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Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 94 ff. (engl.)
nicht möglich, dass er eine viel weitere Synthese errichtete als jene des Individuums mit Gott die Synthese des Reichs Gottes?

Was bedeuten diese Worte? Wir haben vom Himmelreich in Begriffen des Getrenntseins gesprochen. Wir sind entweder in diesem Reich oder ausserhalb. Es wird uns gesagt, dass wir aus dem Menschenreich (das durch die Welt, das Fleisch und den Teufel beherrscht wird) heraus- und in ein anderes Reich eintreten sollen, das als völlig verschieden geschildert wird. Jedoch, ist dies so? Alle Aspekte der drei untermenschlichen Reiche (Tier-, Pflanzen- und Mineralreich) werden im Menschen gefunden, und ihre Synthese, zuzüglich einem anderen Faktor, dem göttlichen Intellekt, nennen wir das Menschenreich. Der Mensch vereint in sich die sogenannten niederen Manifestationen des Göttlichen. In den untermenschlichen Naturreichen finden wir drei Haupttypen von Bewusstsein: das Mineralreich mit seiner subjektiven Unterscheidungskraft, seiner Fähigkeit zu wachsen und seiner schliesslichen Radioaktivität, das Pflanzenreich mit seiner Sensitivität oder Empfindungsfähigkeit und seinem sich entwickelnden Reaktionsapparat auf Sonnenlicht, auf Wärme, Kälte und andere klimatische Umweltbedingungen, das Tierreich mit seiner sehr erweiterten Wahrnehmungsfähigkeit, seiner Befähigung zu freier Bewegung und zu weiteren Kontakten vermöge seiner Instinktnatur. Das Menschenreich vereinigt in sich alle diese Arten von Wahrnehmungsfähigkeit Bewusstsein, Gefühl, Instinkt - dazu jener geheimnisvollen menschlichen Fähigkeit, die wir das Denken nennen, und wir fassen alle diese ererbten Eigenschaften zusammen mit dem Wort «Selbstbewusstsein».

In der Erfahrung des intelligenten menschlichen Wesens kommt jedoch eine langsam dämmernde Erkenntnis, dass es ausserhalb von ihm etwas grösseres und von höherem Wert gibt. Er ist empfänglich für feinere und zartere Kontakte und für Eindrücke, die er geistig, gedanklich, mystisch nennt. Eine andere Art von Bewusstsein beginnt in ihm zu keimen, und bei der Geburt in Bethlehem wird dieses Gewahrwerden offensichtlich und erkennbar. So, wie [95] das menschliche Wesen all das in sich verbindet, was gewesen ist, zuzüglich seiner eigenen besonderen Beschaffenheit und Eigenschaften, so können in ihm auch Eigenschaften aufzutauchen und sich zu zeigen beginnen, die nicht menschlich sind.

Angehörige des Gottesreichs werden dann die Erbschaft von vier Reichen verkörpern, wie der Mensch die Erbschaft von dreien verkörpert. Diese höhere Zugehörigkeit schliesst den Ausdruck des Christusbewusstseins ein, welche das Bewusstsein der Gruppe ist, der Beziehung des Teils zum Ganzen (etwas, das Christus ständig betonte), und des Menschlichen zum Göttlichen. Das Ergebnis dieser Verwirklichung muss sicherlich nach dem Plan der Evolution das Erscheinen eines weiteren Naturreichs sein. Das ist die grosse Aufgabe des Christus. Durch die Kraft seiner verwirklichten Göttlichkeit brachte er den Menschen hervor, der in sich das Beste von allem zusammenfasste, was gewesen ist, und auch offenbarte, was sein könnte. Er brachte das Höhere und das Niedere zu einer funktionierenden Einheit und schuf daraus «einen neuen Menschen». Er gründete das Reich Gottes auf Erden und stellte eine Zusammenfassung aller Naturreiche her, wodurch das Erscheinen eines fünften Reichs bewirkt wurde. Wir möchten die von ihm hervorgebrachten Einswerdungen wie folgt zusammenfassen:

1. Er vereinigte in sich zur Vollkommenheit die physischen, emotionellen und mentalen Aspekte des Menschen und stellte dadurch den vollkommenen Menschen anschaulich dar.

2. Er vereinigte in sich Seele und Körper, den höheren und den niederen Aspekt, und brachte dadurch eine göttliche Inkarnation hervor.

3. Er vereinigte in sich das Beste von allen Naturreichen, dem mineralischen, pflanzlichen und tierischen, die in ihrer Synthese den Menschen mit dem tätigen Intellekt bedeuten.

4. Dann verband er diese Synthese mit einem höheren spirituellen Faktor und brachte ein neues Naturreich zum Entstehen, das fünfte.

