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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 75 ff. (engl.)

33. Die Ruhe des Chitta (der Denksubstanz) kann durch stetes Mitgefühl, Herzensgüte, Zielstrebigkeit und dadurch erlangt werden, dass man in Freud und Leid und gegenüber jeder Art von Gut und Böse gleichmütig gelassen bleibt.

In diesem Lehrspruch befassen wir uns mit dem physischen Körper, der auf der physischen Ebene Erfahrungen sammelt und dazu das Gehirnbewusstsein benutzt. Dieser Körper hat die Tendenz, sich allen anderen objektiven Formen zuzuwenden, und solange er noch nicht höher entwickelt ist, strebt er gern nach materiellen Dingen. Welcher Art diese Dinge sind, richtet sich nach dem Entwicklungszustand des erlebenden Egos. Das muss beim Studium dieses [76] Lehrspruchs sorgfältig beachtet werden, da sonst der Schluss des Satzes missverstanden wird. Alle Äusserungen der Kräfte des Guten und Bösen müssen klar unterschieden werden, ehe es zum Handeln kommt, denn das Gesetz wirkt sich in diesem Zusammenhang aus; aber die Befreiung von allen physischen Formen, die diese Energie annehmen mag, kann nur dann erreicht werden, wenn Gelassenheit gegenüber diesen Formen geübt wird. Das Mitgefühl, das hier gemeint ist, bezieht sich auf unser Verhalten zu allen Mitmenschen, zum vierten Naturreich; Güte kennzeichnet unsere Beziehung zum Tierreich, zum dritten Naturreich; Zielstrebigkeit (oder beharrliches Streben) betrifft unsere Beziehung zur Hierarchie des Planeten, und Gelassenheit bezieht sich auf alle Reaktionen des niederen persönlichen Ich. Der umfassende Geltungsbereich dieses Lehrspruchs ist daher klar, denn er betrifft alle Gehirnschwingungen des Jüngers.

Der physische Körper ist daher als ein Werkzeug anzusehen, das folgende Qualitäten zum Ausdruck bringen soll:

a. Hilfsbereitschaft für unsere Mitmenschen.

b. Gütige Behandlung des Tierreichs.

c. Dienst auf der physischen Ebene in Zusammenarbeit mit der Hierarchie.

d. Disziplinierung der physischen Gelüste, und unerschütterlicher Gleichmut gegenüber allen Formen, welche die Begierden und Sinne ansprechen, ganz gleich, ob es sich um harmlose oder um schädliche Dinge handelt; sie alle müssen überwunden werden.

Auf diese Weise wird Ruhe erreicht; Ruhe des Chitta (der Denksubstanz), Ruhe vor den Reaktionen des Gehirns, und schliesslich völlige Gelassenheit und Stille. Charles Johnston hat in seiner Übersetzung diesen Zustand gut charakterisiert, wenn er sagt: «Die psychische Natur gelangt in einen Zustand gottseligen Friedens»; der [77] Mensch bekundet Gesundheit, ein ausgeglichenes Wesen und völlig vernünftiges Denken und Handeln. Alle körperliche Unfähigkeit wird auf diese Weise überwunden, und das Wesen des Menschen kommt als Ganzheit zum Ausdruck.

34. Die Ruhe des Chitta kann auch durch Regulierung des Prana oder Lebensodems erreicht werden.

Patanjali gibt neben anderen Methoden zur Erreichung der «Ruhe des Chitta» auch den Pranayama (oder die Wissenschaft des Atmens oder der pranischen Energie) an. Er legt jedoch keinen besonderen Wert darauf. Wie bereits früher angedeutet wurde, ist Pranayama ein Ausdruck, der drei Wissensgebiete oder Verfahren bezeichnen kann, die alle aufeinander bezogen und miteinander verbunden sind.

1. Die Wissenschaft des rhythmischen Lebens oder die Regulierung des täglichen tätigen Lebens durch planvolle Zeiteinteilung und durch kluge Nutzung des Raums. Dadurch wird der Mensch geschickt und tüchtig, er wird zum Schöpfer auf der physischen Ebene und zum Mitarbeiter an den Planungen der Hierarchie, die in zyklischer Entwicklung sichtbar werden.

2. Die Wissenschaft des Atmens, oder die Vitalisierung des niederen Menschen durch Ein- und Ausatmen. Der Mensch weiss, dass er, okkult gesehen, eine «lebendige Seele» ist, und er macht sich den Faktor des Atmens zunutze. Dadurch wird er sich der Einheit des Lebens bewusst und der Beziehung, die zwischen allen Formen besteht, in denen das Leben Gottes wohnt. Er wird sowohl ein [78] Bruder als auch ein Adept, und er weiss, dass Bruderschaft eine Tatsache in der Natur, und nicht bloss eine erhabene Theorie ist.

