheit in jedem der drei Körper vollständig beseitigt wird.

Die beharrlich durchgeführte zweifache Arbeit zeitigt zwei entsprechende Ergebnisse, die beide durch ihre Ursachen bedingt sind.

1. Unterscheidung wird möglich. Durch Anwendung der Mittel kommt der Aspirant zu einem wissenschaftlichen Erkennen des Unterschieds, der zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst besteht, zwischen Geist und Materie. Dieses Wissen ist dann kein theoretisches Wissen mehr, sondern eine Erfahrungs-Tatsache des Jüngers, von der er sich in der Folgezeit bei allen seinen Aktivitäten leiten lässt.

2. Klare Einsicht folgt. Mit zunehmender Läuterung werden die Hüllen oder Körper, welche die Wirklichkeit verdecken, durchlässiger; sie wirken nicht mehr als dichte Verhüllungen, welche die Seele verbergen und die Welt abschirmen, in der die Seele normalerweise lebt. Der Aspirant wird sich eines Teiles seiner selbst bewusst, der [179] ihm bisher verborgen und unbekannt war. Er nähert sich seinem innersten Mysterium und kommt der innewohnenden Göttlichkeit näher, die nur bei der Einweihung richtig erfahren werden kann. Er erkennt einen neuen Faktor und eine neue Welt, und er versucht, sie zu einem bewussten Erleben auf der physischen Ebene zu machen.

Hier sollte beachtet werden, dass die beiden Massnahmen zur Erlangung klarer Erkenntnis - die ständige Anwendung der acht Mittel zur Vereinigung und die Läuterung des Lebens in den drei Welten - sich auf den Menschen in den drei Welten beziehen und in seinem physischen Gehirn die Fähigkeit entwickeln, zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen zu unterscheiden, und die Dinge des Geistes klar zu erkennen. Sie bewirken ferner gewisse Veränderungen im Kopf, sie reorganisieren die Lebenslüfte und wirken unmittelbar auf die Zirbeldrüse und den Hirnanhang ein. Wenn diese vier Massnahmen:

1. Anwendung der Mittel,

2. Läuterung,

3. Feststellen der Unterschiede,

4. Klare Einsicht (oder Erkenntnis)

zu einem Teil des äusseren Lebens des Menschen geworden sind, dann übernimmt der geistige Mensch, das Ego oder der Denker auf seiner eigenen Ebene, seinen Anteil am Befreiungsprozess, und die beiden letzten Stadien werden von oben nach unten bewirkt. Diese sechsfache Entwicklung ist die Entsprechung auf dem Weg des Jüngers zum Individualisierungsprozess, im Verlaufe dessen der Tiermensch, die niedere Vierheit (das Physische, Ätherische, Astrale und niedere Mentale) jenen zweifachen Ausdruck des Geistes - Atma-Buddhi - geistigen Willen und geistige Liebe empfing, die ihn vollständig und erst richtig zum Menschen machten. Die beiden [180] letzten Entwicklungsstadien, die im geläuterten und ernsthaft strebenden Menschen vom Ego bewirkt werden, sind folgende:

1. Erhellung. Das Licht im Kopf, das zuerst nur ein Funke ist, wird zur Flamme entfacht, die alle Dinge erhellt und ständig von oben her gespeist wird. Das erfolgt stufenweise (siehe vorhergehenden Lehrspruch) und hängt von unentwegter Übung, Meditation und ernsthaftem Dienen ab.

2. Erleuchtung. Das allmählich zunehmende Herabströmen feuriger Energie verstärkt ständig das «Licht im Kopf» oder die Helligkeit, die im Gehirn in der Umgebung der Zirbeldrüse zu finden ist. Für das kleine System des dreifachen Menschen in physischer Manifestation ist es das, was die physische Sonne für das Sonnensystem ist. Dieses Licht wird schliesslich zu einer herrlich schimmernden Strahlenkrone, und der Mensch wird ein «Sohn des Lichts» oder eine «Sonne der Gerechtigkeit». Buddha, Christus und alle grossen Menschen, die das Ziel erreicht haben, waren solche Söhne des Lichtes.

29. Die acht Mittel des Yoga sind: die Gebote (für richtiges Verhalten) oder Yama, die Regeln der Selbstzucht oder Niyama, richtige Haltung oder Asana, Beherrschung der Lebenskraft oder Pranayama, Abstraktion oder Pratyahara, Konzentration oder Dharana, Meditation oder Dhyana, Kontemplation oder Samadhi.

Diese Mittel oder Übungen scheinen einfach zu sein, aber man muss dabei folgendes bedenken: sie beziehen sich nicht bloss auf eine Vollendung, die auf irgendeiner Ebene in einem der Körper errungen wurde, sondern auf die gleichzeitige Befolgung dieser Vorschriften in allen drei Körpern, so dass der ganze dreifache niedere [181] Mensch die Mittel anwendet, die sich ja auf das physische, emotionale und mentale Werkzeug beziehen. Das wird oft vergessen. Darum müssen wir beim Studium dieser verschiedenen Mittel des Yoga (oder der Vereinigung) beachten, wann sie den physischen, wann den emotionalen und wann den mentalen Menschen betreffen. Der Yogi muss z.B. verstehen, welche Bedeutung das richtige Atmen und die Körperhaltung für den dreifachen harmonisch ausgeglichenen Menschen hat; er muss dabei bedenken, dass es dem Ego nur dann möglich ist, den niederen Menschen zu belehren und zu erleuchten, wenn er ein übereinstimmendes rhythmisches Instrument bildet. Die Atemübungen z.B. haben den Aspiranten häufig dazu verleitet, sich auf die physischen Atmungsorgane zu konzentrieren, dabei aber die dazugehörige rhythmische Beherrschung des Gefühlslebens ausseracht zu lassen.

Bevor wir die Mittel im einzelnen betrachten, wollen wir sie übersichtlich ordnen und, wo möglich, die Synonyme angeben:

I. Mittel.

Die Gebote. Yama. Selbstbeherrschung oder Unterlassung. Zügelung. Enthaltung von falschen Handlungen. Es sind fünf Gebote, die sich auf das Verhalten des

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.