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Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 144 ff. (engl.)

Elias, dessen Name «Kraft des Herrn» bedeutet, stand neben Christus als der Vertreter aller Prophetenschulen, die seit Jahrhunderten [145] das Kommen des Einen vorausgesagt hatten, der für vollkommene Gerechtigkeit einstehen und in seiner Person wie er es heute tut das künftige Erreichen und das Ziel der Menschheit verkörpern würde. Es ist durchaus möglich, dass die Zukunft Bereiche des Bewusstseins und ein Mass von Leistung bereithält, die jene von Christus um soviel übersteigen, wie sein Ausdruck den unsrigen. Die Natur des Vaters bleibt noch unbekannt, einige ihrer Aspekte, so Liebe und Weisheit, sind uns durch Christus offenbart worden. Für uns heute und für unser unmittelbares Ziel gilt Christus als der Ewige Prophet, von dem Elias und alle Propheten Zeugnis geben. Deshalb begegneten sich in ihm, als er auf dem Berggipfel stand, die Vergangenheit und die Zukunft der Menschheit.

So ist offenbar, dass er in sich gewisse grundlegende menschliche Spaltungen vereinigte. Zu den oben genannten können wir eine schon betrachtete hinzufügen: die Verbindung von zwei grossen Naturreichen in sich, dem menschlichen und dem göttlichen, wodurch das Erstehen eines neuen Reichs auf Erden möglich wurde, des Reichs Gottes, des fünften Naturreichs.

Beim Betrachten der Verklärung ist es notwendig, sich zu vergegenwärtigen, dass sie nicht einfach eine grosse Einweihung war, bei der Gott selbst in seinem Strahlen und seiner Herrlichkeit sich dem Menschen zeigte, sondern dass sie eine bestimmte Beziehung zu dem Mittel der Offenbarung hatte, der materiellen physischen Natur, die wir den «Mutter-Aspekt» nennen. Wir sahen, als wir die Geburts-Einweihung erforschten, dass die Jungfrau Maria (auch dann, wenn wir die historische Tatsache von Christi Existenz anerkennen) das Symbol der Formnatur ist, der materiellen Natur Gottes. Sie stellt in sich das dar, was das göttliche Leben hütet, verborgen, jedoch mit unendlichen Möglichkeiten. Christus offenbarte die Liebe-Natur des Vaters; durch seine Person offenbarte er Zweck und Ziel des Formlebens des Menschen.

In dieser Bergerfahrung [146] sehen wir die Verherrlichung der Materie, wie sie der göttliche, innewohnende Christus offenbart und zum Ausdruck bringt. Die Materie, die Jungfrau Maria, bringt Gott zur Offenbarung. Die Form, das Resultat aktiver materieller Vorgänge, muss das Göttliche zum Ausdruck bringen. Diese Offenbarung ist Gottes Gabe für uns in der Verklärung. Christus war «wahrer Gott vom wahren Gott», aber er war auch «Fleisch von unserem Fleisch», und im Zusammenspiel und in der Verschmelzung der beiden stand Gott unverhüllt in all seiner anziehenden und ausstrahlenden Herrlichkeit.

Wenn wir als menschliche Wesen den göttlichen Zweck verwirklichen und dazu kommen, unsere physischen Körper als das Mittel zu betrachten, durch das der göttliche, innewohnende Christus offenbart werden kann, werden wir eine neue Vorstellung vom physischen Leben und einen erneuerten Antrieb für richtige Pflege und Behandlung des physischen Körpers gewinnen. Wir sollen diese Körper, durch die wir vorübergehend wirken, als Hüter der göttlichen Offenbarung pflegen. Jeder von uns sollte sie so betrachten, wie die Jungfrau Maria ihren Körper betrachtete, als das Behältnis für den verborgenen Christus, und wir sollten dem bedeutungsvollen Tag entgegensehen, wenn wir auch auf dem Berg der Verklärung stehen werden und die Herrlichkeit des Herrn mittels unserer Körper offenbaren. Browning empfand das und gab uns den Gedanken in den folgenden Worten:

«Wahrheit ist in uns selbst;

Sie entspringt nicht äusseren Dingen,

Was immer du auch glauben magst.

In uns allen ist ein innerstes Zentrum,

Darin die Wahrheit in Fülle wohnt.

Und ringsumher hüllt grobes Fleisch sie ein.

... Und wisse,

Es besteht viel mehr die Möglichkeit

des Öffnens von einem Weg,

Auf dem der eingeschlossene Glanz entströmen kann,

Als für ein Licht, vermutet ausserhalb,

Den Zugang zu schaffen!»

