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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 97 ff. (engl.)
Mentalkörper (oder Denkvermögen) das wider, was er erschaut hat, und der Mentalkörper überträgt die gewonnene Erkenntnis in das physische Gehirn.

44. Die beiden Arten der Konzentration (Denken mit und ohne Beachtung von Unterschieden) können auch auf feinstoffliche Dinge angewendet werden.

Dieser Lehrspruch ist ohne lange Erklärung verständlich. Das Wort «feinstofflich» hat eine weite Bedeutung, aber (vom Standpunkt Patanjalis) wird es am häufigsten angewendet auf das essentielle [98] Etwas, das wir wahrnehmen, wenn wir die fünf Sinne gebraucht haben. So ist z.B. die Rose die objektive, greifbare Form, ihr Duft ist das «Feinstoffliche» hinter der Form. Dieses bringt für den Okkultisten die Qualität zum Ausdruck und ist das Erzeugnis der feineren Elemente, die dessen Offenbarwerden bewirken. Die gröberen Elemente erzeugen die Form; aber in der grobstofflichen Form ist etwas Feineres, das wir nur mit feinerem Wahrnehmungsvermögen und verfeinerten Sinnen erfassen können. In der Erläuterung der Übersetzung von Woods finden wir folgende Worte, die zu einem besseren Verständnis beitragen können; und wenn der fortgeschrittene Studierende über sie nachdenkt, wird er herausfinden, dass sie von tiefer okkulter Bedeutung sind:

« ... das Atom der Erde ist erschaffen aus den fünf Feuerelementen, unter denen das Feuerelement des Geruchs vorherrscht. In gleicher Weise ist das Atom des Wassers erschaffen aus vier Feuerelementen, unter denen das Feuerelement des Geschmacks vorherrscht. Das Atom des Feuers ist erschaffen aus drei Feuerelementen (ohne die des Geruchs und Geschmacks), unter denen das Feuerelement der Farbe vorherrscht. Ebenso ist das Feuerelement des Windes erschaffen aus den beiden Feuerelementen Geruch und Tastgefühl, wobei das letztere vorherrscht. Das Atom der Luft ist allein aus dem Feuerelement Schall (Ton) erschaffen.

Wenn man diese Vorstellung auf den Makrokosmos ausdehnt, werden wir finden, dass wir über die äussere Form Gottes in der Natur mit und ohne die unterscheidende Tätigkeit des Denkvermögens meditieren können. Wenn der Studierende dann Erfahrung im Meditieren erlangt hat, kann er durch einen Willensakt über das feinstoffliche innere Wesen Gottes meditieren, das sich nach dem grossen Gesetz der Anziehung manifestiert, und auf das Christus hinwies, [99] als er sagte: «Gott ist Liebe». Das Wesen Gottes, die grosse «Liebe» oder Anziehungskraft schafft die «feinstofflichen Dinge», die von den äusseren Dingen verhüllt werden.

45. Das Grobstoffliche führt zum Feinstofflichen, und dieses führt stufenweise fortschreitend zu dem Zustand reinen geistigen Seins, der Pradhana genannt wird.

Hier muss der Studierende die folgenden Grade oder Stufen beachten, durch die er gehen muss, wenn er in das Innerste vordringen

will:

1. Das Grobstoffliche #Form, Bhutas, vernunftgemäss fassbare Hüllen.

2. Das Feinstoffliche #das Wesen oder die Qualitäten, die Tanmatras, die Indriyas; oder die Sinne, die Sinnesorgane und das, was wahrgenommen wird.

Diese Stufen lassen sich auf alle Ebenen der drei Welten, mit denen der Mensch zu tun hat, anwenden, und sie haben eine enge Beziehung zu den Gegensatzpaaren, die er auf der Emotionalebene ins Gleichgewicht bringen muss. Hinter diesem allem findet man den ausgeglichenen Zustand, Pradhana genannt, der die Ursache all dessen ist, was physisch greifbar und mit feineren Sinnen wahrnehmbar ist. Diesen ausgeglichenen Zustand kann man füglich unauflösbare Ursubstanz nennen: Materie mit Geist vereint, noch indifferenziert und ohne Form oder Unterscheidungsmerkmal. Hinter diesen dreien ist das absolute Prinzip zu finden; aber der inkarnierte Mensch vermag nur diese drei zu erkennen. Vivekananda sagt in seinem Kommentar:

«Die grobstofflichen Objekte sind nur die Elemente und all das, was aus ihnen geschaffen ist. Die fünf Objekte beginnen mit Tanmatras oder fünf Partikeln. Die Organe, das Denkvermögen (das [100] Aggregat aller Sinne), die Ichheit, die Denksubstanz (die Ursache aller Manifestation) und der Gleichgewichtszustand von Sattva, Rajas und Tamas (die drei Qualitäten der Materie A.B.) - genannt Pradhana (Urprinzip), oder Prakriti (Urmaterie), oder Avyakta (das Unmanifestierte); das alles ist inbegriffen in die Kategorie der fünf Objekte. Das Purusha (die Seele) allein ist von dieser Definition ausgenommen».

