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Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 118 ff. (engl.)
Aggregat von Energie-Einheiten in beständiger, unaufhörlicher Bewegung ist, denen wir uns anpassen müssen und in denen wir «leben, uns bewegen und unser Dasein haben» (Apostelgeschichte XVII/28). Das ist die äussere Form der Gottheit, und wir sind ein Teil davon. Maya ist in ihrer Art vital, wir wissen wenig von ihrer Wirkung auf die physische Ebene (mit all dem, was dieser Begriff umfasst) und auf das menschliche Wesen.

«Verblendung» bezieht sich auf die Welt des emotionellen Daseins und der Wünsche, in der alle Formen verweilen. Es ist diese Verblendung, die alle unsere Leben beeinflusst und falsche Werte, verkehrte Wünsche, unnötige sogenannte Notwendigkeiten, unsere Aufregungen, Ängste und Sorgen hervorbringt. Doch Verblendung ist uralt, und sie hat uns in solch engem Griff, dass es scheint, als könnten wir wenig dagegen tun. Die Wünsche der Menschen haben durch die Jahrhunderte eine Situation geschaffen, von der wir uns erschreckt wegwenden. Zügelloses Verlangen und Wünschen mit ihrer verblendenden Wirkung auf den Einzelmenschen versorgen die Nervenkliniken mit Material. Das Wunschleben der [119] Menschheit ist falsch orientiert und das menschliche Wünschen nach aussen, auf die materielle Ebene gerichtet gewesen und hat so die Welt der Verblendung hervorgebracht, in der wir alle uns gewohnheitsmässig abmühen. Es ist bei weitem der mächtigste unserer Irrtümer und falschen Orientierungen. Aber wenn einmal das klare Licht der Seele hineingeworfen wird, dann wird dieser Krankheitsstoff von Kräften allmählich verschwinden. Daran mitzuarbeiten ist die Hauptaufgabe aller Aspiranten für die Mysterien.

«Illusion» ist mehr mental in ihren Einflüssen. Sie betrifft die Ideen, nach denen wir leben, und das Gedankenleben, das mehr oder weniger (obwohl meist weniger) unsere täglichen Unternehmungen beherrscht. Wenn wir die Betrachtung dieser drei Versuchungen aufnehmen, so werden wir sehen, wie in der ersten Christus der Maya gegenübergestellt war, mit physischen Kräften von solcher Stärke, dass der Teufel sie sich zunutzemachen konnte in dem Bemühen, ihn zu verwirren. Wir werden sehen, wie Christus in der zweiten durch Verblendung versucht wurde - sein vitales geistiges Leben sollte zu einer falschen Auffassung und zu einem emotionellen Gebrauch seiner göttlichen Kräfte herabgezogen werden. Die Sünde des Denkens, der Stolz, wurde vom Teufel in der dritten Versuchung zur Tätigkeit aufgerufen sowie die Illusion zeitlicher Macht, um zu rechten Zwecken benutzt zu werden wie wir sicher sein können , vor ihm hingestellt. Damit wurde die mögliche innere Schwäche in den drei Aspekten von Christi Natur erprobt, und durch sie wurde die ungeheuere Summe von Welt-Maya, Weltverblendung und Illusion über ihn ausgegossen. So wurde er dem Hüter der Schwelle gegenübergestellt, was nur ein anderer Name ist für das persönliche niedere Selbst, wenn es als ein einheitliches Ganzes betrachtet wird, wie es nur bei fortgeschrittenen Menschen, Jüngern und Initiaten der Fall ist. In diesen drei Worten: Maya, Verblendung, Illusion haben wir Synonyme für das Fleisch, die Welt und den Teufel, welche die dreifache Prüfung bilden, der jeder Sohn Gottes an der Grenze der Befreiung gegenübersteht.

