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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 144 ff. (engl.)
das physische Manifestations-Instrument in seinen beiden Aspekten.

a. Das niedere Manas (oder konkrete Denken) ist die Grundursache für das Entstehen des Ätherkörpers.

b. Kama oder Verlangen [145] ist die treibende Kraft, die den physischen Körper ins Dasein bringt.

Kama und Manas zusammen sind die massgebenden Ursachen des manifestierten Daseins (des Entstehens der Erscheinungswelt.)

Es ist wohlbekannt, dass der Baum des Lebens mit den Wurzeln nach oben und mit den blühenden Zweigen nach unten dargestellt wird. Für den kleinen Lebensbaum des Ego gilt die gleiche symbolische Darstellung. Die Wurzeln befinden sich auf der Mentalebene. Das Erblühen zum sichtbaren Dasein und die Ausreifung geschieht auf der physischen Ebene. Darum ist es notwendig, dass der Aspirant die Axt an die Wurzel des Baumes legt, also sich mit den Gedanken und Begierden befasst, die den physischen Körper ins Dasein bringen. Er muss in den inneren Bereich eindringen, wenn er sich mit dem befassen will, was ihn an das Rad der Wiedergeburt gebunden hält. Wenn die Keime ausgerottet sind, ist auch kein Ausreifen mehr möglich. Wenn die Wurzeln von ihren Verzweigungen auf den drei Ebenen getrennt sind, kann auch die Lebensenergie nicht mehr hineinströmen. Die drei Worte: Geburt, Dasein und Erleben fassen das menschliche Dasein, dessen Zweck und Ziel zusammen, und damit brauchen wir uns hier nicht zu befassen. Das ganze Thema des Karma (oder des Gesetzes von Ursache und Wirkung) wird in diesem Lehrsatz aufgeworfen; es ist zu umfassend, als dass es hier ausgeführt werden könnte. Es genügt der Hinweis, dass - vom Standpunkt der Yoga-Lehrsprüche aus - Karma von dreifacher Art ist:

1. Latentes Karma. Das sind jene Keime und Ursachen, die noch unentwickelt und unwirksam sind, die aber in diesem oder einem folgenden Leben zur Auswirkung kommen werden.

2. Wirkendes Karma. Das sind die Keime und Ursachen, die sich [146] jetzt entwickeln und auswirken, und für die das gegenwärtige Leben den Nährboden abgeben soll, in dem sie zur Reife kommen sollen.

3. Neues Karma. Das sind die Keime und Ursachen, die in diesem Leben geschaffen werden, und die zwangsläufig die Umstände eines späteren Lebens bestimmen werden.

Der Anfänger in dieser Wissenschaft des Yoga kann sich zuerst mit seinem jetzt sich auswirkenden Karma befassen, indem er alle Ereignisse und Umstände seines Lebens als Gelegenheiten betrachtet, um bestimmte Wirkungen aufzuheben. Er kann sich bemühen, über seine Gedanken so zu wachen, dass keine neuen Samen gesät werden, dass also kein neues Karma in einem zukünftigen Leben entstehen kann.

Schwieriger ist es für den Neuling auf dem Pfad, mit den Keimen des latenten Karma fertig zu werden. Hier kann ihm sein Meister in der Weise helfen, dass er auf seine Lebensumstände und seine Umgebung in den drei Welten so einwirkt, dass die Art seines Karmas schneller zur Auswirkung kommen und abgetragen werden kann.

14. Aus diesen Keimen (oder Samskaras) erwächst Freude oder Leid, je nachdem, ob das, was der Mensch säte, gut oder böse war.

Gut ist das, was sich auf das Eine Prinzip bezieht, auf die Wirklichkeit, die allen Formen innewohnt; auf den Geist des Menschen, [147] der sich durch die Seele kundtut; auf den Vater im Himmel, der sich durch den Sohn manifestiert. Das Böse bezieht sich auf die Form, auf das Gehäuse, auf die Materie; es betrifft tatsächlich die Beziehung des Sohnes zu seinem Manifestations-Instrument. Wenn der kosmische oder menschliche Sohn Gottes von seiner Form eingeengt, eingekerkert und der klaren Sicht beraubt ist, dann hat das böse Macht über ihn. Wenn er sich seines Selbstes bewusst ist, unbehindert durch Formen und frei von der Knechtschaft der Materie, dann ist das die Macht des Guten. Völliges Freisein von der Materie bringt Glückseligkeit und Freude - die Freude der erkannten Wirklichkeit. Das Böse verursacht Leiden, denn der Grad der Beeinträchtigung des inneren Herrschers durch seinen Manifestationskörper bestimmt auch das Mass des Leidens.

