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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 159 ff. (engl.)
was die Ursache von all diesem ist; es wird in den Hindu-Schriften Buddhi oder reine Vernunft genannt; es ist Erkenntniskraft ohne das niedere Denken, auch Intuition genannt, deren Wesen Liebe-Weisheit ist. Das ist das Christus-Leben oder Christus-Prinzip, das sich bei der Verkörperung (beim Annehmen einer Form, wie wir sie kennen) als das Sichtbare und das Subtile manifestiert. Bis jetzt ist es bei der Mehrheit der Menschen nur «angedeutet». Wir vermuten, dass es da ist. Durch Ausübung des Raja Yoga soll diese schwache Vermutung zum vollen Wissen werden, so dass die Theorie zur Tatsache wird und das Verborgene, gläubig Vermutete zur Gewissheit werden und als das erkannt werden kann, was es ist.

4. Das Unfassbare. Schliesslich kommen wir zum vierten Wirkungsbereich der Gunas oder Aspekte, zu dem, «in dem wir leben, weben und sind», dem unberührbaren, unbekannten Gott. Das ist die grosse Lebens- und Daseinsform, in der unsere kleinen Formen enthalten sind. Das ist die Gesamtsumme der denkenden Substanz, von der unser kleines Denkvermögen ein Teil ist; das ist die gesamte Schöpfung Gottes, die sich durch den kosmischen Christus manifestiert, von dem jeder kleine Gottessohn ein Teil ist. Das [160] Bewusstsein des Menschen kann dieses Unfassbare und Unbekannte jetzt noch nicht begreifen.

20. Der Seher ist reines Erkennen (Gnosis). Dennoch betrachtet er die dargestellte Idee durch das Medium seines Denkvermögens.

Die vorzügliche Übersetzung dieses Lehrspruchs durch Johnston ist bereits erwähnt worden; sie lautet: «Der Seher ist reines Schauen. Obwohl rein, sieht er dennoch das Erschaute durch die Hülle des Denkens». Ganganatha Iha hellt den Gedanken weiter auf, indem er sagt: «Der Schauende ist absolutes, reines Erkennen, das durch intellektuelle Vorstellungen erfolgt». Damit soll gesagt werden, dass der wahre Mensch, der Schauende, Wahrnehmende oder Denker, die Gesamtsumme aller Wahrnehmung ist, ob nun durch die Sinnesorgane oder durch das Verstandesdenken. Er ist an sich Wissen, klares Schauen oder richtige Wahrnehmung. Alles was in den drei Welten besteht, ist nur seinetwegen und für ihn da. Er ist die Ursache, dass es besteht; und wenn er es nicht mehr begehrt oder gar nicht sehen will, dann existiert es auch nicht für ihn. Dieser Lehrspruch ist einer der fundamentalsten dieses Buches, denn er gibt uns den Schlüssel für die gesamte Wissenschaft des Yoga. In seiner Formulierung sind gewisse Gedanken angedeutet, die das gesamte Wissensgebiet umfassen; der Studierende sollte ihm daher grösste Beachtung schenken. Er hat eine mantrische Wirkung, und wenn man ihn als Bekenntnis spricht und ständig anwendet, wird er uns schliesslich die Wahrheit des Ausspruchs bestätigen: «Wie der Mensch denkt, so ist er».

«Ich bin [161] reines Erkennen, trotzdem sehe ich dargestellte Ideen durch das Medium des Denkvermögens».

Wir haben hier:

1. Den Seher oder Zuschauer, der (von seinem göttlichen Standpunkt aus) diese Welt der Wirkungen, diese grosse Maja der Illusion betrachtet.

2. Die dargestellte Idee. Damit soll der Gedanke ausgedrückt werden, dass jede Form, die in dem grossen Panorama des Lebens in den drei Welten an dem Beschauer vorüberzieht, eine «dargestellte Idee» ist, dass also diese dargestellten Ideen verkörperte Gedanken irgendeiner Art sind und als solche betrachtet werden müssen. Die Aufgabe des Okkultisten besteht darin, sich mit den Kräften hinter jeder Form zu befassen, und nicht so sehr mit der Form, die nur die Wirkung irgendeiner Ursache ist. Diese zielstrebige Methode kann nur allmählich entwickelt werden. Von den Formen und ihrer rechtmässigen Bedeutung in seiner unmittelbaren Umgebung und in seiner eigenen winzigen Welt geht der Zuschauer allmählich weiter zu den verschiedenen Formen des Weltgeschehens, bis ihm die Welt der Ursachen offenbar wird und die Welt der Wirkungen einen untergeordneten Platz erhält.

