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Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 29 ff. (engl.)
Naturreich nennen können. Noch kann es nicht allgemein wahrgenommen werden; diese Welt wird offenbart durch den Vorgang der Einweihung.

Ehe Einweihung gewährt werden kann, muss die Bedeutung der obigen Ideen erfasst sein, gewisse grosse Entwicklungen sind notwendigerweise vorausgesetzt. Diese Erfordernisse kann man jetzt in dem Leben jedes Jüngers sich auswirken sehen, und für jene, welche Augen haben zu sehen, sind sie sichtbar am Werk, um Veränderungen in der Menschheit hervorzubringen.

Geistiges Streben ist das grundlegende Erfordernis sowohl für den Einzelnen wie für die ganze Menschheit. Sie strebt heute zu grossen Höhen, und dieses Streben ist verantwortlich für die grossen nationalen Bewegungen, die man in so vielen Ländern sieht. Gleichzeitig bemühen sich einzelne Jünger erneut um Erleuchtung, angespornt durch ihr Sehnen, der Weltnot zu begegnen. Geistige Selbstsucht, die für den Aspiranten der Vergangenheit so charakteristisch war, muss überwunden und verwandelt werden in Menschenliebe und in ein Teilhaben an der «Gemeinschaft von Christi Leiden» (Philister III/10). Das Selbst muss man beim Dienen aus den Augen verlieren. Dienst wird rasch zum Leitmotiv dieser Zeit und zu einem der Antriebe im menschlichen Streben. Schicksalsschläge und das Erdulden von schmerzlichen Erfahrungen sind immer das Los des einzelnen Jüngers. Es ist einleuchtend, dass der Weltjünger, die Menschheit selbst, einer solchen Prüfung für würdig befunden wird. Das allgemeine Auftreten von Schwierigkeiten in jedem Bereich menschlichen Lebens zeigt an, dass die Menschheit als Ganzes, keine Gruppe ausgenommen, im Begriff ist, für Einweihung vorbereitet zu werden. Dem heutigen Geschehen liegen Zweck und Absicht zugrunde. Die Wehen zur Geburt des Christus in der Menschheit haben begonnen, und Christus wird geboren werden «im Haus des Brotes» (dies ist der Sinn des Wortes «Bethlehem»). Die Folgen der gegenwärtigen Not und das Leiden in der Welt sind zu offensichtlich, um einer weiteren Erklärung zu bedürfen. Allen Weltangelegenheiten unserer Zeit liegt ein Zweck zugrunde, und Belohnung wartet am Ende des Weges. Eines Tages, vielleicht früher, als viele denken mögen, werden sich für den leidenden Weltjünger die Pforten der Einweihung weit öffnen, wie sie sich in der Vergangenheit für den Einzelnen immer geöffnet haben, und die Menschheit wird in ein neues Reich eintreten und [30] vor jener geheimnisvollen Gegenwart stehen, deren Licht und Weisheit durch die Person Christi in der Welt in Erscheinung trat, und deren Stimme in jeder der fünf Krisen, durch die Christus hindurchging, gehört wurde. Dann wird die Menschheit in die Welt der Ursachen und des Wissens eintreten. Wir werden in der inneren Welt der Wirklichkeit wohnen, und die äussere Erscheinung des physischen Lebens wird nur als Symbol der inneren Zustände und Geschehnisse erkannt werden. Dann werden wir zu arbeiten und zu leben beginnen als in die Mysterien Eingeweihte, und unser Leben wird aus dem Reich der Wirklichkeit gelenkt, wo Christus und seine Jünger (die unsichtbare Kirche) durch alle Zeiten die menschlichen Geschehnisse führen und beherrschen.

Das Ziel, das sie im Auge haben und auf das sie hinarbeiten, ist zusammengefasst für uns in einem Kommentar einer alten tibetanischen Handschrift.

«Alle Schönheit, alle Güte, alles, was der Ausrottung der Sorge und Unwissenheit auf Erden dient, muss der Einen Grossen Vollendung gewidmet sein. Denn wenn die Herren des Mitleids die Erde geistig zivilisiert und aus ihr einen Himmel gemacht haben werden, dann wird den Pilgern der endlose Pfad geoffenbart sein, der bis zum Herzen des Universums führt. Der Mensch, dann nicht länger Mensch, wird über der Natur stehen und unpersönlich, jedoch bewusst, im Eins-Sein mit allen Erleuchteten helfen, das Gesetz der Höheren Evolution zu erfüllen, von welcher Nirvana nur der Anfang ist». (Tibetanischer Yoga und Geheime Lehren, engl., von W. Y. Evans-Wentz, S. 12)

Dies ist unser Ziel, dies ist unser herrliches Endziel! Wie können wir dieser Vollendung entgegenschreiten? Welches ist der erste Schritt, den wir machen müssen? Ein unbekannter Dichter sagt:

«Wenn du unter dem äusseren Schein

die Ursachen sehen kannst,

die alle diese Wirkungen hervorbrachten

Wenn du fühlen kannst im warmen Strom des Sonnenlichts

die Liebe Gottes, welche die Erde umkreist,

dann wisse dich selbst eingeweiht in die Mysterien,

denen weise Menschen stets den grössten Wert zumassen».

