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Vom Intellekt zur Intuition, Seite 255 ff. (engl.)
Lehrers selbst antreibt. Anstatt bei der vorgeschriebenen Zeit von 15 Minuten zu bleiben, möchte er das Tempo der Entwicklung beschleunigen und 30 Minuten lang meditieren; anstatt sich an die Vorlage zu halten, nach der die Meditation ungefähr 15 Minuten lang dauert, versucht er die Konzentration solange als möglich und auf der höchsten Stufe zu halten und vergisst aber dabei, dass er auf dieser Trainingsstufe zuerst die Konzentration und nicht die Meditation erlernen muss. So leidet er, bekommt einen nervösen Zusammenbruch oder leidet eine Zeitlang an Schlaflosigkeit; die Schuld wird aber seinem Lehrer zugeschoben und die Wissenschaft als gefährlich angesehen. Und doch ist der Studierende während dieser ganzen Zeit selber daran schuld.

Wenn einige dieser Anfangsschwierigkeiten auftreten, sollte die Meditationsarbeit zeitweilig eingestellt oder wenigstens verlangsamt werden. Wenn der Zustand nicht ernst genug ist, um die vollständige Einstellung zu rechtfertigen, sollten aber dennoch genaue Beobachtungen angestellt werden, wohin die einströmende Energie im menschlichen Körper zu fliessen scheint. Denn Energie wird in der Meditation auf jeden Fall erschlossen, und sie wird ihren Weg zu dem einen oder anderen Teil des Körpermechanismus finden.

Bei MENTAL veranlagten oder bei solchen Menschen, denen die Konzentration des Bewusstseins im Kopfe bereits mit einiger Leichtigkeit gelingt, sind es die Gehirnzellen, die überstimuliert werden, was zu Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, einem Gefühl der Völle oder zu störender Vibration zwischen den Augen oder direkt am Scheitel führt. Manchmal tritt auch das Empfinden eines blendenden Lichtes auf, eines plötzlich aufzuckenden Blitzes oder elektrischen Lichtes, das bei geschlossenen Augen, im Dunkeln ebenso wie in der Helle wahrgenommen wird.

Wenn dies der Fall ist, sollte die Meditationszeit von fünfzehn Minuten auf fünf herabgesetzt, oder die Meditation nur jeden zweiten Tag durchgeführt werden, bis sich die Gehirnzellen dem neuen Rhythmus und der gesteigerten Stimulation angepasst haben. Wenn man sein Urteilsvermögen weise benutzt und die Ratschläge des Lehrers entsprechend befolgt, braucht man nichts zu befürchten. Sollte aber der Studierende in dieser Zeit beginnen, seine Meditation verstärkt zu betreiben oder die Zeitspanne zu verlängern, dann kann er sich ziemliche Unannehmlichkeiten zuziehen. Hier muss wieder der gesunde Menschenverstand einsetzen; bei einer täglichen, aber kürzeren Meditation sollte es bald möglich sein, die Arbeit wieder auf den normalen Stand zu bringen. Wir haben Studenten gehabt, die in der geschilderten Weise gelitten hatten, die aber jetzt täglich eine halbe oder ganze Stunde meditieren können, weil sie die vorgeschlagenen Anleitungen befolgten und ihren gesunden Menschenverstand benutzten.

EMOTIONELLE Typen empfinden Unannehmlichkeiten zuerst in der Gegend des Solar-Plexus. Der Student merkt, dass er leicht reizbar und aufgeregt wird; oft ist ihm (und besonders Frauen) nach Weinen zumute. Manchmal besteht auch Neigung zu Erbrechen, denn zwischen der emotionellen Natur und dem Magen besteht eine enge Beziehung; erwiesenermassen stellt sich bei plötzlichem Erschrecken, grosser Angst und starker Gemütswallung häufig Erbrechen ein. Hier gelten die gleichen Regeln wie für die vorher genannten Fälle: Gesunder Menschenverstand und eine sorgfältige, aber weniger oft ausgeführte Meditation.

