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Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 170 ff. (engl.)
Gute und dein persönlicher Erfolg oder dein Wohlergehen in Konflikt kommen, du dich opfern musst, und nicht den anderen Menschen». (Moderne Richtungen in Weltreligionen, engl., von A. E. Haydon, S. 106) Die Idee des Dienens steht natürlich im vollkommenen Gegensatz zu der üblichen wetteifernden Haltung zum Leben und der allgemeinen Selbstsucht, die der Durchschnittsmensch zeigt. Aber für den Menschen, der Christus zu folgen und schliesslich den Berg der Verklärung zu erklimmen sucht, führt der Dienst unvermeidlich zu vermehrter Erleuchtung, und Erleuchtung ihrerseits muss ihren Ausdruck finden in erneutem und geweihtem Dienst. So finden wir durch Dienst an unseren Mitmenschen zu dem Weg, den Christus ging. Seinen Schritten folgend, erwerben wir schliesslich die Kraft, als Erleuchtete und als Christus ähnliche Männer und Frauen in unserer normalen täglichen Umgebung zu leben.

Was ist also das Geschenk, das jeder von uns der Welt machen kann, wenn wir das Leben Christi studieren und in Gedanken mit ihm von einer Einweihung zur anderen schreiten? Wir können nach dieser Grösse im Handeln streben, die unsere natürliche Mittelmässigkeit ablösen und das Göttliche in jedem von uns allmählich enthüllen wird. Jeder kann dastehen wie ein Leuchtfeuer und den Weg zu dem Zentrum zeigen, von dem das WORT ausgeht, und jeder kann beginnen, in seinem täglichen Leben etwas von der Eigenschaft Gottes darzustellen, die Christus so vollkommen zeigte und die ihn im Triumph vom Berg der Verklärung hinabtrug in das Tal der Pflicht und des Dienstes und ihn befähigte, mit fester Entschlossenheit vorwärts zu schreiten zu der Kreuz-Erfahrung, durch den triumphalen Weg jauchzenden Beifalls und die schweren Wege von Verlassenheit und Einsamkeit.

Es drängt mich sehr, zu schliessen mit einigen Worten Arjunas, die er lange vor der christlichen Ära zu Krishna sagte, nach der Offenbarung der unverhüllten Schönheit, zu der er zugelassen worden war. Ihre Bedeutung steht ausser Frage. Man kann sich beinahe vorstellen, dass Petrus oder Johannes sie zu Christus sagten, als sie ihre Augen öffneten und «Jesus allein sahen». Sie lassen sich vielleicht auch auf uns anwenden, wenn wir Christus und unsere Beziehung zu ihm betrachten. «Wenn ich überlege, wie ich dich so brüsk als Kameraden angeredet habe ... ohne deine Grösse zu kennen, oder wie ich nachlässig war oder durch eine Stimmung oder was immer ich getan habe, um einen unziemlichen Scherz mit dir zu machen, beim Reisen, Ruhen oder beim Sitzen, beim gemeinsamen Essen, ob allein, o, ungefallener Einer! oder in Gegenwart von anderen für all dieses bitte ich dich um Vergebung, unermesslicher Einer! Du bist der Vater der Welt, der Schöpfer aller Dinge! Du bist wert aller Ehre bist der verehrungswürdige Lehrer der Welt. Niemand ist, der dir gleicht; wie könnte etwas grösser sein? Sogar in den drei Welten ist nichts, was dir gleicht an Macht.

Indem ich niederfalle und mich vor dir neige, suche ich deine Gnade, o würdigster Herr! Wie der Vater dem Sohn, der Freund dem Freund, der Liebende dem Geliebten, so gewähre du, o Herr, mir Vergebung! Ich frohlocke, weil ich erblickt habe, was niemals zuvor gesehen wurde, und mein Herz zittert in Furcht. Zeige mir, o Herr, deine frühere Gestalt, Herr der Götter! Sei gnädig, Erhalter der Welten!» (Bhagavad Gita, XI/4145)

V. Kapitel

Die vierte Einweihung. ... Die Kreuzigung

Leitgedanke:

«Ein Feuernebel und ein Planet,

Ein Kristall und eine Zelle,

Eine Qualle und ein Saurier,

Und Höhlen, wo die Höhlenmenschen wohnen;

Dann ein Sinn für Gesetz und Schönheit,

Dann ein Antlitz, das sich abwendet von dem Erdboden

Einige nennen es Evolution,

Andere nennen es Gott.