Vivekananda übersetzt hier offensichtlich Purusha mit Seele, aber es wird allgemein mit Geist übersetzt und bezieht sich auf den ersten Aspekt.

46. Das alles gehört zur Meditation mit einem Saatgedanken.

Die letzten vier Lehrsprüche befassten sich mit jenen Konzentrationsarten, die mit einem Objekt zu tun haben. Bei diesem Objekt kann es sich um etwas handeln, das vom Standpunkt der physischen Ebene aus gesehen feinstofflich oder ungreifbar ist; nichtsdestoweniger geht es dabei (vom Standpunkt des wirklichen oder geistigen Menschen) immer noch um das Nicht-Selbst. Er beschäftigt sich mit irgendeinem Aspekt, der ihn in Bereiche führen kann, die nicht in der Hauptsache zu denen des reines Geistes gehören. Wir müssen jedoch bedenken, dass alle vier Stufen notwendig sind und jeder weiteren geistigen Erkenntnis vorangehen müssen. Das Denkvermögen des Menschen ist an sich nicht so geschaffen, dass es die Dinge des Geistes begreifen kann. Indem der Mensch von einer Stufe der «Saatmeditation» zur anderen weitergeht, kommt er dem Sitz allen Wissens immer näher, und schliesslich wird er mit dem in Berührung kommen, worüber er meditiert. Dann wird das Wesen des [101] Denkers selbst als reiner Geist begriffen; alle die Schritte, Stufen, Objekte, Saatgedanken, Organe, Formen (fein- oder grobstofflich) schwinden dahin, und nur der Geist wird erkannt. Fühlen und Denken werden überschritten und nur Gott wird erlebt; die niederen Schwingungen werden nicht mehr gefühlt; Farben werden nicht mehr gesehen, es gibt nur noch Licht; geistiges Schauen hört auf, nur der Ton oder das Wort allein wird vernommen. Es verbleibt nur das «Auge Shivas», mit dem sich der Seher als wesensgleich erkennt.

Mit der oben beschriebenen vierfachen Ausschaltung sind die vier Erkenntnisstufen angedeutet, die den Menschen aus der Welt der Formen in das Reich des Formlosen führen. Es wird für den Leser interessant sein, die vier Stufen der «Meditation mit Saatgedanken» mit den vier obigen zu vergleichen. Jede Meditation, in der Bewusstsein erkannt wird, ist mit einem Objekt verbunden; in jeder Meditation, in welcher der Wahrnehmende sich dessen bewusst ist, was er sieht, besteht noch immer ein Zustand der Form-Wahrnehmung. Erst wenn alle Formen und selbst das Feld des Erkennens den Blicken entschwunden sind und der Erkennende sich als das erkennt, was er dem innersten Wesen nach ist (weil er in der Kontemplation seines reingeistigen Wesens ganz aufgegangen ist), erst dann kann die ideale, formlose, saatlose, objektlose Meditation erreicht werden. Hier versagt die Sprache des Okkultisten und auch des Mystikers, denn Sprache befasst sich mit dem Gegenständlichen und dessen Beziehung zum Geist. Darum wird dieser höhere Zustand der Meditation mit einem Schlaf- oder Trance-Zustand verglichen; aber er ist das [102] Gegenteil des physischen Schlafs oder des Trance-Zustands des Mediums, denn der geistige Mensch ist dabei hellwach auf jenen Ebenen, die sich nicht mit Worten erklären lassen. Er ist sich völlig seiner unmittelbaren geistigen Wesensgleichheit bewusst.

47. Wenn dieser überkontemplative Zustand erreicht ist, erlangt der Yogi durch die ausgeglichene Ruhe des Chitta (der Denksubstanz) reine geistige Erkenntnis.

Die in diesem Lehrsatz gebrauchten Sanskritworte können nur angemessen übersetzt werden, wenn man sie umschreibt, um den Sinn verständlich zu machen. Wörtlich könnte der Lehrspruch heissen: «Reines Erkennen kommt aus der Ruhe des Chitta». Hier muss daran erinnert werden, dass es sich um den Begriff der Reinheit in ihrem wahrsten Sinn handelt, der «Freisein von Begrenzung» und deshalb das Erlangen reiner geistigen Erkenntnis bedeutet. Daraus resultiert ein Kontakt der Seele mit der Monade oder dem Geist, und das Wissen um diesen gewonnenen Kontakt wird dem physischen Gehirn übermittelt.