«Wenn du der Sohn Gottes bist, so befiehl, dass diese Steine Brot werden!» Lasst uns unsere göttlichen Kräfte für persönliche, physische Zwecke gebrauchen! Lasst uns die materielle, physische Natur an die erste Stelle setzen! Lasst uns unseren Hunger oder was immer stillen und das tun, weil wir göttlich sind! Lasst uns unsere göttlichen [120] Kräfte gebrauchen, um für uns vollkommene Gesundheit zu erlangen, lang gewünschten finanziellen Wohlstand, Beliebtheit für unsere Persönlichkeit, nach der wir uns sehnen, und diejenige physische Umgebung und jene Bedingungen, die wir uns wünschen! Wir sind Söhne Gottes, und alle diese Dinge stehen uns zu. Befiehl, dass diese Steine Brot werden zur Befriedigung unserer vermeintlichen Bedürfnisse! Solcher Art wären die dann verwendeten, scheinbar einleuchtenden Argumente, die heute von vielen Lehrern und Schulen des Denkens angewendet werden. Es sind besonders die Versuchungen der Aspiranten in der heutigen Welt. Auf dieser Theorie gedeihen viele Lehrer und Gruppen und, merkwürdig genug, sie tun es ganz aufrichtig und völlig überzeugt von der Richtigkeit ihrer Einstellung. Die Versuchungen, die zu den fortgeschrittenen Seelen kommen, sind am subtilsten. Der Gebrauch der göttlichen Kräfte zur Erfüllung und Befriedigung rein persönlicher, physischer Bedürfnisse kann in einer solchen Art dargestellt werden, dass es gänzlich richtig erscheinen mag. Jedoch wir leben nicht vom Brot allein, sondern vermittels des geistigen Lebens, das (von Gott kommend) sich in den niederen Menschen ergiesst und sein Leben ist. Dies ist für das Verstehen zuerst wesentlich. Auf jenes Leben der Seele und auf jenen inneren Kontakt sollte der Nachdruck gelegt werden. Die Heilung des physischen Körpers, wenn er erkrankt ist, wäre für den Menschen erfreulich, aber als Seele zu leben ist von grösserer Wichtigkeit. Die Betonung einer Göttlichkeit, die sich gänzlich durch die Deckung eines physischen Bedürfnisses ausdrücken muss, in geldlicher Weise, beschränkt ganz gewiss die Göttlichkeit auf eines ihrer Attribute. Wenn wir als Seelen leben, wenn unser inneres Leben auf Gott hin orientiert ist, nicht deswegen, was wir erhalten können, sondern, weil wir den entfalteten Sinn für Göttliches haben, dann werden sich die Kräfte göttlichen Lebens durch uns ergiessen und das hervorbringen, was nötig ist. Dies wird nicht notwendigerweise völliges Freisein von Krankheit mit sich bringen oder geldlichen Überfluss erzeugen, doch es wird eine Milderung der niederen Natur bedeuten, eine Neigung zu Selbstvergessenheit und Selbstlosigkeit, die andere an die erste Stelle setzt, eine Weisheit, die besorgt ist, andere zu belehren und ihnen zu helfen, ein Freisein von Hass und Argwohn, was das Leben heiterer macht für jene, mit denen wir verbunden sind, und eine Freundlichkeit und ein Einbeziehen, das keine Zeit lässt für das abgesonderte Selbst. Dass diese Art innerer Beschaffenheit einen gesunden Körper und das [121] Freisein von physischen Krankheiten zur Folge haben kann, ist durchaus möglich, doch muss es nicht so sein. In einem besonderen Leben und zu besonderer Zeit hat Krankheit ihren Nutzen und kann ein zutiefst wünschenswerter Segen sein. Armut und geldliche Knappheit können einen verlorenen Sinn für Werte wiederherstellen und das Herz mit Mitleid bereichern. Geld und vollkommene Gesundheit können für viele ein Unglück bedeuten. Aber der Gebrauch göttlicher Kräfte für selbstsüchtige Zwecke und die Bezeugung der göttlichen Natur für eine individuelle Heilung scheinen ein Herabwürdigen der Wirklichkeit zu sein und bilden die Versuchung, der Christus so triumphierend begegnete. Wir leben durch das Leben Gottes. Lasst dieses Leben «immer reichlicher» in uns einströmen, und wir werden, wie Christus, zu lebendigen Zentren ausstrahlender Energie für den Weltdienst. Wahrscheinlich wird bessere physische Gesundheit die Folge sein, weil wir dann nicht so vorwiegend mit uns selbst beschäftigt sein werden. Das Freisein von Selbst-Zentriertheit ist eines der ersten Gesetze für gute Gesundheit.

