Netnews Homepage     Zurück     Vorwärts      Index      Inhaltsverzeichnis
Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 73 ff. (engl.)
das alle Schlacken entfernt und nur die reine Essenz der Lobpreisung Gottes zurücklässt. Myrrhe oder Bitterkeit bezieht sich auf das Denken. Durch das Denken leiden wir als menschliche Wesen, und je mehr die Menschheit fortschreitet und das Denken sich entwickelt, desto grösser scheint die Fähigkeit des Leidens zu sein. Aber wenn Leiden im rechten Licht gesehen und der Göttlichkeit geweiht wird, kann es als ein Instrument benutzt werden, um Gott näher zu kommen. Dann können wir Gott diese seltene und wunderbare Gabe des Denkens anbieten, das durch den Schmerz weise geworden ist, und ein Herz, das durch überwundene Not und Schwierigkeiten gütig wurde.

Wenn wir die Bedeutung dieser drei Gaben untersuchen, die von den alten Jüngern dem Kind Jesus dargebracht wurden, und wenn wir ihre Bedeutung erkennen und wie diese auf unsere individuelle Situation anwendbar ist, so wird gleichfalls offenbar, dass die Menschheit heute als Ganzes am Ende einer langen Wanderung vor dem Kind Jesus steht im Haus des Brotes; sie [74] kann nun wenn es ihr Wille ist die Gaben des materiellen Lebens, der Läuterung im Feuer der Widerwärtigkeiten und des Leidens anbieten, dem sie sich hat unterwerfen müssen. Die Menschheit kann sich auf den Weg machen von Galiläa über Nazareth. Gold, das heute das wirkliche Lebensblut der Menschen zu sein scheint, muss Christus geweiht werden. Weihrauch, die Träume, Visionen und das Streben der Massen, so wirklich und tief, dass überall Nationen darum kämpfen, diesen Träumen Ausdruck zu geben, auch diese müssen Christus gewidmet und dargeboten werden, damit er alles in allem sei. Schmerzen, Leiden, alle Qualen der Menschheit, niemals so akut wie heute, sollten gewiss zu Christi Füssen niedergelegt werden. Wir haben viel gelernt. Lasst die Bedeutung alles dessen in unser Herz und Denken dringen, und möge die Ursache des Schmerzes uns dazu bringen, sie Christus als unsere grösste Gabe zu schenken. Schmerz ist immer die Begleiterscheinung der Geburt; Leiden finden sich in jeder Geburtsstätte. Der Gedanke daran weckt die tiefste und konstruktivste Art von Optimismus im Denken jener, die über Weltleiden und -qual nachdenken. Sollten sie nicht die Geburtswehen anzeigen, welche der Offenbarung Christi vorausgehen? Wenn dies erkannt ist, können wir mit Paulus sagen:

«Um Seinetwillen habe ich die Trennung von allem erlitten, und ich schätze es als ein Nichts, wenn ich nur Christus gewinne. Ich bin in ihm erfunden, dass ich meine Gerechtigkeit nicht aus mir selber und aus dem Gesetz habe, sondern jene Gerechtigkeit, welche aus dem Glauben an Christus aufsteht, jene Gerechtigkeit, die von Gott und durch den Glauben kommt. ... Ich sage nicht, dass ich dieses Wissen schon erreicht oder diese Vollkommenheit bereits erlangt habe; ich jage ihm aber nach, dass ich's auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin. ... Ich vergesse, was hinter mir ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinod, welches uns vorhält die himmlische Berufung in Gott und Christus Jesus. Deshalb lasst uns alle, die reif im Glauben sind, diese Gedanken pflegen. Und wenn in mancher Hinsicht etliche anders denken, dann lasset Gott es ihnen offenbaren. Doch welchen Punkt immer wir erreicht haben, lasset uns eines Sinnes sein und beharren in der gleichen Richtung! (Philister III/8, 9, 12, 16) (Weymouth-Übersetzung, engl).

5.