15. Der erleuchtete Mensch betrachtet das ganze Dasein in den drei Welten als leidvoll, und zwar wegen der Wirksamkeiten der Gunas. Diese Wirksamkeiten sind von dreifacher Art: sie bringen karmische Folgen, Kümmernisse und bange Ahnungen mit sich.

Die drei «Gunas» sind die drei Qualitäten der Materie selbst, Sattva, Rajas und Tamas - oder Rhythmus, Aktivität und Trägheit; sie sind in allen Formen enthalten. Der Studierende darf nicht vergessen, dass jede Form auf jeder Ebene diese Merkmale aufweist; das gilt für die höchste Form genau so wie für die niedrigste. Die sichtbare Äusserung dieser Qualitäten ist nur dem Grad nach verschieden.

Dem Menschen, der sich der Vollkommenheit nähert, wird es immer klarer, dass jede Form, durch die er, der göttliche, geistige Mensch sich manifestiert, Begrenzung und Schwierigkeit verursacht. Das physische Formgefäss des Adepten, das vorwiegend aus sattvischer Substanz besteht, ausgeglichen und harmonisch ist, bindet ihn trotzdem an die Welt des physischen Bemühens und beeinträchtigt die Kräfte und Fähigkeiten des wahren Menschen. Allgemein könnte man sagen:

1. Das Attribut [148] der Trägheit (oder Tamas) kennzeichnet das niedere persönliche Selbst, die Hüllen des dreifachen niederen Menschen.

2. Das Attribut der Aktivität ist das Hauptmerkmal der Seele, und diese Qualität ist es, die das intensive Tätigsein und das ständige Bemühen des Menschen veranlasst; zuerst, wenn er Erfahrung sucht, und später, wenn er dienen will.

3. Das Attribut des Rhythmus oder des Ausgeglichenseins ist die Qualität des Geistes oder der Monade. Dieses Streben nach Vervollkommnung ist die Ursache der menschlichen Entwicklung in Zeit und Raum; es ist die treibende Kraft, die alles Leben durch alle Formen hindurch zur Vollendung führt. Wir müssen indes im Auge behalten, dass diese drei Qualitäten die Eigenschaften der Substanz sind, durch die sich der dreifältige Geist in diesem Sonnensystem manifestiert. Das Wesen des Geistes an sich ist uns bis jetzt unbekannt, denn wir können nur in Form-Begriffen denken, wie transzendental diese Formen auch sein mögen. Nur jene Seelen, welche die höchste Einweihung erlangt haben und über unseren solaren Einflussbereich hinausgehen können, wissen etwas von der essentiellen Natur dessen, was wir Geist nennen.

Zur praktischen Auswirkung der Tätigkeit der Gunas in den drei Welten kann in bezug auf den Menschen folgendes gesagt werden:

1. Das Attribut des Ausgeglichenseins oder Rhythmus zeichnet den mentalen Körper aus. Wenn dieser systematisch aufgebaut ist, und wenn sich der Mensch von seinem Denken leiten lässt, dann wird auch sein Leben harmonisch und geordnet, und die Regelung seiner Angelegenheiten geschieht in einer ausgeglichenen Weise.

2. Die Qualität der Aktivität oder Beweglichkeit ist das Kennzeichen [149] der Emotional- oder Astralnatur; und wenn diese vorherrscht, ist das Leben unausgeglichen, leidenschaftlich, gefühlsbetont und jeder Stimmung und jedem Gefühl nachgebend. Es ist hauptsächlich die Qualität des Wunschlebens.

3. Trägheit ist die Qualität, die im physischen Körper vorherrscht. Das ganze Bemühen des Ego zielt darauf hin, diese Trägheit zu beseitigen und seinen niedrigsten Träger zu einer Tätigkeit anzutreiben, die zu dem gewünschten Ergebnis führen soll. Darum sind in den Frühstadien des Bemühens das Wirken des Gunas der Beweglichkeit und die volle Tätigkeit der Wunschnatur notwendig.

Leiden ist die Folge dieser Aktivitäten der Formen, denn Leiden resultiert aus der naturgegebenen Verschiedenheit zwischen den Gegensatzpaaren Geist und Materie. Beide Faktoren sind ihrem Wesen nach so lange «im Friedenszustand», bis sie miteinander in Verbindung gebracht werden; sie leisten dann einander Widerstand und erzeugen Reibung und Leiden, wenn sie in Zeit und Raum miteinander verbunden sind.