Zuerst nimmt er die Formen in den drei Welten wahr. Dann erkennt er allmählich das, was sie verursacht hat und welche Art von Kraft sie ins Dasein gebracht hat. Später entdeckt er die Idee, die sich in der Form verkörpert, und indem er sie stufenweise auf ihren Ursprung weiter- oder zurückverfolgt, kommt er bis zu den grossen Lebensträgern, welche die Ursache der Manifestation sind. So tritt er heraus aus dem Reich des Gegenständlichen, heraus aus den mentalen, emotionalen und physischen Bereichen und kommt in die [162] Welt der Seele oder der inneren Ursache dieser dreifältigen sichtbaren Schöpfung. Das ist die Welt der Ideen und folglich des reinen Wissens, der reinen Vernunft und des göttlichen Denkbereichs. Später, in einem sehr fortgeschrittenen Zustand, kommt er schliesslich bis zu dem einen Lebenszentrum, in welchem die vielen Leben zu einer Synthese vereinigt sind, dem einen Willen, der die vielen Ideen zu einem gleichgerichteten Plan vereinigt.

3. Das Denkvermögen. Das ist das Instrument, welches der Seher benützt, um dargestellte Ideen oder Gedankenformen wahrzunehmen. Des besseren Verstehens wegen kann man die dargestellten Ideen in fünf Gruppen von Gedankenformen einteilen:

a. Die greifbaren, dinghaften Formen in der physischen Welt des täglichen Lebens. Mit diesen hat sich der Sehende in den frühen, vorgeschichtlichen Stadien des menschlichen Daseins lange Zeiten hindurch identifiziert.

b. Die Stimmungen, Gefühle und Begierden, die alle in der astralen Welt, der Welt der Gefühlsbewegungen, Formen haben.

c. Die Myriaden verschiedenartiger Gedankenformen, welche die Mentalwelt erfüllen.

Durch diese «dargestellten Ideen» erlangt der Seher ein Wissen über das Nicht-Selbst.

d. Die Gedankenformen, die er selbst schaffen kann, sobald er gelernt hat, sein Instrument, das Denkvermögen, zu beherrschen, und sobald er unterscheiden kann zwischen der täuschenden Welt der vorhandenen Ideen und jenen Wirklichkeiten, welche die Welt des Geistes ausmachen.

Durch diesen Werdegang kommt er zu einem Wissen über sich selbst. Während der ganzen Zeit seines Erfahrungslebens, da er das Nicht-Selbst kennenlernt und sein wahres Selbst erkennt, benutzt er seine Denkfähigkeit als Medium des Suchens, Erklärens und Ausdeutens, denn die Sinne und alle seine Kontaktmittel [163] telegraphieren dem Denkvermögen (über das kleinere Instrument des Gehirns) ständig Informationen und Reaktionen. Nachdem der Seher dieses Stadium erreicht hat, ist er fähig, das Denkvermögen in umgekehrter Weise zu benutzen. Anstatt seine Aufmerksamkeit auf das Nicht-Selbst oder die täuschende Welt der Wirkungen zu richten, und anstatt seine eigene niedere Natur zu erforschen, kann er nun, infolge der erreichten Gedankenkontrolle, zum fünften Stadium gelangen:

e. Er sieht die Ideen, die sich ihm in der Welt des geistigen Lebens, im Reich geistigen Wissens und im Reich Gottes im wahrsten Sinn darbieten.

Dadurch kommt der Seher zu einer wirklichen Erkenntnis Gottes und lernt das Wesen des Geistes verstehen. Das Denkvermögen dient dann einem dreifachen Zweck:

a. Der Seher sieht durch das Denkvermögen auf das Reich der Ursachen, das geistige Reich.

b. Durch das Denkvermögen kann die Welt der Ursachen in Begriffen des Verstandes gedeutet werden.

c. Durch den richtigen Gebrauch des Denkvermögens kann der Seher an das physische Gehirn des niederen persönlichen Selbstes (der Widerspiegelung des wahren Menschen in der Welt der Wirkungen) das übermitteln, was die Seele sieht und weiss. Dann bildet sich folgendes Dreieck und kommt in wirksame Tätigkeit: Erstens der Seher oder geistige Mensch, zweitens das Denkvermögen, sein Werkzeug des Erkennens oder das Fenster durch das er hinausschaut, (entweder auf die Welt der Wirkungen, auf sich selbst, oder auf die Welt der Ursachen) und drittens das Gehirn, die aufnehmende Platte, in die der Seher sein «reines Erkennen» einprägen kann, wobei er das Denken als Übersetzer und Übermittler benutzt.

