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Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 112 ff. (engl.)
auf das Gute oder das Böse eingeht. Der Teufel ist das Symbol dessen, was nicht menschlich göttlich ist, denn es wird Böses vom Menschen getan, das, wenn es ein Tier tut, nicht so angesehen wird. Ein Mensch oder ein Fuchs mögen z.B. einen Hühnerstall überfallen. In dem einen Fall ist ein moralisches Gesetz übertreten worden, im anderen wurde einem natürlichen Instinkt gefolgt. Ein Tier mag in Wut oder in der Verteidigung seines Weibchens ein anderes Tier töten, aber wenn ein Mensch das Gleiche tut, wird er ein Mörder genannt und entsprechend bestraft.

Der Weihnachtsmann ist die Verkörperung dessen, was selbstlos ist. Er ist das Symbol des Gebens und des Christusgeistes; er ist deshalb für den Menschen wie eine Erinnerung an Gott. Der Teufel mit Hörnern und Schwanz aber, diese andere Erdichtung der Einbildung, ist eine Erinnerung an alles, was nicht Gott und nicht göttlich ist.

«Die Mythen der Völker geben dazu den Schlüssel. Man muss ihnen eine dem Wirklichen entsprechende, ernsthafte, aber nicht poetisch gegenstandslose, also spielerische Deutung geben. Mag das Gewand, von dem der Kern umhüllt ist, auch noch so märchenhaft, phantastisch, widerspruchsvoll und zusammengeflickt sein: die Mythen der Völker erzählen von einer unsichtbaren Wirklichkeit: Überall im Verborgenen der Natur sind geheimnisvolle Gestalten Gestalten, nicht Kräfte am Werk. Alles ist beseelt, belebt. Die Welt ist voll von Geistern, Seelen. Die Mythen erzählen davon. Wer hat sie erfunden? Niemand. Denn Erfindungen sind Willkür, Unwirklichkeit. Diese Geschichten aber gelten allen, die [113] sie erzählen oder hören, als fraglose Wahrheit. Der Primitive hat ein Lebensgefühl, das ihn so empfinden lässt: das «Magische». Was bei unserem entwickelten individuellen Seelenleben etwa das «Unbewusste» heisst, worin das Kollektivleben der Ahnenreihe mitschwingt, ist dort Normalzustand des Seelenlebens: ein «natursomnambuler» Zustand mit erfühlenden, telepathischen, tiefenseherischen Begabungen; ein unmittelbares künstlerisches Erfassen des Ganzen in seinen Teilen, des Wesenhaften im Vielen». (Das Religiöse in der Menschheit, engl., von Otto Karrer, S. 121, 122)

Davon geben die Symbole vom Teufel und vom Weihnachtsmann Zeugnis, Verkörperungen von primären Dualitäten in der Welt der Bedeutung. Das ganze menschliche Dasein schwingt zwischen diesen Gegensatzpaaren, bis endlich das Gleichgewicht erreicht ist; von da an bewegt er sich zu dem hin, was göttlich ist. Es wäre für uns alle nützlich, wenn wir zu Zeiten länger und tiefer über diese beiden Gegensätze des Menschenlebens nachdächten: Gut und Böse, Licht und Dunkel, Leben und Form, Geist und Materie, das Selbst und das Nichtselbst, das Wirkliche und das Unwirkliche, Wahrheit und Falschheit, Recht und Unrecht, Freude und Leid, Drängen und Hindernis, Seele und Persönlichkeit, Christus und der Teufel. In diesen beiden letzteren ist das Problem der drei Versuchungen zusammengefasst. Diese Dualitäten sind auch definiert worden als Endlichkeit und Unendlichkeit, welches je die Charakteristiken des Menschen und Gottes bilden. Was unsere endliche Natur betont, gehört der Menschheit an, das Umfassende ist Gottes. Wir werden in unserem Studium dieser drei Versuchungen finden, wie klar die Unterschiede zwischen den Dualitäten hervortreten. Christus konnte in den Versuchungen nicht sich selbst widerstehen, und indem er sich mit Vollkommenheit identifiziert, gibt er uns eine Darstellung eines menschlichen Wesens «in der Welt und doch nicht von der Welt» (Joh. XVII/16), versucht vom Teufel, jedoch frei von einer falschen Reaktion auf die Einflüsterungen des Teufels. So war er eine freie Seele, eine göttliche Seele, nicht gefesselt durch das Begehren und seine Prüfungen, unbefleckt durch das Fleisch und seine Versuchungen, befreit von den Sünden mentaler Vorgänge. Solches ist der Wille Gottes für [114] jeden und alle von uns, und der oben angeführte Schriftsteller sagt: «Da kann keine Freiheit sein, ... ausser der göttliche Wille ist wahrhaft eins mit dem endlichen Wesen in einer einzigen Persönlichkeit». (Wert und Schicksal des Individuums, engl., von B. Bosanquet, S. 245)

