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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 24 ff. (engl.) |
6. Schliesslich (denn [25] es ist nicht nötig, weitere komplizierte Unterteilungen anzuführen) enthält das Gedächtnis auch alle die Erfahrungen, die von der Seele im Laufe vieler Inkarnationen angesammelt wurden und die im wahren Bewusstsein der Seele aufgespeichert sind. 12. Die Kontrolle über diese Modifikationen des inneren Organs, des Denkvermögens, wird durch unermüdliches Bemühen und Nicht-Anhangen erreicht. Bei diesem Lehrspruch, der so leicht zu verstehen ist, sind nur einige kurze Erklärungen nötig; der Sinn und Zweck ist ganz klar, aber die praktische Durchführung schwer. 1. Das innere Organ ist natürlich das Denkvermögen. Denker des Westens sollten beachten, dass der Okkultist des Ostens mit den Organen nicht die physischen Organe meint. Der Grund dafür ist, dass der physische Körper in seiner dichten, greifbaren Form nicht als ein Prinzip, sondern lediglich als die sichtbare Auswirkung der wirklichen Prinzipien angesehen wird. Die Organe sind, okkult gesprochen, Aktivitätszentren wie z.B. die Denkfähigkeit, die verschiedenen permanenten Atome und die Kraftzentren in den verschiedenen Körperhüllen. Alle diese Organe haben ihre objektiven «Schatten» oder Auswirkungen; und diese Emanationsprodukte sind die äusseren physischen Organe. Das Gehirn zum Beispiel ist der «Schatten», das äussere Organ der Denkfähigkeit; und der Forscher wird herausfinden, dass der Inhalt der Gehirnkammer mit den Aspekten des menschlichen Mechanismus auf der Mentalebene [26] übereinstimmt. Dieser letzte Satz muss betont werden; er gibt jenen einen Hinweis, die fähig sind, daraus Nutzen zu ziehen. 2. Unermüdliches Bemühen bedeutet buchstäblich: durch beständige Übung, unaufhörliche Wiederholung und immer neue Anstrengung einen neuen Lebensrhythmus zu erlangen und tiefverwurzelte Denkgewohnheiten und Modifikationen durch Herbeiführung von Seeleneindrücken zu beseitigen. Der Yogi (der Meister) ist das Ergebnis geduldiger Ausdauer; seine Errungenschaft ist die Frucht beharrlicher Anstrengung, die auf intelligenter Einschätzung der zu leistenden Arbeit und des zu erreichenden Ziels, nicht auf vorübergehender Begeisterung beruht. 3. Nicht-Anhangen oder Losgelöstsein ist der Zustand, der schliesslich alle Sinneswahrnehmungen dazu bringt, die ihnen angemessenen Funktionen auszuüben. Wenn der Mensch sich nicht mehr durch Sinneswahrnehmungen fesseln lässt, wird ihre Macht über ihn immer kleiner; schliesslich kommt die Zeit, da er vollständig Herr seiner Sinne und aller Sinnenkontakte ist. Das bedeutet nicht, dass sie geschwunden oder nutzlos geworden sind, sondern es ist ein Zustand, in dem der Yogi sie nutzen kann, wann und wie er will; er macht von ihnen Gebrauch, um seine Leistungsfähigkeit im Gruppendienst und Gruppenbemühen zu steigern. 13. Unermüdliches Bemühen ist die beständige Anstrengung, die ruhelosen Gedankenimpulse im Zaume zu halten. Das ist einer der Lehrsprüche, die sehr schwer so zu übersetzen sind, dass sie die wirkliche Bedeutung wiedergeben. Er will besagen, dass [27] der geistige Mensch beharrlich bestrebt sein muss, die Modifikationen (oder Wallungen) der Gedanken zu zügeln und die niedere psychische vielseitige Natur zu beherrschen, um sein geistiges Wesen voll zum Ausdruck zu bringen. So, und nur so, kann der geistige Mensch tagtäglich das Leben der Seele auf der physischen Ebene leben. Charles Johnston versucht in seiner Übersetzung, dies durch folgende Worte auszudrücken: «Die richtige Anwendung des Willens ist das beständige Bemühen, im geistigen Sein zu leben». Der darin enthaltene Gedanke ist der, beim Denkvermögen (als dem sechsten Sinn) dieselbe Zügelung anzuwenden, die den fünf niederen Sinnen auferlegt wird: die nach aussen gerichtete Aktivität wird eingestellt, und sie werden davon abgehalten, auf den Einfluss oder die Anziehung ihres Erkenntnisbereichs zu reagieren. 