21. Alles Erschaffene [164] besteht nur um der Seele willen.

Der Mensch sollte nicht so anmassend sein und diesen Lehrspruch so auslegen, als bestände alles Erschaffene für ihn. Der Sinn ist viel weiterreichend. Die Seele, die hier gemeint ist, ist die des höchsten Wesens, von dem die Seele des Menschen nur ein unendlich kleiner Teil ist. Die kleine Welt des Menschen, seine begrenzte Umwelt und seine unbedeutenden Kontakte bestehen um der Erfahrung willen, die sie ihm bringen, und wegen der schliesslichen Befreiung, die sie zustandebringen. Er ist der Anlass ihrer Manifestation, und sie sind das Ergebnis seiner eigenen Denkkraft. Aber um ihn herum und durch ihn ist jenes grössere Ganze zu finden, von dem er ein Teil ist; und das ganze riesige Universum (das planetarische und solare) besteht um dieser grösseren Lebenseinheit willen, in deren Körper er nur ein Atom ist. Die ganze Welt der Formen ist das Resultat der Denktätigkeit irgendeines Lebensträgers; das ganze materielle Universum ist der Erkenntnis- und Erfahrungsbereich für eine Wesenheit.

22. Für den Menschen, der das Ziel des Yoga (die Vereinigung) erreicht hat, besteht die äussere Welt nicht mehr; sie besteht indes weiter für jene, die noch nicht frei sind.

In diesem Lehrspruch haben wir die Grundlage der ganzen Wissenschaft des Denkens. Seine Voraussetzung gründet sich auf die Erkenntnis, dass alles, was wir sehen, Modifikationen der Denksubstanz sind, dass der Denkende - ob Gott oder Mensch - sich seine eigene Welt erschafft. Wenn einmal ein Mensch durch die Yoga-Wissenschaft (der Lehre die sich mit der «Unterjochung der Aktivität des Denkprinzips» oder mit der Gedankenbeherrschung befasst) völlige Gewalt über das Denken und über die mentale Substanz erreicht hat, dann ist er frei von der Herrschaft jener Formen, die den Grossteil der Menschen in den drei Welten gefangen halten.

Er steht [165] dann abseits von der grossen Illusion. Die Körper, die ihn bisher gefesselt haben, tun es nicht mehr; die grossen Ströme von Gedanken, Ideen und Wünschen, die durch die «Modifikationen des Denkprinzips» des inkarnierten Menschen entstehen, beherrschen oder beeinflussen ihn nicht mehr; und die Myriaden von Gedankenformen, die Wirkungen dieser Ströme in der mentalen, astralen und physischen Welt, schliessen ihn nicht mehr ab von den Wirklichkeiten (oder der wahren inneren Welt der Ursachen) und von den Kraftausstrahlungen. Er lässt sich nicht mehr täuschen, denn er kann zwischen dem Wirklichen und Unwirklichen unterscheiden, dem Wahren und Falschen, und zwischen dem Leben des Geistes und der Welt der Erscheinungen. Er wird dann empfänglich für die Gedankenströmungen und Ideen, die von grossen geistigen Wesen ausgehen; und der grosse Plan des Erbauers des Universums kann sich vor ihm entfalten. Er ist losgelöst und frei, und er ist nur den neuen Lebensbedingungen unterworfen, die für den gelten, der die grosse Einswerdung vollzogen hat. Die Gesetze der drei Welten sind nicht aufgehoben, sondern überschritten, denn das Grössere schliesst immer das Geringere ein; und obwohl er - um zu dienen - sich auf ein scheinbar dreidimensionales Leben beschränken mag, geht er dennoch hinaus in die Welt höherer Dimensionen, wenn er es will und wenn es für die Ausdehnung des Reiches Gottes nötig ist.

Das Ziel dieser [166] Yoga-Wissenschaft besteht darin, dem Menschen zu zeigen, wie er sich selbst befreien kann. Bis zu diesem Punkt lief daher die Lehre Patanjalis darauf hinaus, dem Menschen den Platz zu zeigen, den er im Gesamtplan einnimmt; die Ursache für die Ruhelosigkeit des Menschen und für seinen Drang zur Tätigkeit dieser oder jener Art anzugeben; den Grund für das Bestehen der grossen Welt der Wirkungen aufzuzeigen und den Aspiranten dahin zu bringen, die Welt der Ursachen zu erforschen. Damit soll also gezeigt werden, wie notwendig eine weitere Entfaltung ist und von welcher Art die Hindernisse sind, die dieser Entfaltung entgegenwirken bis der Mensch so weit ist, dass er sagt: Wenn das alles so ist, welche Mittel und Wege gibt es dann, diese Vereinigung mit dem Wirklichen zu erreichen und die grosse Illusion zu zerstreuen? Dieses zweite Buch gibt die acht grossen Mittel des Yoga an und beschreibt kurz und genau die Massnahmen, die für die Regelung des physischen, psychischen und mentalen Lebens erforderlich sind.

23. Die Verbindung der Seele mit dem Denksinn und folglich mit dem, was der Denksinn wahrnimmt, führt dazu, das Wesen des Wahrgenommenen und auch des Wahrnehmenden zu erkennen.

In diesem Lehrspruch wird die Aufmerksamkeit des Studierenden auf die

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.