ZWEITES KAPITEL

Die erste Einweihung. ... Die Geburt zu Bethlehem

Leitgedanke

«Es sei denn, dass ein Mensch [31] von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen!» (Johannes III/3)

ZWEITES KAPITEL

Die erste Einweihung. ... Die Geburt zu Bethlehem

1.

In unserer Besprechung [33] der fünf grossen Einweihungen werden wir versuchen, dreierlei zu tun: Erstens werden wir uns vorzustellen bemühen, dass das Christentum Blüte und Frucht der Religionen der Vergangenheit ist, die letzte, die mit Ausnahme des Islam gegeben wurde. Wir haben gesehen, dass in der christlichen Religion der Nachdruck auf die Einheit der menschlichen Familie gelegt wurde und auch auf die einzigartige Mission von Christus selbst. Christus kam, den höchsten Wert des Einzelmenschen zu lehren, worauf in dem vorhergehenden Kapitel bereits hingewiesen wurde. Es scheint, dass der Nachdruck, den die Nachfolger Mohammeds auf die Tatsache Gottes, des Höchsten, des Einen und Einzigen, legten, eine ausgleichende Verkündigung war wie es im 15. Jahrhundert geschah , um den Menschen davor zu bewahren, Gott zu vergessen, als er seiner eigenen verborgenen und wesentlichen Göttlichkeit als Sohn des Vaters näherkam. Das Studium der Verwandtschaft dieser verschiedenen Bekenntnisse, die Art und Weise, in welcher sie einander vorbereiten und ergänzen, ist von grösstem Interesse. Das haben unsere westlichen Theologen oft vergessen. Das Christentum bewahrt verborgen in sich die heilige Lehre, aber es erbte diese Lehre von der Vergangenheit. Sie mag sich selbst darstellen durch den grössten der göttlichen Boten, aber der Weg dieses Boten war lange vorbereitet, und ihm sind [34] andere grosse Gottessöhne vorausgegangen. Sein Wort mag das lebensspendende WORT für unsere westliche Zivilisation sein und die Erlösung verkörpern, die uns gebracht werden sollte; aber der Osten hatte seine eigenen Lehrer, und jede der vergangenen Zivilisationen auf unserem Planten hat ihre göttlichen Vertreter gehabt. Wenn wir die Botschaft des Christentums und seinen einzigartigen Beitrag betrachten, so lasst uns nicht die Vergangenheit vergessen, denn wenn wir das tun, werden wir niemals unseren eigenen Glauben verstehen.

Zweitens müssen wir daran denken, das Ganze im Auge zu behalten, und uns vergegenwärtigen, dass die grossen Bewusstseinserweiterungen, auf die wir uns beständig beziehen werden, ihre weltweiten Parallelen haben. Einige dieser Entfaltungen gehören der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte an, andere werden kommen. Eine Entfaltung liegt als unmittelbare Möglichkeit in der Gegenwart. Da des Menschen physische und mechanische Ausrüstung sich entwickelt, um dem sich erweiternden Bewusstsein zu entsprechen, wird er schrittweise dazu gebracht, von der göttlichen Immanenz immer mehr zu erfahren, die göttliche Transzendenz stärker zu erfassen und mit einem zunehmend erleuchteten Gewahrsein die Offenbarung aufzunehmen, die ihm stufenweise zur Ausbildung und für sein kulturelles Wachstum gegeben wird.

Heute stehen wir dicht vor der Geburtsstunde des Christus im Menschen, und aus der Dunkelheit des Mutterschosses der Materie kann das Christuskind eintreten in das Licht des Reiches Gottes. Wir sind an einen Wendepunkt gelangt, für den die Menschheit durch Christus vorbereitet wurde, denn als er zu Bethlehem geboren wurde, war dies nicht einfach die Geburt eines weiteren göttlichen Lehrers und Boten, sondern das Erscheinen einer Wesenheit, die in sich nicht nur die Errungenschaften der menschlichen Vergangenheit vereinigte, sondern die auch der Vorläufer der Zukunft war; denn Christus verkörperte in sich alles, was der Menschheit überhaupt zu erreichen möglich war. Das Erscheinen Christi in der Höhle zu Bethlehem war die Einführung der Möglichkeit eines neuen Zyklus geistiger Entfaltung sowohl für die Menschheit, als auch für den Einzelnen.