Die Frage des Heilens, die zur Zeit die Aufmerksamkeit vieler Tausender auf sich lenkt, ist zu umfassend, um hier betrachtet zu werden, und weit komplizierter, als die durchschnittlichen Heiler oder heilenden Gruppen sich vorstellen. Zwei Dinge nur möchte ich klarmachen.

Eines ist, dass die Behauptung, jede Krankheit sei das Ergebnis falschen Denkens, keine zu voreilige Annahme rechtfertigt. Es gibt viel Krankheit in den anderen Naturreichen. Tiere, Pflanzen, Mineralien leiden an Krankheit wie die menschlichen Wesen, und diese Reiche gehen dem Erscheinen des Menschengeschlechts auf Erden voraus. Zweitens die Behauptung, dass man göttlich und deshalb zu guter Gesundheit berechtigt sei, mag letzten Endes wahr sein, wenn das Göttliche wirklich zum Ausdruck gebracht ist, aber es wird nicht durch die Behauptung ausgedrückt, sondern durch bewussten, intelligenten, organisierten Seelenkontakt. Dies ergibt ein Leben, wie Christus es lebte, mit keinem Gedanken an sich selbst, sondern nur besorgt und interessiert für andere.

Christus begegnete der Versuchung, seine göttlichen Kräfte für selbstsüchtige Zwecke anzuwenden, durch die ruhige, ständige Wiederholung seiner Göttlichkeit, einer Göttlichkeit, die auf der Universalität des WORTES gegründet war. Es ist vielleicht angezeigt, uns hier daran zu erinnern, dass er am Kreuz durch die Worte verhöhnt wurde: «Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen!» (Matth. XXVII/42). Maya oder die Verblendung [122] der physischen Natur konnte ihn nicht halten, davon war er frei.

Heute steht der Welt-Aspirant, die Menschheit, vor dieser Versuchung. Ihr Problem ist wirtschaftlich. Es befasst sich grundsätzlich und deutlich mit Brot, gerade wie, symbolisch gesprochen, Christi Problem das der Nahrung war. Die Welt steht vor einer materiellen Meinungsverschiedenheit. Dass es hierbei kein Ausweichen gibt, ist wahr, und dass die Menschen ernährt werden müssen, ist ebenfalls wahr. Auf welcher Grundlage soll dieses Problem gelöst werden? Kann jemand als zu idealistisch, als ein unpraktischer Mystiker und Visionär angesehen werden, wenn er, wie Christus es tat, auf die Grundlagen des Lebens zurückgreift und die Haltung einnimmt, dass, wenn der Mensch als geistiges Wesen wiederausgerichtet und neu-orientiert ist, sich sein Problem automatisch von selbst regeln wird? Sicher wird man ihn so ansehen. Wenn jemand, wie viele heutzutage, fühlt, dass die Lösung des Problems in einer Umwertung des Lebens, in einer Umerziehung zu den zugrundeliegenden Prinzipien des Lebens besteht, ist er dann völlig irrig und als ein Narr zu betrachten? Viele werden einen so ansehen. Aber die Lösung der Probleme des Menschen allein in Begriffen seiner physischen Bedürfnisse wird nur dazu führen, ihn noch tiefer in einen materiellen Sumpf zu tauchen. Dass man seinem Begehren gänzlich vom Gesichtspunkt von Brot und Butter begegnet, mag sehr notwendig sein. Es ist es auch. Aber es sollte von etwas begleitet werden, was dem Bedürfnis des ganzen Menschen entgegenkommt, nicht einfach dem seines Körpers und seiner Wünsche. Es gibt Dinge, die für den Menschen wesentlich, von höherer Bedeutung und grösserem Wert sind als jene, welche die Form betreffen, selbst wenn er sich das nicht vorstellen kann. Christus verwendete wenig Zeit, um die Zehntausend zu speisen. Er verwendete mehr Zeit, sie die Gesetze des Reiches Gottes zu lehren. Den Menschen kann zugetraut werden, dass sie ergreifen, was sie brauchen. Sie tun das jetzt in jeder Weise. Aber die Dinge, auf die es wahrhaft ankommt, müssen gleichzeitig betont und gelehrt werden, oder das Ende wird unheilvoll sein. Wenn wir das menschliche Haus von Missbrauch gereinigt haben, wie die Revolutionen in jedem Land den Anspruch erheben zu tun, wenn aber jenes Haus [123] im Ergebnis nicht schön ist und wenn seine Bewohner keine Gedanken haben, die auf dem wesentlichen Göttlichsein beruhen, so wird der letzte Zustand schlimmer sein als der erste. Sieben Teufel mögen eintreten in das Haus, wie es im Gleichnis Christi heisst (Matth. XII/45). Wenn nicht Gott das Haus bewohnt, nachdem es gereinigt wurde, und wenn unsere Umwertungen und nationalen Ausrichtungen nicht zu jener Ruhe und jenem Frieden des Denkens führen, worin die Seele des Menschen zur Blüte kommen kann, dann gehen wir noch grösserem Unheil entgegen. «Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt».