Solch eine Persönlichkeit war Christus. Gott ist der Gegensatz des Bösen, und die Haltung Christi gegenüber dem Teufel war die des unnachgiebigen Gegensatzes. Hier zeigte er deutlich die Folgen und tat, was alle Seelen tun können. Hierin liegt, wie ich früher schon ausführte, seine Einzigartigkeit und seine Besonderheit sie besteht in der grundlegenden Tatsache, dass er jene Methoden des Dienens, des Triumphs und Opfers anwendete, die für jeden von uns verfügbar sind. Viele sind in der Vergangenheit für andere gestorben; manche haben dem Bösen mit unnachgiebigem Widerstand ins Auge gesehen, viele haben ihr Leben dem Dienst geweiht, aber niemand ist es mit der Vollendung und Vollkommenheit Christi gelungen.

Seine Grösse dies kann nicht oft genug gesagt werden liegt in seiner Allgemeingültigkeit. Dr. Bosanquet behandelt die Frage der Persönlichkeit wie folgt:

«Was ich hervorheben möchte, ist eigentlich, dass unsere wahre Persönlichkeit in unserem wirklich Besten liegt, und indem wir seine Entwicklung und Befriedigung wünschen, wünschen wir das Wachstum unserer wahren Individualität wenn auch eine Verminderung unserer formalen Ausschliesslichkeit. ... Es könnte erwidert werden, dass wahre Individualität Weitblick und Bildung sowohl persönliche Eigenart wie Weite erhöhen. Zweifellos aber vermindern diese die Ausschliesslichkeit. Die grossen Weltmenschen sind nicht einfach von ihren irdischen Eltern geboren. Ganze Zeitalter und Länder sind in ihnen konzentriert. ... Wenn wir eine hoch entwickelte Vollkommenheit möchten, wünschen wir etwas zu sein, das nicht länger durch die Umstände des irdischen Lebens bestimmt werden kann». (Bosanquet, a. a. O., S. 245)

Wenn wir diese Worte in Zusammenhang mit den Versuchungen Christi lesen, erhebt sich vor uns das Wunder dessen, was er tat, und ermutigt uns alle, die wir seine jüngeren Brüder und gleicherweise Söhne Gottes sind.

Also als ganzer Mensch und doch ganz göttlich, trat Christus ein in den Endkampf mit dem Teufel. Als ein menschliches Wesen, [115] in dem der göttliche Geist sich voll ausdrückte, stand er dem Bösen in seiner eigenen Menschlichkeit (wenn von Gott abgesehen wird) gegenüber und ging siegreich hervor. Wir wollen nicht versuchen, diese zwei Gott und Mensch zu trennen, wenn wir an Christus denken. Einige Denker betonen sein Menschsein und ignorieren seine Göttlichkeit. Darin irren sie sicherlich. Andere betonen seine Göttlichkeit und sehen alle jene als gotteslästerlich und unrichtig an, die ihn anderen menschlichen Wesen gleichstellten. Doch wenn wir Christus als die Blüte der menschlichen Rasse betrachten, weil der göttliche Geist voll herrschte und mittels der menschlichen Form sich kundtat, so verkleinern wir in keiner Weise ihn und seine Leistungen. Die kommenden Menschen schreiten auf dem Pfad der Evolution fort, je mehr sie sich ihrer Göttlichkeit und der Vaterschaft Gottes bewusst werden. Zugleich, je tiefer sie Christus würdigen, umso überzeugter sind sie von seiner vollkommenen Göttlichkeit und seiner Mission, und umso demütiger versuchen sie, seinen Fussspuren zu folgen, indem sie wissen, dass er der Meister aller Meister ist, wahrer Gott vom wahren Gott, und der Lehrer der Engel und der Menschen.