Das ist nur in einem sehr fortgeschrittenen Stadium der Yoga-Praxis möglich, und auch dann nur, wenn die Denksubstanz völlig ruhig ist. Der Vater im Himmel wird erkannt, Der sich durch den Sohn der Mutter offenbart. Sattva (oder Rhythmus) allein tritt in Erscheinung, während Rajas (Aktivität) und Tamas (Trägheit, Dunkelheit) beherrscht und kontrolliert werden. Sattva bezieht sich auf den Rhythmus der Formen, in denen der Yogi wirkt; erst wenn diese den höchsten der drei Gunas (Qualitäten der Materie) zum [103] Ausdruck bringen, wird der höchste oder geistige Aspekt erkannt. Nur wenn Rajas vorherrscht, wird der zweite Aspekt erkannt; nur wenn Tamas vorherrscht, wird der niederste Aspekt erkannt. Zwischen dem Trägheits-Aspekt der Materie (oder Tamas) und dem Zustand der Körper des Yogi im höchsten Samadhi besteht eine interessante Ähnlichkeit. Die sattvische oder rhythmische Bewegung ist dann so vollkommen, dass sie dem Auge des Durchschnittsmenschen als Ruhezustand erscheint; dieser Zustand ist die Vergeistigung des tamasischen oder beharrenden Zustands der dichten Materie.

Im Kommentar zu den von Woods übersetzten Lehrsprüchen heisst es:

«Wenn die Denksubstanz nicht mehr verdunkelt ist durch Unreinheit, kann das Sattva der Denksubstanz, dessen Essenz Licht ist, klar und stetig strömen; es wird nicht mehr von Rajas und Tamas überwältigt. Das ist Klarheit. Wenn diese Klarheit im Zustand höchster meditativer Ausgeglichenheit eintritt, erlangt der Yogi die innere ungestörte Ruhe, das heisst, den Blitz (Sputa) der Erkenntnis, die nicht die Reihenfolge der gewöhnlichen Vorgänge des Erkennens durchläuft, sondern das Ding, wie es wirklich ist, zeigt. ... Unreinheit ist Zuwachs von Rajas und Tamas; es ist die Verschmutzung, die das charakteristische Merkmal der Verdunkelung hat. Klarheit ist frei davon». (Seite 93)

Dem Menschen ist es gelungen, durch Disziplin, durch Befolgen der Yoga-Regeln und [104] durch Ausdauer im Meditieren sich von allen Formen loszulösen und sich als wesensgleich mit dem Formlosen zu erkennen.

Er ist bis zum innersten Punkt seines Wesens vorgedrungen. Von diesem Punkt reiner geistiger Erkenntnis aus kann er weitergehen und durch Übung diese Erkenntnis verstärken. Er blickt auf sein Leben, sein Wirken und seine Umstände wie auf eine vorüberziehende Schau, mit der er nichts zu tun hat. Er kann aber den Scheinwerfer des reinen Geistes darauf richten; er selbst ist Licht und weiss sich als Teil des «Lichtes der Welt», und «in diesem Licht wird er Licht sehen». Er erkennt die Dinge, wie sie sind, und weiss, dass alles, was er bisher als Wirklichkeit angesehen hat, nur Illusion ist. Er ist durch die grosse Maya hindurch in das Licht eingedrungen, das sie erzeugt; und es gibt in Zukunft für ihn keinen Irrtum mehr. Sein Sinn für Werte ist richtig; sein Sinn für die richtigen Verhältnisse ist genau. Er unterliegt nicht mehr der Sinnestäuschung, sondern ist frei von Irrtum und Wahn. Wenn dieser Punkt erreicht ist, können Freude und Leid ihn nicht mehr berühren; er ist aufgegangen in der Gottseligkeit der Selbstverwirklichung.

48. Seine Wahrnehmung ist nun unfehlbar genau. (Oder: Sein Denken enthüllt nur die Wahrheit).

Beide Übersetzungen werden hier wiedergegeben, weil sie beide zusammen einen besseren Begriff geben als eine allein. Das Wort «genau» wird in seinem okkulten Sinn gebraucht und bezieht sich darauf, wie der Wahrnehmende alle Erscheinungsformen sieht und beurteilt. Die Welt der Illusion oder die Welt der Form muss «genau erkannt» werden. Das bedeutet wörtlich, dass die Beziehung einer jeden Form zu ihrem Namen oder dem Wort, das sie entstehen liess, so erkannt werden muss wie sie ist. Nach Vollendung des Entwicklungsprozesses muss jede Form göttlicher Manifestation genau auf [105] ihren Namen oder das Wort reagieren, das den ursprünglichen Impuls gab und so ein Leben ins Dasein brachte. Die erste Übersetzung betont diesen Gedanken und deutet auf die drei Faktoren hin:

1. Die Idee,

2. das Wort,

3. die sich ergebende Form.

Diese drei bringen zwangsläufig eine andere Dreiheit mit sich:

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.