Es soll noch eine weitere Folge von Überstimulierung erwähnt werden. Die betreffenden Menschen stellen fest, dass sie überempfindlich werden. Die Sinne arbeiten ununterbrochen, und alle ihre Reaktionen sind schärfer. Sie «nehmen» die physischen oder psychischen Zustände derer, mit denen sie zusammenleben, «an»; sie stellen fest, dass sie für die Gedanken und Launen anderer Leute «weit offen» sind. Das Heilmittel dagegen besteht nicht in der Verkürzung der Meditationszeiten - diese sollten nach Vorschrift fortgesetzt werden - sondern darin, am Leben, an der Gedankenwelt, an irgendeiner Sache, die zur Entfaltung der gedanklichen Leistungsfähigkeit beiträgt, ein grösseres mentales Interesse zu haben, um dadurch die Fähigkeit zu erlangen, im Kopfe und nicht im emotionellen Bereich zu leben. Konzentrierte, auf das Leben und seine Probleme gerichtete Aufmerksamkeit und eine ausgesprochen mentale Beschäftigung werden hier Besserung bringen. Eben aus diesem Grunde sorgen weise Lehrer der Meditation für einen gleichzeitig laufenden Lese- und Studienkurs, um dadurch die Ausgeglichenheit ihrer Studenten zu gewährleisten. Stets ist eine abgerundete Entwicklung notwendig, und geistiges Wachstum sollte von einem geschulten Denkvermögen begleitet sein.

Es gibt noch eine dritte Kategorie unerwünschter Folgen, die nicht übergangen werden sollte. Viele Meditationsstudenten klagen auch über eine ausserordentliche Reizsteigerung ihres sexuellen Lebens, die ihnen viel Unannehmlichkeiten bereitet. Solche Fälle wurden uns bekannt. Bei näherer Untersuchung stellt sich meistens heraus, dass diese Studenten eine sehr starke animalische Natur besitzen und ein aktives, ungeregeltes Sexualleben geführt haben, oder sich in Gedanken viel mit dem Geschlechtsleben befassen, auch wenn das physische Leben beherrscht geführt wird. Oft kann ein starker mentaler Sexual-Komplex festgestellt werden; Menschen, die es für unrichtig finden würden, ein normales oder perverses Geschlechtsleben zu führen, befassen sich in Gedanken mit geschlechtlichen Dingen oder sprechen darüber jederzeit, und lassen sie also eine ungebührliche Rolle in ihrem Gedankenleben spielen.

Bei manchen höchst ehrenwerten Menschen hat sich die Überzeugung festgesetzt, dass geistiges Leben stets mit Ehelosigkeit verbunden sein müsse. Wäre es nicht aber vielleicht möglich, dass das wahre Zölibat, das die alten Regeln im Sinne haben, sich auf die Einstellung oder den Standpunkt der Seele (des geistigen Menschen) zur Welt, zum Fleisch und zum Bösen - wie es die christlichen Schriften ausdrücken - bezieht? Könnte sich nicht das wahre Zölibat auf die Enthaltung von allem Bösen beziehen? Für den einen mag dies die Enthaltung von allen sexuellen Beziehungen sein, um sich selber die Beherrschung seiner animalischen Natur zu beweisen; in anderen Fällen könnte es z.B. die Enthaltung von allem Geschwätz und müssigem Gerede bedeuten. Der Ehestand ist nichts Sündhaftes, und wahrscheinlich ist er für viele, die sich sonst in Gedanken mit dem Geschlechtsleben ungebührlich befassen würden, der rechte Ausweg. Es braucht wohl kaum hinzugefügt werden, dass der wahre Student der Meditation in seinem Leben «freie» oder unrechtmässige sexuelle Beziehungen nicht dulden sollte. Der Aspirant des geistigen Lebens unterwirft sich nicht nur den Gesetzen des Geistigen Reiches, sondern passt sich auch den gesetzlich anerkannten Sitten seines Standes und Zeitalters an. Er regelt sein physisches Alltagsleben so, dass auch der Durchschnittsmensch die Sittlichkeit, Rechtschaffenheit und Korrektheit des äusseren Bildes und Auftretens anerkennt. Ein Heim, das auf einem wahren und glücklichen Verhältnis zwischen Mann und Frau, auf gegenseitigem Vertrauen, Zusammenarbeit und Verständnis beruht, und in dem die Prinzipien geistigen Lebens betont werden, ist eine der schönsten Dienstleistungen für die heutige Welt. Beziehungen, die auf physischen Reizen und der Befriedigung der Geschlechtstriebe beruhen, und deren Hauptzweck die Herabwürdigung der physischen Natur zu tierischem Verlangen ist, sind böse und verwerflich. Wenn das Ziel unserer Bestrebungen darin besteht, den in der Form wohnenden Gott überzeugend zu bekunden, dann ist eigentlich keine Bewusstseinsebene göttlicher als andere, dann kann Göttlichkeit in allen menschlichen Beziehungen zum Ausdruck kommen. Wenn verheiratete Menschen nicht Erleuchtung erlangen und das Ziel nicht erreichen können, dann stimmt da etwas nicht, und die Göttlichkeit kann sich zumindest auf einer der Ausdrucksebenen nicht offenbaren; mit anderen Worten, die vielleicht frevelhaft klingen, die uns aber die Wertlosigkeit dieser Schlussfolgerungen erkennen lassen - heisst dies: Gott hat in einem Teile seines Reiches eine Niederlage erlitten.