Schliesslich werden wir diese Entfaltungen vom Standpunkt des Einzelnen betrachten und jene Ereignisse aus dem Evangelium studieren, die das einzelne menschliche Wesen lebenswichtig angehen, das bei der Annäherung an das Ende des langen und schwierigen Weges der Evolution bereit ist, das gleiche Drama in seiner [35] eigenen Erfahrung zu erleben. Damit kommt für ihn die günstige Gelegenheit, aus dem Zustand der neuen Geburt in jenen der endgültigen Auferstehung überzugehen über den steilen Pfad nach Golgatha. In seiner innersten Natur muss der Mensch die Worte Christi verstehen lernen: «Ihr müsst wiedergeboren werden. ...» (Joh. III/7) und die bedeutsame Botschaft von Paulus ausdrücken, dass wir vom Tod zum Leben kommen müssen (I. Korinther XV/31).

Jeder von uns muss früher oder später dieses für sich selbst erproben, denn «Lebendige religiöse Erfahrung ist der einzige rechtmässige Weg zum Verständnis der Dogmen» (Pavel Florensky, zitiert in «Die Entdeckung der Wahrheit», engl., von Hermann Keyserling, S. 80). Nur wenn wir dem Beispiel jener folgen, die das Ziel erreicht haben, können wir die Bedeutung des Erreichten erkennen. Nur durch göttliches Leben kann unsere verborgene Göttlichkeit ihren wahren Ausdruck finden. Dies schliesst eine praktische Selbstanwendung ein, die ihre eigene Belohnung bringt, in die man aber zuerst blindlings eintreten muss.

Die Geschichte der Menschheit ist deshalb die Geschichte dieses individuellen Suchens nach göttlichem Ausdruck und Licht und nach dem schliesslichen Erreichen der neuen Geburt, die einen Menschen für den Dienst am Reich Gottes frei macht. Seit jeher sind Einzelne in der ganzen Welt durch diese fünf Bewusstseinserweiterungen hindurchgegangen und in das tiefere Leben eines volleren und reicheren Dienens eingetreten. Stufe für Stufe ist ihr Sinn für das Göttliche gewachsen, und ihr Gewahrwerden des göttlichen Lebens, das der Natur innewohnt, hat sie zur Erkenntnis der gleichlaufenden Wahrheit des Gottes über uns geführt. Gott im Einzelnen und Gott in Christus. Gott in allen Formen, Gott das Leben des Kosmos, und doch ein Gott, der bewusst ein Universum wie auch einen Menschen und das kleinste Atom der Substanz lenkt. Diese Erkenntnis der Göttlichkeit im Menschen hat sich allmählich und langsam entwickelt; aber an gewissen Punkten der Menschheitsgeschichte (wie in der Geschichte des Einzelmenschen) wurden kritische Momente erreicht, Krisen sind aufgetaucht und überwunden worden, und jede bestimmte Einweihung hat die Menschheit mit einem erweiterten Verstehen zurückgelassen. Heute wird sie [36] für einen solchen Übergang und für die Verlegung des Brennpunkts des menschlichen Bewusstseins in eine höhere Dimension und in ein reicheres Feld der Erfahrung vorbereitet. Die Menschheit ist bereit, eine weitere Stufe der Evolution zu betreten. Angesichts einer derart seltenen Situation und einer so beispiellosen Erfahrung braucht uns unsere gegenwärtige chaotische Verwirrung nicht zu überraschen. Wir stehen zitternd am Rand des nächsten Schrittes nach vorwärts; wir sind bereit für die nächste Einweihung. Wir stehen an dem Punkt der Erweiterung unseres Horizonts und schreiten durch ein offenes Tor in einen grösseren Raum. Alles, was geschieht, ist kein Zeichen eines Versagens, sinnloser Zerstörung und blinden Aufruhrs, es ist eher ein Prozess von zeitweiliger Zerstörung für den zukünftigen Aufbau, und es zeigt sich eine Entsprechung im menschlichen Leben zu diesen Erprobungen und Prüfungen, die stets das Los des Jüngers sind, der sich auf Einweihung vorbereitet. Das Christentum hat viele Menschen hierzu bereit gemacht. Die neue Auslegung und die nächste Offenbarung stehen unmittelbar bevor.

Die kommende Wiederbelebung der wesentlichen und inneren Natur der Menschheit mit ihrer darauffolgenden Neuorganisation der Weltangelegenheiten und des menschlichen Lebens wird bereits gespürt und von den Denkern der Menschheit erwartet, diese heben ständig die gegenwärtige günstige Möglichkeit hervor. Die Erwartung in der Menschheit nimmt grosse Ausmasse an. Ein alter mexikanischer Aphorismus sagt: «Immer im Mittelpunkt soll ein neues Wort kommen». Jede Form hat ihr positives Lebenszentrum, jeder Organismus baut sich um einen zentralen Kraftkern. Es gibt in unserem Universum ein Zentrum, von dem das WORT

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.