Diese vollkommene Göttlichkeit soll nun versucht und erprobt werden. Er hat vor Gott, vor dem Teufel und vor der Menschheit die Art seiner Vollendung darzustellen und, wie die Kräfte der niederen Natur durch die Kräfte der Seele überwunden werden können. Diese Versuchungen können von allen Aspiranten und Jüngern sehr leicht verstanden werden, weil sie universale Prüfungen darstellen, die auf die menschliche Natur angewendet werden, an der wir alle teilhaben und mit der wir alle in irgendeiner Form und in irgendeinem Mass ringen. Es ist gleich, ob wir das tun durch die Eingebungen des Gewissens, durch die Herrschaft der höheren Natur oder durch das klare Licht des Göttlichen. Dies haben alle Jünger stets erkannt.

Wir wollen diese drei Versuchungen in der Reihenfolge betrachten, wie sie Matthäus gibt und die von der des Lukas abweicht. Markus erwähnt einfach, dass Christus vom Teufel versucht wurde, während Johannes sie überhaupt nicht nennt. Diese [116] drei Versuchungen prüfen alle drei Aspekte der niederen menschlichen Natur: die physische, die emotionelle oder Wunschnatur und das Denken oder die mentale Natur. Wir lesen:

«Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: «Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden». Und er antwortete und sprach: «Es steht geschrieben, der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt». (Matth. IV/2, 3, 4)

Im Zusammenhang mit allen diesen Versuchungen gibt es zwei interessante Tatsachen. Jede beginnt mit «Wenn» auf den Lippen des Teufels, und jeder begegnet Christus mit den Worten: «Es steht geschrieben». Diese zwei Redewendungen verbinden alle drei Episoden und geben den Schlüssel zu dem gesamten Vorgang. Die letzte Versuchung ist der Zweifel. Vor der Prüfung haben wir schliesslich alle zu stehen, und diejenige, die in Christi Leben den Höhepunkt bildete, bis er sie am Kreuz überwand, ist die Prüfung unserer Göttlichkeit. Sind wir göttlich? Wie müssen unsere göttlichen Kräfte sich ausdrücken? Was können wir tun oder nicht tun, weil wir Gottes Söhne sind? Dass die Einzelheiten jeder Schwierigkeit, Prüfung und Erprobung verschieden sein können, ist relativ unwesentlich. Dass die Prüfungen zunächst in einem oder dem anderen Aspekt unserer niederen Natur konzentriert sein mögen, ist ebenfalls unwichtig. Es ist das allgemeine lebenslange Drängen zur Göttlichkeit, das erprobt wird. Bei dem nur wenig entwickelten Menschen bietet sich das Problem der Göttlichkeit im ganzen nicht. Er kann nur von dem Detail, von dem Problem im unmittelbaren Vordergrund seines Lebens in Anspruch genommen sein. Das handhabt er oder nicht, je nachdem, wie der Fall liegen mag, durch das Licht des Gewissens. Für den Jünger hat das Detail weniger Bedeutung, und die allgemeine Wahrheit seiner Sohnschaft beginnt langsam, ihn zu beschäftigen. Unter dem Blickwinkel jener Theorie behandelt er dann seine Lebensumstände. Für einen vollkommenen Sohn Gottes, wie Christus, oder für den Menschen, der sich der Vollkommenheit nähert, muss das Problem als ganzes behandelt werden, und das Lebensproblem muss vom Blickpunkt der Göttlichkeit selbst betrachtet werden. Das war der Fall bei Christus, und ist der verborgene tiefere Sinn in des Teufels dreifachem «Wenn».