Gleich den Gezeiten in einer Meeresbucht,

Wenn der Mond neu und schmal ist,

Wallt und wogt herein

In unsere Herzen hohes Verlangen.

Es kommt von dem mystischen Ozean,

Dessen Ufer noch kein Fuss betrat

Andere nennen es Gott.

Ein Soldat, erfroren auf Wache,

Eine Mutter, verhungert für ihre Kinder,

Sokrates, den Schierling trinkend,

Und Jesus an dem Kreuzespfahl

Und Millionen, die sich erbärmlich und namenlos

auf dem geraden, schweren Lebenspfad mühen

Einige nennen es Opferung,

Andere nennen es Gott.

William Herbert Carruth

Fünftes Kapitel

Die vierte Einweihung. ... Die Kreuzigung

Wir kommen nun [175] zu dem Mysterium, das den Mittelpunkt des Christentums bildet, und zu der höchsten Einweihung, nach welcher der Mensch streben kann. Von der nächsten Einweihung, der Auferstehung und der damit verbundenen Himmelfahrt, wissen wir praktisch nichts, ausser der Tatsache, dass Christus von den Toten auferstanden ist. Die Auferstehungs-Einweihung ist in Schweigen gehüllt. Alles, was davon aufgezeichnet wurde, ist die Reaktion jener, die den Herrn kannten und liebten, und die Auswirkung auf die Geschichte der christlichen Kirche. Aber die Kreuzigung ist immer die hervorragende dramatische Episode gewesen, auf der das ganze Gebäude der christlichen Theologie errichtet worden ist. Auf sie ist der Nachdruck gelegt worden. Millionen Worte sind darüber geschrieben worden, und Tausende von Büchern und Kommentaren haben ihren Sinn zu erhellen und die Bedeutung ihres Geheimnisses zu erklären versucht. Durch die Jahrhunderte hindurch sind unzählige Gesichtspunkte dem Menschen zur Betrachtung unterbreitet worden. Darunter waren viele falsche Auslegungen, aber auch vieles, was das Göttliche wirklich zum Ausdruck brachte. Gott ist viele Male falsch dargestellt worden, und die Auslegung dessen, was Christus tat, wurde verzerrt durch eine Ausdrucksweise, die dem begrenzten Horizont der Menschen entsprach. Das Wunder der Ereignisse auf Golgatha wurde durch die erleuchteten Erfahrungen Gläubiger und Wissender enthüllt.

Eine neue Weltordnung trat ins Dasein, als Christus zur Erde kam, und von dieser Zeit an haben wir uns ständig vorwärts bewegt, auf ein neues Zeitalter zu, in dem die Menschen als Brüder leben werden, weil Christus starb, und die wahre Natur des Reichs Gottes auf Erden Ausdruck finden wird. Dafür garantiert der [176] Fortschritt in der Vergangenheit. Das Unmittelbare dieses Ereignisses ist bereits schon schwach verstanden worden von jenen, die, wie Christus gesagt hat, Augen haben zu sehen und Ohren zu hören. Unvermeidlich bewegen wir uns vorwärts zur Grösse, und Christus betonte dies in seinem Leben und Wirken. Wir haben bis jetzt diese Grösse nicht erreicht, aber Vorzeichen davon sind zu sehen. Es gibt bereits Anzeichen für das Heraufkommen dieser neuen Zeit, und die matten Umrisse einer neuen, dem Ideal näherkommenden Sozialstruktur, gegründet auf vollendete Menschlichkeit, sind erkennbar. Diese Vollendung ist von Wichtigkeit.

Eines der ersten Dinge, das zu erkennen wesentlich scheint, ist die klare Tatsache, dass die Kreuzigung Christi aus dem Bereich rein individueller Anwendung herausgehoben werden muss in das Reich der Allgemeingültigkeit und des Ganzen. Es mag vielleicht einige Bestürzung verursachen, wenn wir die Notwendigkeit betonen, uns darüber klar zu sein, dass der Tod des historischen Christus am Kreuze nicht in erster Linie jeden einzelnen Menschen betraf, der Anspruch auf einen Vorteil dadurch erhebt. Es war ein grosses kosmisches Ereignis. Seine Folgerungen und Ergebnisse beziehen sich auf die Massen der Menschheit und nicht auf das Einzelwesen im besonderen. Wir sind so geneigt, die vielen Folgerungen aus dem Opfer Christi für uns selbst, als eine persönliche Angelegenheit, anzusehen. Die Selbstsucht des geistigen Aspiranten ist oft sehr gross.