Patanjali weist darauf hin, dass dieses Leiden umfassend ist und sich über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erstreckt.

1. Karmische Folgen. Leiden entsteht durch die Handlungsweise in der Vergangenheit und dadurch, dass sich das Karma auswirkt: Fehler müssen gutgemacht und der Preis für Irrtümer muss gezahlt werden. Die Erfüllung früherer Verpflichtungen und die Begleichung von Schulden ist immer ein kummervoller Vorgang. Gewisse Vorkommnisse in der Vergangenheit bedingen die Zustände in der Gegenwart - Erbanlagen, Umwelt und Körpertyp; und die Form - des Trägers und der Gruppenbeziehung - ist schmerzvoll für die Seele, die dadurch eingeengt wird.

2. Kümmernisse. Sie beziehen sich auf die Gegenwart und werden manchmal mit «Befürchtungen» übersetzt. Wenn der Leser diesen [150] Ausdruck studiert, wird er feststellen, dass er nicht nur die Furcht vor dem Übel des Leidens bezeichnet, sondern auch die Angst vor dem Versagen des geistigen Körpers im Dienen. Beides verursacht Schmerz und Kummer und entspringt dem Erkennen des wirklichen Menschen, der sich seines Erbgutes bewusst wird.

3. Bange Ahnungen. Sie beziehen sich auf die Zukunft und sind jene Vorahnungen von Tod, Leiden und Not, die über so viele Menschen Gewalt haben. Es ist das Unbekannte mit seinen Möglichkeiten, das wir für uns und andere Menschen fürchten, und das bringt wiederum Leiden.

16. Leid, das noch bevorsteht, kann abgewendet werden.

Die Sanskritworte geben hier einen zweifachen Begriff wieder. Sie lassen sich erstens so auslegen, dass gewisse Arten künftiger «Trübsal» (wie es in einigen Übersetzungen heisst) dadurch vermieden werden können, dass der Mensch seine Energien in die richtige Ordnung bringt; dann sind infolge der geänderten Geisteshaltung schmerzliche Rückwirkungen nicht mehr möglich und alte «Strafen» sind nicht mehr zu erwarten, da er sein Wunschleben umgewandelt hat. Zweitens ist daraus zu entnehmen, dass ein Leben in der Gegenwart so gelebt werden kann, dass keine Ursachen in Bewegung gesetzt werden, die zu leidschaffenden Wirkungen führen. Diese zweifache Schlussfolgerung wird im Leben des Yogi eine zweifache Selbst-Disziplinierung bewirken: erstens die feste Entschlossenheit, stets Nicht-Anhangen zu pflegen, zweitens die ständige Disziplinierung der niederen Natur. Dadurch wird eine mentale Aktivität von solcher Art entwickelt, dass alte Neigungen, Sehnsüchte und Begierden keine Anziehungskraft mehr haben; und [151] es wird auch nicht mehr solchen Tätigkeiten und Wünschen nachgegeben, die späteres Karma oder leidvolle Wirkungen auslösen könnten.

Das Vergangene kann nur jetzt abgetragen werden, und man muss diese Art von Karma, das in seinem Ablauf Leiden, Sorgen und Nöte mit sich bringt, eben ertragen. Gegenwärtiges Karma oder das Auftreten der Wirkungen, die das Ego für diesen Lebenszyklus plant, muss bei der Freimachung der Seele ebenfalls seine Rolle spielen. Es ist dem geistigen Menschen jedoch möglich, den niederen Menschen so zu beherrschen, dass die karmisch bedingten Ereignisse (oder die Folgen, die sich in der physischen Welt auswirken) keinen Schmerz oder Kummer mehr auslösen, da sie von dem nichtverhafteten Yogi erkannt werden und er sich entsprechend verhält. Er wird auch darauf bedacht sein, keine weiteren schmerzerzeugenden Ursachen mehr zu schaffen.

17. Die Illusion, dass der Wahrnehmende und das Wahrgenommene ein und dasselbe sind, ist die Ursache (der leidschaffenden Wirkungen), die verhütet werden muss.

Dieser Lehrsatz bringt uns die grosse grundsätzliche Dualität der sichtbaren Schöpfung, die Vereinigung von Geist und Materie in Erinnerung. Es ist die gegenseitige Einwirkung dieser beiden Komponenten, die alle formbildenden Modifikationen oder Aktivitäten auf den verschiedenen Ebenen hervorruft und die Ursache der Begrenzung ist, die das reine Bewusstsein sich auferlegt hat. In einer so kurzen Erläuterung wie dieser ist es unmöglich, dieses Thema

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.