3. Die Wissenschaft von den Zentren, oder Laya-Yoga; das ist die Anwendung des Gesetzes auf die Kräfte der Natur und die wissenschaftliche Nutzbarmachung dieser Kräfte durch den Menschen. Das bedingt, dass man siebenfältige Energie entlang der Wirbelsäule durch die Zentren in einer bestimmten geometrischen Progression nach oben bis in den Kopf bringt. Das macht den Menschen zu einem Meister im Psychischen und bringt in ihm gewisse latente Kräfte zur Entfaltung; sobald dies der Fall ist, bringen sie ihn mit der Seele aller Dinge und mit der inneren Seite der Natur in Berührung.

Es ist bemerkenswert, dass dieses Mittel, Ruhe und Frieden zu erreichen, erst an zweiter Stelle steht, dass also die Methode, eine vernünftige, gesunde Lebensweise zu führen und infolgedessen einen gesunden physischen Körper zu entwickeln, den Vorrang hat. Späterhin, wenn Patanjali noch einmal auf die Regulierung des Atems und der Energieströme hinweist, setzt er diese Mittel an die vierte Stelle der Hilfsmittel zum Yoga und sagt: Diese Regulierung sollte erst dann versucht werden, wenn bereits eine richtige Ausgeglichenheit (das dritte Hilfsmittel) besteht, die dadurch erreicht wurde, dass die Gebote eingehalten und die Regeln (das erste und zweite Hilfsmittel) befolgt worden waren. Es ist ratsam, diese Hilfsmittel zu studieren und zu beachten, dass ein Interesse an den Zentren erst dann erlaubt ist, wenn der Mensch sein Leben bereits so ausgeglichen und seine Natur so gereinigt hat, dass keine Gefahr mehr besteht.

35. Beständigkeit des Denkens kann durch jene Konzentrationsarten erreicht werden, die mit den Sinneswahrnehmungen in Beziehung stehen.

Wir befassen uns mit jenen Arten der Entfaltung und Beherrschung, die schliesslich zu dem Zustand führen, der «gottseliger Frieden» genannt [79] wurde. Wir haben gesehen, dass richtige Gruppenbeziehungen und rhythmisches Leben den Zustand hervorrufen, in dem Ruhe der Träger (oder Körperhüllen) erreicht wird; der niedere Mensch kann dann den höheren oder geistigen Menschen angemessen widerspiegeln. Nun kommen wir zu bestimmten Aspekten der Philosophie des Raja Yoga. Der Schlüssel zum Verstehen dieses Lehrspruchs liegt in dem Wort Losgelöstsein. Der Aspirant wird, wenn er durch das Medium der fünf Sinne mit der Erscheinungswelt in Berührung kommt, allmählich immer mehr den Standpunkt eines Beobachters einnehmen. Sein Bewusstsein verlagert sich also aus dem Bereich der Sinnesträger in den des «Bewohners des Körpers».

Es ist interessant, was die Hindu-Lehre über die Benutzung der Zunge, der Nase und des Gaumens sagt. Die orthodoxe orientalische Lehre gibt folgende Hinweise:

Methode #Sinn #Ergebnis

1. Konzentration auf die Nasenspitze #Riechen #Düfte.

2. Konzentration auf die Zungenwurzel #Hören #Töne.

3. Konzentration auf die Zungenspitze #Schmecken #Hitze.

4. Konzentration auf die Zungenmitte #Fühlen #Schwingung.

5. Konzentration auf den Gaumen #Sehen #Bilder, Erscheinungen.

Der Aspirant darf diese Dinge nicht wörtlich nehmen oder gar versuchen, blindlings zu meditieren, zum Beispiel über die Zungenspitze. Die [80] Lektion, die nach dem Gesetz der Analogie gelernt werden soll, ist die, dass die Zunge symbolisch die schöpferische Fähigkeit, den dritten Aspekt, in seiner fünffältigen Natur verkörpert. Es ist aufschlussreich, die Beziehung zu erkennen, die zwischen den fünf Sinnen (hier im Bereich des Mundes zusammengefasst) und den fünf Strahlen besteht, die als zusammengefasste Einheit von Mahachohan (dem Oberhaupt des dritten Strahles oder Intelligenz-Aspekts auf unserem Planeten) beherrscht und gelenkt werden. Es wäre für den Studierenden nützlich, die Analogie auszuarbeiten, die zwischen den fünf Strahlen und den fünf Sinnen und dem Mund als Sprachorgan besteht. Im weiteren Verlauf des Studiums wird er erkennen, dass zwei andere physische Organe, die Hypophyse und die Zirbeldrüse, den beiden übrigen Aspekten - Liebe-Weisheit und Ordnungsmacht, Wille oder Zielsetzung - entsprechen. Diese sieben Punkte im Kopf, die sich alle innerhalb eines verhältnismässig kleinen Bereichs befinden, sind in physischer Materie die Symbole der drei grossen Aspekte, die als sieben in Erscheinung treten.