(Paracelsus, von Robert Browning, engl., Oxford-Ausgabe, S. 444)

So stand Christus für die Menschheit als der Ausdruck Gottes offenbart. Es gibt kein anderes Ziel für uns. Doch wollen wir uns in Demut und Ehrfurcht an die erstaunlichen Worte erinnern, die Krishna in der Bhagavad Gita (engl., X, 40, 41, 42) spricht. Sie bleiben wahr als eine letzte Aussage über die Verklärung der ganzen [147] Welt:

«Es gibt kein Ende meiner göttlichen Form, o Vernichter deiner Feinde! Dies sage ich dir im Hinblick auf die Vielfalt meiner Formen. Was immer so prächtig, anmutig, machtvoll existiert, hat dies sollst du erkennen seinen Ursprung in einem Bruchteil meines Feuers. Aber welchen Gebrauch machst du von dieser mannigfaltigen Weisheit, o Arjuna? Mit einem Teil meines Wesens habe ich diese ganze Welt erfüllt».

Unter dem Anstoss evolutionären Drängens kommt Gott zu immer vollerer Erkenntnis. «Reinigung» ist das allgemein gebrauchte Wort für den Vorgang, in dem das Werkzeug des göttlichen Nachaussentretens für seinen Gebrauch vorbereitet wird. Die Galiläa-Erfahrung und die tägliche Anstrengung, zu leben und den Möglichkeiten menschlicher Existenz zu entsprechen (die immer stärker und erzieherischer zu werden scheinen, je mehr sich das Rad des Lebens dreht und im Drehen die Menschheit vorwärts trägt), bringt den Menschen zu dem Punkt, wo diese Reinigung nicht einfach das Ergebnis des Lebens selbst ist, sondern etwas, das deutlich vom Menschen seiner eigenen Natur auferlegt wird. Wenn dieser Vorgang selbst ins Leben gerufen ist, dann beschleunigt sich die Geschwindigkeit sehr, mit der das Werk vorangeht. Das bringt eine Umwandlung (transformation) des äusseren Menschen von grosser Bedeutung mit sich. Die Raupe wird umgeformt in den Schmetterling. Tief im Menschen liegt diese verborgene Schönheit unverwirklicht und kämpft um Befreiung.

Das Leben des innewohnenden Christus erzeugt die Umwandlung des physischen Körpers, aber noch tiefer wirkt jenes Leben auf die emotionelle und Gefühlsnatur, und durch den Vorgang der Transmutation verwandelt es die Wünsche und die Gefühle, die Schmerzen und die Freuden in ihre höheren Entsprechungen. Transmutation ist bezeichnet worden als «der Durchgang von einem Zustand des Seins in einen anderen durch die Vermittlung des Feuers». (Eine Abhandlung über Kosmisches Feuer, engl., von A. A. Bailey, S. 476). In diesem Zusammenhang ist es angebracht sich zu erinnern, dass der dreifache niedere Mensch, von dem hier so oft die Rede war, ein schwaches Spiegelbild der Gottheit selbst [148] ist. Der physische Körper hat Beziehung zu dem dritten Aspekt des Göttlichen, dem Heiligen-Geist-Aspekt, und diese Wahrheit wird deutlich, wenn wir die christliche Auffassung von der Überschattung der Jungfrau Maria durch den Heiligen Geist studieren. Der Heilige Geist ist jener Aspekt der Göttlichkeit, der das tätige Prinzip in der Materie bildet, davon ist der physische Körper eine Entsprechung. Die emotionelle, empfindende Natur ist eine schwache und verzerrte Spiegelung der Liebe-Natur Gottes, die der kosmische Christus, die zweite Person der Dreieinigkeit, offenbaren soll, und dieser Aspekt (umgewandelt durch die Vermittlung des Feuers, dem Willen oder Geist Gottes) erzeugt die Umformung des physischen Körpers. Das Denken seinerseits ist deshalb das Spiegelbild des höchsten Aspekts der Gottheit, dem Vater oder Geist, von dem gesagt ist: «unser Gott ist ein verzehrendes Feuer» (Deut. IV/24). Die erlösende Tätigkeit dieser Form des Geistes Gottes endlich erzeugt jene Strahlung (als ein Ergebnis der Umwandlung und Transmutation), die das kennzeichnende Merkmal für die Verklärungs-Einweihung war. «Strahlung ist Transmutation im Prozess der Vollendung», Transmutation die Befreiung des Wesenskernes, damit er sich ein neues Zentrum suchen möge. Der Vorgang könnte als «Radio-Aktivität» erkannt werden, sofern es die Menschheit betrifft». (Eine Abhandlung über Kosmisches Feuer, engl., von A. A. Bailey, S. 478)