Es war notwendig, sich mit diesem Punkte eingehender zu befassen, weil so viele Menschen, besonders Männer, meinen, dass wenn sie zu meditieren beginnen, die animalische Natur Beachtung erfordert. Sie entdecken in sich unkontrollierte Wünsche und den Körper betreffende Auswirkungen, die ihnen akute Schwierigkeiten und Entmutigungen bereiten. Es kann jemand hohe Aspiration und einen starken inneren Drang zum geistigen Leben, und dennoch schwache Seiten in seinem Wesen haben, die noch nicht beherrscht sind. Die während der Meditation einfliessende Energie strömt durch den menschlichen Mechanismus und stimuliert den ganzen Sexualapparat. Immer wird der schwache Punkt entdeckt und stimuliert. Das Heilmittel für diese Situation kann in folgende Worte zusammengefasst werden: Kontrolle des Gedankenlebens und dessen Umwandlung. Intensive mentale Beschäftigung und ein starkes Interesse sollten in anderen Richtungen als in der des geringsten Widerstandes - Sexualität - gepflegt werden. Man sollte stets bestrebt sein, die angezapfte Energie im Kopfe festzuhalten und sie in irgendeiner schöpferischen Betätigung auswirken zu lassen. Die östliche Lehre sagt uns, dass die gewöhnlich auf die Funktion des Sexuallebens gerichtete Energie emporgehoben und in den Kopf und die Kehle - besonders in letztere - geleitet werden muss, da die Kehle, wie es heisst, das Zentrum für schöpferische Arbeit ist. In westlichen Begriffen ausgedrückt bedeutet dies, dass wir lernen sollen, die im Zeugungsprozess oder in Sexualgedanken verwendete Energie in schöpferische Abhandlungen, künstlerische Bestrebungen oder Gruppentätigkeit irgend welcher Art umzuwandeln. Die Neigung der modernen Zeit, den scharfen, zielbewussten Denker und rein mentalen Typ zu schaffen, der die Heirat vermeidet und - wie dies oft geschieht - ein ausgesprochen enthaltsames Leben führt, könnte ein Beweis für die Richtigkeit des östlichen Standpunktes sein. Diese Einstellung ist denen, welche die absinkenden Geburtenziffern studieren ein Anlass zu grosser Besorgnis. Transmutation (Umwandlung) bedeutet ganz gewiss nicht die Abtötung einer Aktivität oder das Einstellen einer Funktion auf einer Bewusstseinsebene zugunsten einer höheren Ebene. Sie bedeutet vielmehr die richtige Verwendung der verschiedenen Energieaspekte, die nach dem Empfinden des wahren Selbstes wo immer zur Förderung der Evolutionsziele und für die Mithilfe am Plan eingesetzt werden sollen. Das von der Seele erleuchtete Denkvermögen sollte der beherrschende Faktor sein, und wenn wir logisch denken, rechtschaffen leben und alle Gedanken und Energien auf die «Himmlischen Stufen» erheben, werden wir unsere Probleme durch Entwicklung eines geistigen Richtmasses, das in der jetzigen Zeit und besonders unter Aspiranten und esoterischen Studenten sehr notwendig ist, lösen können.