14. Wenn das zu erreichende Ziel richtig gewertet und das Bemühen, es zu erreichen, beharrlich und ohne Unterlass fortgesetzt wird, dann ist die Stetigkeit der Denktätigkeit (die Zügelung der Vrittis) gesichert. Alle Schüler des Raja Yoga müssen zuerst hingebungsvolle Verehrer sein. Nur die intensive Liebe zur Seele und zu all dem, was das Wissen um die Seele mit sich bringt, wird den Strebenden mit genügender Beharrlichkeit zu seinem Ziele führen. Das angestrebte Ziel - die Vereinigung mit der Seele und infolgedessen mit der Überseele und mit allen Seelen - muss richtig eingeschätzt werden; die Gründe, weshalb man es erreichen will, müssen richtig beurteilt, und die zu erzielenden Ergebnisse ernsthaft ersehnt (geliebt) werden, ehe der Strebende die genügend starke Anstrengung macht, die ihm Macht über die Modifikationen des Denkens und daher über seine ganze niedere Natur gibt. Nur wenn [28] diese Würdigung echt genug und er fähig ist, die Unterwerfung und Beherrschung ununterbrochen voranzubringen, wird dem Schüler mit der Zeit immer mehr bewusst werden, welche Bedeutung die Zügelung der Modifikationen hat. 15. Nicht-Anhangen ist Freisein vom Verlangen nach allen Wunschobjekten, ganz gleich, ob es sich um irdische Dinge oder um ein Festhalten an Überlieferungen, ob es sich um Dinge des Diesseits oder des Jenseits handelt. Nicht-Anhangen (Losgelöstsein) kann auch als Durstlosigkeit bezeichnet werden. Das wäre wohl der richtigste okkulte Ausdruck dafür, da er die duale Grundidee von Wasser, dem Symbol der materiellen Existenz und von Verlangen, der Eigenschaft der Astralebene, umfasst, deren Symbol gleichfalls das Wasser ist. Der Gedanke, dass der Mensch «Fisch» ist, wird hier auffallend vollkommen ausgedrückt. Dieses Symbol hat, wie alle Symbole, sieben Bedeutungen; zwei davon sollen hier angeführt werden: 1. Der Fisch ist das Symbol des Vishnu-Aspekts, des Christus-Prinzips, des zweiten Aspekts der Gottnatur, des Christus in Inkarnation, sei es der kosmische Christus, (der sich durch ein Sonnensystem manifestiert) oder der individuelle Christus, der potentielle Erlöser in jedem Menschen. Das ist der «Christus in euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit» (Kolosser I, 27). Wenn der Schüler auch noch den Fisch-Avatar des Vishnu studieren will, wird er noch mehr erfahren. 2. Der Fisch, der in den Wassern der Materie schwimmt; das ist eine Ausweitung des gleichen Gedankens, der hier nur auf seinen sichtbaren zeitlichen Ausdruck, den Menschen als Persönlichkeit, übertragen ist. Wo es kein Verlangen nach einem wie immer gearteten Objekt mehr gibt [29] und wo kein Wunsch nach Wiedergeburt besteht (stets das Endergebnis sehnsüchtigen Verlangens, sich durch eine körperliche Form zum Ausdruck zu bringen), dort ist die wahre Durstlosigkeit erreicht worden; der befreite Mensch wendet sich von allen Formen in den niederen drei Welten ab und wird ein wahrer Erlöser. In der Bhagavad Gita finden wir die folgenden aufklärenden Worte: «Denn die Weisen mit geistiger Schau, die den Früchten ihrer Werke entsagen, sind befreit von den Fesseln der Wiedergeburt und weilen dort, wo es kein Leid mehr gibt». «Wenn du Seele den dichten Wald der Täuschungen durchquert hast, wirst du dich nicht mehr um das kümmern, was gelehrt wird oder gelehrt worden ist». «Wenn dein Denken frei geworden ist von überlieferten Lehren, wenn es unerschütterlich in der Seele und ihrer geistigen Schau ruht, dann wirst du die Vereinigung mit der Seele erlangen». (Gita II, 51, 52, 53) J. H. Woods erklärt dies in seiner Übersetzung des Kommentars von Veda Vyasa folgendermassen: «Leidenschaftlos ist das Bewusstsein des Menschen, der sich vom Durst nach sichtbaren oder kundgewordenen Objekten frei gemacht hat». «Wenn die Denksubstanz (Chitta) frei ist vom Verlangen nach sichtbaren Objekten, wie Frauen, Essen oder Trinken, oder vom Streben nach Macht, wenn sie frei ist vom Verlangen nach offenbarten Dingen (in den Heiligen Schriften) wie z.B. nach dem Himmel, nach einem körperlosen Zustand oder nach einem Aufgehen in der Urmaterie, dann wird sie, auch wenn sie