«Dann nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, setzte ihn auf die Zinne des Tempels und sagte: Bist du Gottes Sohn, so stürze dich herab; denn es steht geschrieben, er wird seinen Engeln befehlen und sie werden dich auf den Händen tragen, auf dass du deinen Fuss nicht an einen Stein stossest. Da sprach Jesus zu ihm: Es steht auch geschrieben, du sollst Gott deinen Herrn nicht versuchen». (Matth. IV/5, 6, 7)

Es ist wesentlich für das rechte Verständnis dieser Versuchung, uns unserer früheren Unterscheidung zu erinnern, dass solche Stellen in der Bibel vom Blickwinkel der innewohnenden Seele wiedergegeben sind. Christus begegnet dem Teufel auf dem Grund seiner göttlichen Natur. Wenn du Gottes Sohn bist, so ziehe Vorteil aus der Vaterschaft Gottes und stürze dich hinab. Diese Versuchung ist verschieden von der ersten, obwohl sie dieselbe Art von Erprobung darzustellen scheint. Der Schlüssel hierzu ist in der Antwort Christi zu finden, wo er auf seiner Göttlichkeit besteht. Dies tat er in der vorherigen Versuchung nicht. Der Teufel führt in dieser Versuchung zu seinem Zweck die Bibel an. Er bringt Christus auch an den Heiligen Ort, den Kampfplatz, und dort äussert er Zweifel. Die Verblendung des Zweifels senkt sich auf Christus herab. Hungrig, einsam und müde des Konfliktes, wird er versucht, die eigentlichen Wurzeln seines Wesens in Frage zu stellen. Ich zweifle nicht an der Tatsache, dass Christus von Zweifel befallen wurde. Die ersten Spuren jener Verblendung, die am Kreuz wie eine grosse Dunkelheit auf ihn herabsank, befielen ihn nun. War er der Sohn Gottes? Hatte er doch eine Mission? War [124] seine Haltung Selbsttäuschung? War das alles der Mühe wert? Er wurde dort angegriffen, wo er am stärksten war, und darin liegt die Macht dieser Versuchung.

In der alten Schrift Indiens, der Bhagavad Gita, steht der Jünger Arjuna demselben Problem gegenüber. Er ist in eine grosse Schlacht zwischen zwei Stämmen derselben Familie verwickelt in Wirklichkeit zwischen dem höheren und dem niederen Selbst , und er fragt auch, was er tun soll. Soll er vorwärtsgehen in die Schlacht und in die Prüfung und so als Seele triumphieren? Soll er seine Göttlichkeit behaupten und das Niedere, Ungöttliche besiegen? In einem Kommentar zu Bhagavad Gita heisst es:

«Dies alles hat eine geistige Bedeutung, und die Situation Arjunas ist gut gewählt, um grosse geistige Wahrheiten darzustellen. Er versinnbildlicht das persönliche Selbst, das beginnt, bewusst in das Höhere Selbst hineinzuwachsen, berührt und entflammt von dem geistigen Licht jenes Höheren Selbstes, jedoch voll Bestürzung und Schrecken vor der Verwirklichung dessen, was Gehorsam dem Höheren Selbst gegenüber bedeuten muss. Der Streit der Brüder ist nun innerhalb einer einzigen Natur, des Lebens eines einzigen Menschen zusammengezogen. Ein Krieg muss innerhalb seiner selbst geführt werden, ein Krieg, so lang und

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.