In dem Mass, in dem der Aspirant sich darauf einstellt, die Sinne zu beherrschen und alle seine Sinneswahrnehmungen kritisch zu untersuchen, verstärkt sich auch allmählich seine gedankliche Konzentration; der fortgeschrittene Yogi kann sich in jedem Augenblick mit irgendeiner Strahlen-Energie identifizieren und dabei - nach Belieben - die anderen ausschalten.

Der Schüler darf sich jedoch nicht einbilden, dass dieser «gottselige Friede» durch eine bestimmte Meditation über einen speziellen Sinn erreicht werden kann. Wenn man die Gesetze der Schöpfung und der Töne versteht, wenn man über den Mund als Resonanzboden sowie darüber nachdenkt, wieso und wodurch das Sprechen möglich wird, kann man ein Wissen um die schöpferischen Prozesse der Welt erlangen; der Mensch kann die Gesetze verstehen [81] lernen, nach denen alle Formen ins Dasein kommen. Die Sinne aller Yogis sind aussergewöhnlich geschärft; das ist eine Tatsache, die beachtet werden sollte.

36. Durch Meditieren über Licht und Strahlung kann man ein Wissen über den Geist gewinnen und so Frieden erlangen.

Hier muss beachtet werden, dass jede der oben angeführten Methoden gewisse Zentren betrifft. Es werden sieben Methoden des Erreichens genannt, und daraus können wir schliessen, dass dabei die sieben Zentren eine Rolle spielen.

Methode I. Lehrspruch 33. Solar Plexus Zentrum.

Die Ruhe des Chitta (oder der Denksubstanz) kann durch stetes Mitgefühl, Güte, Zielstrebigkeit und dadurch erreicht werden, dass man in Freud und Leid, und gegenüber jeder Art von Gut und Böse gleichmütig-gelassen bleibt.

Methode II. Lehrspruch 34. Zentrum an der Basis der Wirbelsäule,

Die Ruhe des Chitta kann auch durch Regulierung des Prana oder Lebensodems erreicht werden.

Methode III. Lehrspruch 35. Zentrum zwischen den Augenbrauen. Beständigkeit des Denkens kann durch jene Konzentrationsarten

erreicht werden, die mit den Sinneswahrnehmungen zu tun haben.

Methode IV. Lehrspruch 36. Kopfzentrum.

Durch Meditieren über Licht und Strahlung kann man ein Wissen über den Geist gewinnen und so Frieden erlangen.

Methode V. Lehrspruch 37. Sakralzentrum.

Das Chitta [82] wird beständig und frei von Illusionen, wenn die niedere Natur geläutert und ihr nicht mehr nachgegeben wird.

Methode VI. Lehrspruch 38. Kehlzentrum.

Ruhe (Beständigkeit des Chitta) kann durch Meditation über das Wissen erreicht werden, das durch Träume vermittelt wird.

Methode VII. Lehrspruch 39. Herzzentrum.

Ruhe kann auch dadurch erlangt werden, dass man sich auf das konzentriert, was dem Herzen am teuersten ist.

Über diese Methoden sollte man gründlich nachdenken, auch wenn hier darüber keine Einzelheiten angegeben werden können. Nur das Prinzip und das damit verbundene Gesetz können vom Schüler durchdacht werden. Man muss auch beachten, dass alle diese Zentren ihre Entsprechungen in ätherischer Materie (im Bereich des Kopfes) haben, und dass also, wenn diese sieben Kopfzentren erweckt sind, auch die sieben ätherischen Zentren ohne Gefahr aktiv werden. Diese sieben Kopfzentren entsprechen im Makrokosmos den sieben Rishis (oder Weisen) des Grossen Bären, den Urbildern der sieben Himmlischen Menschen, und die oben aufgezählten Zentren stehen in Beziehung zur Energie dieser sieben Himmelsmenschen.

Es ist nicht nötig, hier mehr über diese Zentren zu sagen als folgendes:

1. Der Aspirant möge jedes Zentrum symbolisch als eine Lotosblume ansehen.

2. Diese Lotosblume entsteht aus Energie-Einheiten, die sich in einer

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.