mit diesen Dingen in Berührung steht, und der vergeistigte Mensch sich der Unzulänglichkeit der Dinge bewusst ist, das Bewusstsein haben, Meister zu sein». Das Wort «überliefert» bringt [30] die Gedanken des Lesers von dem ab, was für gewöhnlich als Objekt sinnlicher Wahrnehmung angesehen wird, und führt ihn hinein in die Welt der Gedankenformen, in jenes «Gestrüpp der Täuschungen», das durch die Vorstellungen des Menschen von Gott, Himmel und Hölle entstanden ist. Die Sublimierung all dessen und ihr höchster Ausdruck in den drei Welten ist das «Devachan», das Ziel für die meisten Menschen. Devachanisches Erleben muss jedoch schliesslich in nirvanische Erkenntnis oder Bewusstheit umgewandelt werden. Der Leser sollte indes beachten, dass der Himmel, das Objekt sehnsüchtigen Verlangens, das Ergebnis überlieferter Lehren und der Formulierungen doktrinärer Glaubensbekenntnisse, für den Okkultisten mehrere Bedeutungen hat. Des klaren Verstehens wegen sollen hier folgende angeführt werden: 1. Himmel, jener Bewusstseinszustand auf der Astralebene, der die Verwirklichung sehnsüchtigen Verlangens des Aspiranten nach Ruhe, Frieden und Glück ist. Er ist auf «Formen der Freude» begründet. Er ist ein Zustand der Sinnenfreude, und da er von jedem Einzelwesen für sich selbst errichtet wird, ist er ebenso verschiedenartig wie die Menschen, die an ihm teilhaben. Die Loslösung von diesem Himmel muss erreicht werden. Es ist erkannt worden, dass sich das niedere Selbst und der des physischen Körpers ledige Mensch vor seinem Übergang aus dem Astralkörper zur Mentalebene an diesem Himmel erfreut. 2. Devachan ist jener Bewusstseinszustand auf der Mentalebene, in den die Seele eintritt, wenn sie den Astralkörper abgelegt hat und sich im Bereich ihres Mentalkörpers betätigt. Das Devachan ist von höherer Rangordnung als der gewöhnliche Himmel, und die darin [31] erlebte Glückseligkeit ist mehr mentaler Art als das, was wir im allgemeinen darunter verstehen; sie ist aber immer noch ein Erlebnis der niederen Formenwelt und wird überschritten, wenn das Nicht-Anhangen erreicht wurde. 3. Nirvana ist der Zustand, in den der Adept eingeht, wenn ihn seine Neigungen oder sein Karma nicht mehr an die drei niederen Welten fesseln; er erlebt diesen Zustand, wenn er: a. gewisse Einweihungen erwirkt, b. sich von den drei Welten befreit und c. seinen Christus-Körper systematisch aufgebaut hat. Genau genommen sind jene Adepten, die das Nicht-Anhangen erreicht, aber das Opfer auf sich genommen haben, bei den Menschen zu bleiben, um ihnen zu dienen und zu helfen, keine Nirvanis im eigentlichen Sinn. Sie sind Herren des Mitleids, die sich verpflichtet haben, gewisse Zustände zu ertragen und sich Bedingungen zu unterwerfen, die zwar denen der Menschen, die noch an der Formwelt hängen, entsprechen, aber nicht die gleichen sind. 16. Das Erringen dieses Nicht-Anhangens führt zu einer genauen Kenntnis des geistigen Menschen, der sich von den Eigenschaften der Materie, den Gunas, freigemacht hat. Beim Durchdenken dieses Lehrspruchs müssen vom Leser gewisse Punkte beachtet werden: 1. Dass der geistige Mensch die Monade ist. 2. Dass der Höhepunkt des Entwicklungsprozesses nicht nur die Befreiung der Seele von den Begrenzungen der drei Welten mit sich bringt, sondern auch den geistigen Menschen von allen Begrenztheiten [32] freimacht, sogar von denen der Seele. Das Ziel ist Formlosigkeit, das Freisein von der objektiven und greifbaren Manifestation; und die wahre Bedeutung dessen wird dem Schüler klar, wenn er sich vor Augen hält, dass Geist und Materie in der Manifestation eins sind. Unsere sieben Ebenen sind ja die sieben Unterebenen der niedrigsten kosmischen Ebene, der physischen. Folglich wird erst «das Ende der Zeiten» und die Auflösung eines Sonnensystems die wahre Bedeutung der Formlosigkeit enthüllen. 3. Die Gunas sind die drei Eigenschaften der Materie, die drei Wirkungen, die hervorgerufen werden, wenn makrokosmische Energie, das Leben Gottes, das |
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