Wenn wir uns in intelligenter Weise dem Thema nähern, ist offensichtlich, dass Christus nicht gestorben ist, damit du und ich in den Himmel kommen. Er starb als das Ergebnis der wahren Natur des Dienstes, den er leistete, der Note, die er anschlug, und weil er ein neues Zeitalter einführte und den Menschen sagte, wie sie als Söhne Gottes leben müssten.

Wenn wir die Geschichte von Jesus am Kreuze betrachten, ist es deshalb wesentlich, sie in erweiterter und allgemeinerer Auffassung zu sehen, als dies gewöhnlich der Fall ist. Die meisten Abhandlungen und Schriften über dieses Thema sind polemisch und streitsüchtig, indem sie gewöhnlich das Zeugnis oder die mit dem Thema verbundene Theologie verteidigen oder angreifen. Oder sie mögen rein mystischer oder sentimentaler Natur in Ton und Gegenstand sein, indem sie sich mit der Beziehung des Einzelnen zur Wahrheit oder seiner persönlichen Errettung durch Christus [177] befassen. Doch auf diese Weise ist es möglich, dass die wirklichen Grundzüge der Erzählung und deren höchste Bedeutung verlorengegangen sind. Zwei Dinge jedoch ergeben sich aus dem Nachforschen und Fragen des vergangenen Jahrhunderts. Erstens, dass die Evangelien-Erzählung nicht einzigartig ist, sondern ihre Parallele in dem Leben anderer Gottessöhne findet; zweitens, dass Christus in seiner besonderen Person und Mission einzigartig war und aus einem spezifischen Winkel gesehen seine Erscheinung keinen Vorgänger hatte. Kein Student der vergleichenden Religionswissenschaften wird die christliche Parallele zu früheren Ereignissen in Frage stellen. Kein Mensch, der wahrhaft mit einem offenen Geist nachgeforscht hat, wird verneinen, dass Christus ein wesentlicher Teil in einer grossen Folge von Offenbarungen war. Gott hat niemals «sich ohne Zeugen gelassen» (Apostelgeschichte XIV/17). Die Erlösung der Menschheit ist dem Herzen des Vaters immer nahe gewesen. Hier sei ein Schriftsteller angeführt, der diese Kontinuität zu beweisen sucht.

«Zur Zeit seines Lebens oder, als über die Erscheinung des Jesus von Nazareth berichtet wurde, und einige Jahrhunderte vorher, war das Mittelmeer und die benachbarte Welt der Schauplatz einer grossen Anzahl von heidnischen Glaubensbekenntnissen und Ritualen gewesen. Da waren Tempel ohne Ende, geweiht den Göttern wie Apollo oder Dionysos bei den Griechen, Herkules bei den Römern, Mithra bei den Persern, Adonis und Arris in Syrien und Phrygien, Osiris, Isis und Horus in Ägypten, Baal und Astarte bei den Babyloniern und Karthagern usw. Grosse oder kleine Gesellschaften vereinigten Gläubige und Fromme in dem Dienst oder der Zeremonie und dem Glaubensbekenntnis für ihre Gottheiten. Eine aussergewöhnlich interessante Tatsache für uns ist, dass, trotz grosser geographischer Entfernungen und rassischer Unterschiede in den Details ihres Dienstes, die allgemeinen Umrisse ihrer Glaubensbekenntnisse und Zeremonien wenn nicht identisch einander auffallend ähnlich waren.

Ich kann natürlich nicht ausführlich auf diese verschiedenen Kulte eingehen, möchte aber ganz allgemein sagen, dass von allen oder fast allen oben erwähnten Gottheiten folgendes gesagt und geglaubt wurde:

1. Sie wurden an oder sehr nahe unserem Weihnachtstag geboren.

2. Sie wurden von einer jungfräulichen Mutter geboren. [178]

3. In einer Höhle oder einem unterirdischen Raume.

4. Sie führten ein anstrengendes Leben für die Menschheit.

5. Sie wurden Lichtbringer, Heiler, Vermittler, Retter, Befreier genannt.

6. Sie wurden jedoch von den Mächten der Dunkelheit bezwungen.

7. Und stiegen hinab in die Hölle oder Unterwelt.

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.