Nachdem er in sich zum Segen der Menschheit eine Vereinigung oder Einswerdung nach der anderen vollzogen hat, erscheint Christus vor Johannes dem Täufer und geht durch die zweite Einweihung, jene der Reinigung in den Wassern des Jordans. Durch [96] die Taufe und durch die folgenden Versuchungen zeigte er seine Reife, fasste seine Mission ins Auge und erwies vor der Welt seine Reinheit und seine Kraft.

Die dritte Einweihung, die Verklärung, bezeugte die Tatsache der von Christus zwischen Seele und Körper vollzogenen Vereinigung. Die Integration war vollständig, und die darauf folgende Erleuchtung wurde seinen Jüngern sichtbar gemacht. Er erschien vor ihnen als Menschensohn und als Gottessohn, und nachdem er ihnen bewiesen hatte, wer er war, stand er Aug' in Auge mit dem Tod, der vor ihm lag, und mit dem zu leistenden Dienst. In der vierten Einweihung demonstrierte er diese Integration nicht nur als der Gottmensch, sondern als der Eine, der in seinem Bewusstsein die ganze Welt der Menschen umfasst. Er vereinigte sich selbst mit der Menschheit und offenbarte die Wirksamkeit jener göttlichen Energie, die ihn befähigte, in Wahrheit zu sagen: «Und ich, wenn ich erhöht sein werde von der Erde, so will ich sie alle an mich ziehen» (Joh. XII/32). Er ward zwischen Erde und Himmel emporgehoben, und für zweitausend Jahre sind diese seine Worte ohne Echo geblieben.

2.

Dann kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen lasse. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: «Ich bedarf wohl, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?»

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: «Lass es jetzt also sein! Es gebührt uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen». Da liess er's ihm zu.

Und Jesus, als er getauft war, stieg alsbald herauf aus dem Wasser, und siehe, da tat sich der Himmel über ihm auf. Und er sah den Geist Gottes gleich einer Taube herabfahren und über ihn kommen.

Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: «Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe». (Matth. III/1317)

In solchen einfachen Worten wird uns die Geschichte dieser Einweihung erzählt. Der Leitgedanke ist Läuterung, und sie beschloss eine Periode der Vorbereitung, eine Zeit ruhigen Dienens, und leitete einen Zyklus emsiger Tätigkeit ein. Die Reinigung der [97] niederen Natur ist ein Erfordernis, das die christliche Kirche immer betont hat, wie es auch der Hinduglaube tat. Christus hielt dieses Ideal seinen Jüngern und allen Menschen vor, wenn er sagte: «Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen» (Matth. V/8).

In einer alten Abhandlung über Meditation, den Yoga-Sutras des Patanjali, ruft der Lehrer aus: «Durch Läuterung kommt auch ein ruhiger Geist ... und die Fähigkeit, das Selbst zu schauen» (II, 41). Läuterung hat viele Arten und Grade. Da ist physische Reinheit und moralische Reinheit, da ist auch jene magnetische Reinheit, die den Menschen zu einem Kanal für geistige Kraft macht. Da ist psychische Reinheit, die selten zu finden ist, und mentale Reinheit. Das Wort «purity» = Reinheit kommt von dem Sanskritwort «pur») das Freiheit von Vermischung bedeutet, von Begrenzung und vom Gefangensein des Geistes in den Ketten der Materie. Es gibt keine Zielerreichung ohne Läuterung. Es gibt keine Möglichkeit für unser Schauen und Manifestieren von Göttlichkeit ohne Hindurchgehen durch die reinigenden Wasser. In der Welt geht heute ein grosses Reinemachen vor sich. Eine «asketische Reinigung» und eine erzwungene Abstinenz von vielem, was bis jetzt begehrenswert erschien, geschieht in der Welt, und keiner von uns kann dem entrinnen. Das ist verursacht durch das Zusammenbrechen des Wirtschaftssystems und der vielen anderen Systeme, die sich in der modernen Welt als ungeeignet erwiesen haben. Läuterung wird uns aufgezwungen, und die Folge muss ein Sinn für wahrere Werte sein. Eine Reinigung von falschen Idealen, eine Läuterung der Menschheit von unredlichen Massstäben und unerwünschten Zielen wird machtvoll in dieser Zeit angewendet. Vielleicht bedeutet dies, dass heutzutage viele Menschen zum Jordan hinuntergehen, um in die reinigenden Wasser einzutreten. Möge die selbst-auferlegte asketische Reinigung und die Erkenntnis ihres Wertes durch die Pioniere der menschlichen Familie insofern erfolgreich sein, dass sie zur Pforte der Einweihung führt!

Eine interessante Analogie zu dem, was heute in der Menschheit [98] geschieht, ergibt sich vom astrologischen Standpunkt aus. Wir treten ein in das Zeichen des Wasserträgers, des Aquarius. Dieses Zeichen steht symbolisch für Gruppenreinheit und Gruppenbeziehungen, für die Allgemeingültigkeit der Erfahrung und für die über alle ausgegossenen Wasser. Als wir vor etwa 200 Jahren in dieses Zeichen einzutreten begannen, wurde das Wasser zum ersten Mal von allgemeinem Interesse und kam zu allgemeiner Anwendung für das Gesundheitswesen und für die Bewässerung. Die Beherrschung des Wassers und seine Nutzbarmachung als Transportmittel in weltweitem Ausmass wurde möglich. Der Gebrauch des Wassers in unseren Wohnungen ist jetzt so allgemein, dass wir uns kaum vorstellen können, wie die Welt vorher gewesen ist.