Es waren diese Vorgänge, weitergeführt in die Formnatur, die schliesslich vor den Aposteln zur Offenbarung der wesentlichen Natur des Meisters führten, den sie liebten und dem sie folgten, und es ist dieser Aspekt des Christus, die innere strahlende Wirklichkeit, von dem die Mystiker aller Zeiten Zeugnis ablegen, nicht nur in Verbindung mit Christus, sondern in geringerem Grad in Verbindung mit jedem anderen Menschen auch. Einmal wird die Sinnenwelt überstiegen worden sein, und die höheren Entsprechungen sind wirksam geworden, indem sich die innere Welt voll Schönheit und Wahrheit offenbart. Zur Mystik wird dann eine Verwirklichung der subjektiven Welt kommen, deren Kennzeichen Licht, Strahlung, Schönheit und unbeschreibliches Wunder sind. Alle mystischen Schriften sind Versuche, diese Welt zu schildern, zu der die Mystiker Zutritt zu haben scheinen, diese Welt mit [149] ihren Formen, die unterschiedlich sind je nach Zeit, Rasse und Entwicklungsgrad des Sehers. Wir wissen nur, dass das Göttliche offenbart ist, während die äussere Form, die es verhüllt und verborgen hat, vergeht oder so verwandelt wird, dass nur die innere Wirklichkeit sich einprägt. Das Temperament und die Neigungen des Mystikers, seine eigene angeborene Fähigkeit, beeinflussen die Beschreibung dessen, was er sieht, auch sehr, jedoch stimmen alle überein in der wesentlich transzendentalen Natur der Erfahrung und sind von der göttlichen Natur der betreffenden Person überzeugt.

Gross war in der Tat die Macht und das Geheimnis der Göttlichkeit, die Christus vor den erstaunten und starren Blicken seiner drei Freunde auf dem Berg der Verklärung offenbarte. In einer der alten Schriften Indiens, die Dr. Otto zitiert, wird der Versuch gemacht, diesen göttlichen wesentlichen Geist, der sich in der Verklärung offenbart, auszudrücken oder zu enthüllen.

«Feiner als das Feine bin ich, und dennoch der Grösste.

Ich bin das All in seiner vollendeten Fülle,

der Älteste, der Geist, der Herr Gott.

Der Goldenschimmernde bin ich, göttlich in der Form,

Ohne Hand und Fuss, reich an unausdenkbarer Macht;

Sehend ohne Augen, hörend ohne Ohren, frei von allen Formen.

Ich kenne alles, aber mich kennt niemand;

Denn ich bin Geist, bin Sein».

(Kaivalya, II, 9, zitiert in: Mystik in Ost und West, engl., von R. Otto, S. 98, 99)

Die Masse von Literatur, die in dem Versuch geschrieben worden ist, das Wunder der Verklärung und die Vision Gottes zu schildern, ist eine besondere Erscheinung des religiösen Lebens und eines der stärksten Zeugnisse für die Tatsache der Offenbarungen.

Die grosse Einfachheit der Geschichte, wie sie im Evangelium berichtet wird, besitzt Erhabenheit und überzeugende Kraft. Die Apostel sahen eine Vision, sie nahmen teil an einer Erfahrung, in der Jesus Christus als vollkommener Mensch vor ihnen stand, weil er völlig göttlich war. Sie hatten mit ihm an seinem Dienst teilgenommen; sie hatten ihre verschiedenen Berufe verlassen, um bei ihm zu sein, sie waren mit ihm von Ort zu Ort gezogen und hatten ihm bei seinem Wirken geholfen, und nun, als Belohnung für [150] ihre Treue und als Anerkennung, wurde ihnen erlaubt, die Verklärung zu sehen. «Wenn der Geist», sagt Augustinus, «mit dem Beginn des Glaubens, der durch Liebe wirkt, erfüllt worden ist, fährt er fort, so zu leben, um von Angesicht zu Angesicht die unaussprechliche Schönheit zu schauen, die den hohen und heiligen Herzen bekannt ist, deren volle Vision ist das höchste Glück». (Psychologie und Gott, engl., von L. W. Grensted, S. 75)

2.

«Nach sechs Tagen nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes, seinen Bruder, und führte sie hinauf auf einen hohen Berg, und er ward verklärt vor ihnen. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und sein Gewand war weiss wie das Licht.

Und siehe, da erschienen ihnen Moses und Elias und sprachen mit ihm. Petrus aber sprach: Herr, hier ist gut sein. Wenn du willst, so wollen wir drei Hütten bauen: dir eine, dem Moses eine und dem Elias eine.

Da er noch also redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke, und eine Stimme aus der Wolke sprach: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; diesen sollt ihr hören!» Da dies die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sagte: Stehet auf und fürchtet euch nicht! Da sie aber die Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein». (Matth. XVII/18)

Eine Betrachtung der verschiedenen Vereinigungen, die Christus in sich vollzog, wird uns für das erstaunliche Ereignis der Offenbarung vorbereitet haben, welches die drei Jünger auf ihr Angesicht zwang. Drei kniende Könige oder Magier waren zugegen bei der Geburts-Einweihung. Bei diesem Wendepunkt waren drei

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.