Ob richtig [117] oder nicht, mir scheint, dass wir uns geirrt haben, wenn wir alle Wahrheit vom Gesichtspunkt des Mittelmässigen aus darstellen. Das haben wir getan. Wahrheit kann auf viele Arten dargestellt werden. Für jene, die einfach physisch-emotionelle Wesen mit deshalb kleiner Sicht sind, ist der Schutz der Theologie erforderlich, trotz ihrer Unvollkommenheit, Dogmatik und unhaltbaren Behauptungen. Diese brauchen sie, und die Verantwortung jener, die Dogmen für die «Kleinen» der Menschheit austeilen, ist gross. Wahrheit muss auch in einer umfassenderen Form und mit einer allgemeineren Bedeutung gegeben werden für jene, die bewusst als Seelen zu leben beginnen, und denen zugetraut werden kann, dass sie die Bedeutung hinter dem Symbol, den Sinn hinter der äusseren Erscheinung der Theologie sehen. Für die vollkommenen Söhne Gottes muss Wahrheit etwas jenseits unserer Träume, von so tiefer Bedeutung und von solchem Umfang sein, dass es nutzlos für uns ist, darüber zu grübeln, denn es ist etwas zum Erfahren, nicht zum Träumen, etwas zum Eintreten, nicht zum Einbilden.

Christi Antwort sollte jedesmal in dieser dreifachen Art gesehen werden. «Es steht geschrieben», sagt er, und die Gedankenlosen und Kleindenkenden betrachten das als ein Bestätigen der wörtlichen Inspiration der Bibel. Doch sicher hat er sich nicht nur auf die alten Aussprüche der jüdischen Schriften bezogen, so schön sie sind. Die Möglichkeiten des Irrtums sind zu gross, um die rückhaltlose Annahme jedes Wortes in irgendeiner Schrift der Welt zu rechtfertigen. Wenn die Übersetzungsvorgänge erforscht werden, wird das offenkundig sichtbar. Christus meinte etwas viel Tieferes als «Die Bibel sagt». Er meinte, dass das Zeichen Gottes über ihm war, dass er das WORT war, und dass das WORT Ausdruck der Wahrheit war. Es ist das WORT der Seele (das Einströmen von Göttlichkeit), das unsere Haltung in der Versuchung bestimmt und unsere Reaktion auf das Problem, das der Teufel vorlegt. Wenn dieses Wort schwach ist, tief verborgen in der verhüllenden Form, werden nur verzerrte Töne hervorkommen, und das WORT wird nicht mächtig genug sein, dem Teufel zu widerstehen. Das WORT ist in das Fleisch geschrieben, wenn es auch entstellt und beinahe unsichtbar sein mag durch die Tätigkeit der niederen Natur; über das Denken tönt das WORT [118] weiter, es bringt Erleuchtung und Einsicht, so verzerrt jetzt die Vision auch sein mag und das Licht kaum zu sehen. Aber das WORT IST DA. Eines Tages kann jeder von uns mit Befugnis sagen: «Es steht geschrieben» und jenes WORT ausgedrückt sehen in jedem Teil unserer menschlichen Natur, als Einzelwesen, und etwas später in der Menschheit selbst. Dies ist das «verlorene Wort» der Freimaurer-Tradition.

Die orientalische Philosophie bezieht sich häufig auf vier Lebenssphären oder vier Probleme, denen alle Jünger und Aspiranten gegenüberstehen müssen, und die in ihrer Gesamtheit die Welt bilden, in der wir leben. Es sind: die Welt der Maya, die Welt der Verblendung und die Welt der Illusion. Da ist auch jener geheimnisvolle «Hüter der Schwelle», auf den sich Bulwer Lytton in «Zanoni» bezieht. Diesen vier begegnete Christus und besiegte sie in der Wüstenerfahrung.

Maya bezieht sich auf die Welt der physischen Kräfte, in der wir leben, und auf sie bezog sich die erste Versuchung. Die moderne Wissenschaft hat uns gesagt, dass alles Sichtbare und Unsichtbare Energie ist, und dass jede Form einfach ein

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.