Christus trat in dieser grossen Einweihung in den Strom ein, und die Wasser flossen über ihn. In Indien wird diese Einweihung das «Eintreten in den Strom» genannt. Wer sich ihr unterzieht, wird so angesehen, als habe er physische und psychische Reinheit bewiesen. Wenn wir diese Einweihung betrachten, müssen wir daran denken, dass sich die Erzählung auf zwei Arten von Taufe bezieht.

Johannes antwortete, indem er zu allen sagte: «Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber ein Stärkerer nach mir, dem ich nicht würdig bin, die Riemen seiner Schuhe zu lösen, der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen» (Lukas III/16).

Es gibt also zwei Arten von Taufe:

1. jene von Johannes dem Täufer, die Taufe mit Wasser,

2. die Taufe Jesu Christi, diejenige mit dem Heiligen Geist und mit Feuer.

In diesen zwei Symbolen ist viel von der Geschichte der menschlichen Entwicklung zusammengefasst, und das gemeinsame Wirken von Johannes dem Täufer und Jesus erzeugte eine Synthese, die das unmittelbare Ziel unseres menschlichen Bestrebens anzeigt. Der Symbolismus entspricht genau der alten Mysterienlehre. Ein eingehendes Studium dieser symbolischen Darstellung einer Grundwahrheit würde in allen Ländern für die Sucher sehr nützlich sein, und ein Verstehen der Bedeutung der verwendeten Symbole würde viel Licht auf die Wirklichkeit werfen.

In der Evolution der Menschheit wird die empfindende und fühlende Natur zuerst entwickelt, und immer ist Wasser das Symbol [99] dieser Natur gewesen. Die flüssige Natur der Gefühle, der ständige Wechsel zwischen Freude und Schmerz, die Stürme, die sich in der Welt des Fühlens erheben, und der Friede, die Ruhe, die sich auf einen Menschen herabsenken können, machen das Wasser zum angemessensten Symbol dieser subtilen inneren Welt der niederen Natur, in der die meisten von uns leben und worin unser Bewusstsein vorherrschend konzentriert ist. Der durchschnittliche Mensch, Mann oder Frau, ist vorherrschend eine Mischung der physischen und emotionellen Natur. Für alle früheren Rassen ist dies charakteristisch, und es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass im alten Atlantis die Zivilisation gänzlich im Empfinden und Begehren konzentriert war, in den Gefühlen, und bei den fortgeschrittensten Typen im Leben des Herzens. Johannes der Täufer gab deshalb die Wassertaufe, welche die Reinigung der emotionellen Natur bezeugt, die immer eine Vorstufe für die Läuterung durch Feuer sein muss.

Die Jordantaufe ist symbolisch für die Reinigung des menschlichen Bewusstseins, so, wie Christus und seine Taufe für uns das Göttliche im Menschen symbolisierte und die Läuterung, die der Tätigkeit jenes göttlichen Geistes in der niederen Natur folgt. Das Gewissen mit seinem Ruf nach Anerkennung der höheren Werte, der tieferen Wahrheiten, und der Geburt ins Leben führt zum Jordan, und so ging Christus dorthin, um alle «Gerechtigkeit zu erfüllen». Diese Erfahrung geht immer der Taufe in Christus und durch Christus voraus.

Die Taufe des Johannes war ein Schritt auf dem Weg ins Zentrum und von allgemeinerer Anwendung als die Taufe Jesu, denn wenige sind jetzt bereit für die zweite Einweihung. Sie ist Vorbereitung für die endgültige Taufe, denn die Läuterung der emotionellen Natur muss der Läuterung der Gedankennatur rechtzeitig vorausgehen, geradeso, wie in der Evolution der Menschheit (und gleicherweise eines Kindes) der empfindende, fühlende Mensch sich zuerst entwickelt, dann kommt das Denken in Tätigkeit. Die Taufe, die Christus seinen Nachfolgern gibt, betrifft die Reinigung des Denkens durch Feuer. Feuer ist im allgemeinen religiösen Symbolismus immer das Sinnbild der Gedankennatur. Diese Taufe durch Feuer ist die Taufe des Heiligen Geistes.

Also ging Jesus [100] von Nazareth und Galiläa weg, um die nächste Stufe zu nehmen, die in seiner Erfahrung angezeigt war. Als Ergebnis der Lebenserfahrung und innerer Weihe war er bereit für die nächste Einweihung. Diese erfolgte im Fluss Jordan. Jordan bedeutet «das, was herabsteigt», aber auch nach einigen

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.