Der Bericht über [75] die Kindheit Jesu, wie er uns im Evangelium gegeben ist, erzählt nur wenig. Nur auf eine Episode wird bezug genommen, jene, da Jesus im Alter von zwölf Jahren von seiner Mutter in den Tempel mitgenommen wurde, hier zum erstenmal Zeichen seiner Berufung gab und damit bezeugte, dass ihm eine Mission bestimmt war. Seine Eltern hatten bisher allen Erfordernissen der jüdischen Riten entsprochen; sie hatten sich auch in Ägypten aufgehalten. Von seiner Zeit dort wird uns nichts gesagt. Alles, was wir wissen, ist ausgesprochen in den Worten:

«Sie kehrten nach Galiläa zurück in ihre Stadt Nazareth. Und das Kind wuchs heran und wurde stark im Geiste, erfüllt mit Weisheit, und die Gnade Gottes war über ihm». (Lukas II/39, 40)

Die Leser würden gut tun sich zu erinnern, dass die Zahl zwölf von Esoterikern aller Glaubensbekenntnisse als die Zahl der Vollendung angesehen wird. Sie erscheint immer wieder in den verschiedenen Heiligen Schriften der Welt. Die folgenden Erläuterungen sind in dieser Hinsicht von Interesse, indem sie die Bedeutung dieser Zahl und ihre Beziehung zur Einweihung aufzeigen.

«Die Vollendung des Alters von zwölf Jahren bedeutet einen vollen Abschnitt der Entwicklung, als die Christseele sich einer Einweihung unterzog. Diese fand im innersten Denken statt, dem Tempel, und sie entspricht einem Erwachen der logischen und intuitiven Kräfte der Seele. Dies sind die Vater-Mutter-Prinzipien, angezeigt durch die Gegenwart der Eltern. (G. A. Gaskell: Wörterbuch der heiligen Sprache aller heiligen Schriften und Mythen, engl., S. 773).

Und wieder:

«Die Zahl (der zwölf Jünger) ist typisch für viele Angaben im Alten Testament: die zwölf Söhne Jakobs, die zwölf Fürsten der Kinder Israels, die zwölf fliessenden Quellen in Helim, die zwölf Steine in Aarons Brusttafel, zwölf Laibe der Schaubrote, die zwölf [76] Späher, die Moses aussandte, die zwölf Steine, aus denen der Altar gemacht war, die zwölf aus dem Jordan genommenen Steine, die zwölf Ochsen, welche die eherne See austrinken. Auch im Neuen Testament die zwölf Sterne in der Brautkrone, die zwölf Fundamente von Jerusalem, die Johannes sah, und ihre zwölf Tore!» (Hrabanus Maurus A. D. 857).

Alle diese Wiederholungen der Zwölf haben vielleicht ihren Ursprung in den zwölf Zeichen des Tierkreises, diesem imaginären Gürtel des Himmels, durch den die Sonne im Lauf eines Jahres und auch innerhalb eines grösseren Zyklus von 25'000 Jahren hindurchzugehen scheint.

Als er die vorbereitende Arbeit vollendet hatte, unterzog sich Christus in seinem zwölften Jahr einer intuitiven Erfahrung, indem er von Nazareth, dem Ort der Weihung, zum Tempel ging, wo ihn diese Intuition zu einer neuen Erkenntnis seines Werkes führte. Es gibt kein Zeichen, dass er Einzelheiten von seiner Mission wusste. Er gab seiner Mutter keine Erklärungen. Er begann die Arbeit zu tun, die ihm die nächste Pflicht war, und jene zu lehren, die er im Tempel fand, wobei er sie durch sein Verständnis und seine Antworten in Erstaunen setzte. Seine verwirrte und bekümmerte Mutter lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich und den Vater, doch erhielt nur die mit Überzeugung gegebene ruhige Antwort, die ihr ganzes Leben änderte: «Wisst ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?» (Lukas II/49) Diese sich im Lauf der Jahre in seinem Bewusstsein entwickelnde Berufung wurde breiter und weiter in ihrer allumfassenden Liebe, als es die durchschnittliche orthodoxe Kirche zuzugeben gewillt scheint.

Der Umfang dieser Mission dämmerte langsam in seinem jungen Gemüt, und er begann, wie es notgedrungen alle wahren eingeweihten Gottessöhne tun müssen, sobald die Vision erkannt war, als Gottes Bote zu wirken dort, wo er sich befand. Nachdem er so das Verstehen seines zukünftigen Wirkens bezeigt hatte, wird gesagt: «er ging hinunter mit ihnen (den Eltern) nach Nazareth (dem Ort der erneuten Weihung) und war ihnen untertan. ... Und Jesus nahm zu an Alter und Weisheit vor Gott und den Menschen» (Lukas II/51, 52).