Vor Abschluss dieses Kapitels könnte es auch angebracht sein, auf die Gefahren hinzuweisen, denen viele Schüler ausgesetzt sind, wenn sie der Aufforderung mancher Lehrer, «Entwicklung zu machen», Folge leisten. Diesen wird dann gelehrt, über ein Energiezentrum, gewöhnlich den Solar plexus, manchmal auch über das Herz, sonderbarerweise aber niemals über den Kopf zu meditieren. Meditation über ein Zentrum basiert nun aber auf dem Gesetz, dass Energie dem Gedanken folgt und bewirkt daher die direkte Stimulierung dieses Zentrums; es zeigen sich infolgedessen die charakteristischen Merkmale, die von diesen verschiedenen Brennpunkten im menschlichen Körper hervorgerufen werden. Da die meisten Menschen hauptsächlich mit den unterhalb des Zwerchfells angehäuften Energien (den Sexual- und Gefühlsenergien) arbeiten, ist deren Stimulierung sehr gefährlich. Warum also sollen wir uns diesen Gefahren aussetzen? Warum sollen wir uns nicht durch die Erfahrungen anderer warnen lassen? Warum sollten wir nicht lernen, als geistige Menschen zu wirken, und zwar von dem Punkt aus, der von den orientalischen Schriftstellern seltsamerweise als «der Thron zwischen den Augenbrauen» beschrieben wurde und von diesem hohen Standort die Aspekte der niederen Natur zu beherrschen und das tägliche Leben im Sinne Gottes zu führen?

Sinnspruch

«Der Geist im Innern ist das lang verloren gegangene WORT,

Erfleht von der Welt der Seele in tiefem Schmerz

Mit endlos vielen Worten, die leer und nutzlos sind.

Ach, niemals werden, solange noch Schatten und Licht vermischt sind, Der Menschheit Suche nach dem WORT, und ihre Leiden enden;

Und niemals wird die Welt von ihren Wunden genesen,

Solange nicht das WORT, das Fleisch geworden, zum Seele-gewordenen WORTE wird.

Arthur Edward Waite

Schlusswort

Worin also soll das Ergebnis all unserer Anstrengungen bestehen? In persönlicher Befriedigung oder in einem Himmel voller Freude, nie endender Ruhe und Seligkeit? Gott bewahre! Das Suchen und Forschen in der Welt geht weiter; der Ruf der Menschheit steigt aus den Tiefen empor zum Throne Gottes. Vom Herzen des Tempels Gottes, wohin wir unseren Weg erkämpft und errungen haben, kehren wir um und gehen zur Arbeit auf Erden zurück. Wir lassen in unseren Bemühungen so lange nicht nach, bis auch der letzte irdische Sucher seinen Weg nach Hause gefunden hat.

Wodurch soll diese Welt aus ihrer gegenwärtigen Seelenangst, ihrem wirtschaftlichen Elend und Chaos erlöst werden? Wie soll das neue Zeitalter der Bruderschaft und des Gruppenlebens eingeleitet werden? Wer oder was will die Welt erretten? Könnte dies nicht durch das aktive Hervortreten einer Gruppe praktischer Mystiker geschehen, die durch ein Gefühl göttlicher Einigkeit miteinander verbunden in praktischer Weise auf Erden wirken und arbeiten? Sie werden sich nicht in Klöster oder an stille Plätze der Erde zurückziehen, auch

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.