Häufig finden [77] wir in den Evangelien das Wort «hinunter». Christus ging mit seiner Mutter «hinunter nach Ägypten», er ging «hinunter nach Nazareth»; wieder und wieder kommt er herunter vom Berggipfel oder dem Ort der Einsamkeit, um seine Pflicht unter den Menschen zu tun. Nach der uns nicht mitgeteilten Erfahrung in Ägypten (wovon die Bibel keinen Bericht gibt) und nach der Offenbarung im Tempel sowie der Annahme der Aufgabe, die er durchzuführen hatte, kehrt Christus zu der Stätte seiner Pflicht zurück. Nach der Einweihung der Geburt war er, wie es gesagt wird, für eine Zeit von 30 Jahren als Mann im alltäglichen Leben der Zimmermanns-Werkstatt und im Haus seiner Eltern tätig. Dieses häusliche Leben bildete die Prüfung, der er sich unterziehen musste, und ihre Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Klingt es gotteslästerlich zu sagen, dass der Rest seines Werks erfolglos geblieben wäre, wenn er diese unmittelbare Pflicht versäumt hätte? Hätte er nicht mit Erfolg Göttlichkeit vorgelebt im häuslichen Kreis, in der kleinen Stadt, in die das Los ihn stellte, wäre es dann möglich gewesen, dass er jemals als Welterlöser hätte wirken können? Er kam, um unser Menschentum zu offenbaren, wie es sein könnte und wie es sein wird, wenn wir die lange Reise nach Bethlehem beendet haben. Darin besteht die Einzigartigkeit seiner Mission.

Christus lebte still in seinem Heim mit den Eltern. Er unterzog sich dieser schwierigen Erfahrung des häuslichen Lebens mit seiner Eintönigkeit, seiner stets gleichen Alltäglichkeit, der notwendigen Unterordnung unter den Willen und die Erfordernisse der Gruppe mit den Lektionen des Opfers, des Verstehens und des Dienens. Dies ist stets die erste Aufgabe, die jeder Schüler lernen muss. Ehe er sie nicht gelernt hat, kann er keine weiteren Fortschritte machen. Ehe das Göttliche nicht daheim zum Ausdruck gebracht wurde, unter jenen Menschen, die uns gut kennen und unsere vertrauten Freunde sind, kann nicht erwartet werden, dass es irgendwo anders der Fall sein könnte. Wir müssen in den uninteressanten, eintönigen und manchmal deprimierenden Verhältnissen, in die das Schicksal uns gestellt hat, als Söhne Gottes leben; in diesem Stadium ist nichts anderes möglich. Der Ort, wo wir sind, ist der Ort, wo unsere Reise beginnt, kein Ort des Entkommens. Wenn wir nicht dort, wo wir sind und wo wir uns selbst entdecken, uns [78] als Jünger bewähren können, so wird uns keine andere Gelegenheit geboten werden, bis wir es tun. Hier werden wir geprüft, und hier ist für uns das Feld des Dienstes. Viele wahre und ernsthafte Aspiranten meinen, dass sie in der Tat einen Eindruck auf ihre Umgebung machen und sich als göttlich erweisen könnten, wenn sie eine andere Art von Heim, Umgebung, andere Verbindungen hätten. Wenn sie einen anderen Partner geheiratet hätten, mehr Geld oder auch mehr Musse besässen, wenn sie von Seiten ihrer Freunde mehr Sympathie fänden oder ihre Gesundheit besser wäre, kann man sich nicht vorstellen, was sie alles vollbracht haben würden. Jede Prüfung erprobt unsere Stärke; sie ruft das Äusserste auf, was in uns ist, und offenbart uns, wo wir schwach sind und wo wir fehlen. Es ist heute Bedarf an zuverlässigen Jüngern, an denen, die so geprüft wurden, dass sie nicht zusammenbrechen, wenn Schwierigkeiten kommen und wenn ihnen im Leben Dunkelheit begegnet. Wir haben könnten wir es nur erkennen genau jene Umstände, jene Umgebung, in welcher die Aufgabe des Gehorsams gegenüber dem Höchsten, das in uns ist, gelernt werden kann. Wir besitzen genau jenen Körper und jene physischen Bedingungen, durch die das Göttliche in uns zum Ausdruck gelangen kann. Wir besitzen jene Verbindungen in der Welt und jene Art von Arbeit, die erforderlich ist, um uns in den Stand zu setzen, den nächsten Schritt vorwärts auf dem Pfad der Jüngerschaft zu gehen, den nächsten Schritt zu Gott. Ehe Aspiranten diese wesentliche Tatsache nicht begreifen und sich glücklich zu einem Leben des Dienstes und der liebevollen Hingabe im eigenen Heim bereit finden, gibt es für sie keinen Fortschritt. Ehe der Pfad des Lebens nicht frohen Herzens, schweigend und ohne Selbstbemitleidung im heimischen Kreis beschritten worden ist, wird ihnen keine andere Lektion oder Gelegenheit gegeben werden. Viele durchaus wohlmeinende Aspiranten müssen auch verstehen, dass sie selbst für viele der Schwierigkeiten, die ihnen begegnen, verantwortlich sind. Verwirrt, warum sie soviel Gegnerschaft um sich hervorzurufen scheinen, beklagen sie sich über mangelndes Verständnis für ihr Bemühen, ein geistiges Leben zu führen, zu studieren, zu lesen und zu denken. Der Grund kann gewöhnlich in ihrer geistigen Selbstsucht gefunden werden. Sie sprechen zuviel über ihre Bestrebungen und über sich selbst. Weil sie in ihrer ersten Verantwortlichkeit versagen, finden sie kein Verständnis für ihr Verlangen [79] nach Zeit zur Meditation. Es soll anerkannt werden, dass sie meditieren. Das Haus muss ruhig sein, sie dürfen nicht gestört werden, niemand darf sie unterbrechen. Keine dieser Schwierigkeiten würde sich einstellen, wenn die Aspiranten sich an zwei Dinge erinnerten: erstens, dass Meditation ein Vorgang ist, der im Geheimen, schweigend und regelmässig im innersten Tempel von des Menschen eigenem Denkvermögen vor sich geht. Zweitens, dass viel getan werden kann, wenn die Leute über das, was sie tun, nicht soviel reden würden. Wir müssen schweigend mit Gott gehen und uns als Persönlichkeit im Hintergrund halten, unser Leben so einrichten, dass wir als Seele leben können, indem wir für die Pflege unserer Seele die gebührende Zeit erübrigen, aber einen Sinn für rechtes Mass bewahren, die Zuneigung, die uns umgibt, im Auge behalten und unsere Verantwortlichkeit und unsere Verpflichtungen voll erfüllen. Selbstbemitleidung und zu vieles Reden sind die Klippen, an denen ein Aspirant vorübergehend scheitert.

Durch Liebe und liebevolles Wirken erweisen wir uns als eingeweiht in die Mysterien. Wenn wir zu Bethlehem in die Welt der Liebe geboren sind, muss von da an der Leitton unseres Lebens Gehorsam gegenüber dem Höchsten in uns sein, Liebe zu allen Wesen und vollkommenes Vertrauen in die Macht des innewohnenden Christus, um durch die äussere Form unserer Persönlichkeit das Leben der Liebe darzutun. Das Leben Christi ist ein Leben, das heute gelebt werden kann, schliesslich von allen. Es ist ein Leben von Freude und Glück, voll von Prüfungen und Problemen, doch seine Essenz ist Liebe und seine Methode ist Liebe. Es gibt uns ein Beispiel, dass wir seinen Schritten folgen sollten und das Werk weiterführen, das er begann.

Nachdem wir mit Christus von Bethlehem der Zeit entgegengegangen sind, da die zweite Einweihung näherrückt, was ist jetzt die Lektion, die wir gelernt haben? Wie können wir die Bedeutung dieser Episode in Bezug auf ihre praktische individuelle Anwendung zusammenfassen? Hat sie irgendeine persönliche Bedeutung?

Netnews Homepage     Zurück     Vorwärts      Index      Inhaltsverzeichnis
Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.