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Vom Intellekt zur Intuition, Seite 110 ff. (engl.)
das wir in der Meditation benützen müssen, ist das physische Gehirn. Viele Menschen meinen, dass sie über das Gehirn hinausgelangen, irgendeine ausserordentliche Höhe erreichen und auf einem Gedankengipfel verharren müssten, bis sich etwas Übersinnliches ereignet und sie dann sagen können, sie hätten Gott erkannt. Wirklich notwendig aber ist, dass wir die Kontrolle über das Denken und die Gehirnprozesse erlangen sollten, so dass das Gehirn ein feinfühliger Empfänger der Gedanken und Wünsche der Seele, des Höheren Selbstes wird, die sie durch das Denkvermögen übermittelt. Das Denkvermögen wird als eine Art sechster Sinn und das Gehirn als Empfangsgerät betrachtet. Wir benützen die fünf Sinne bereits als Wahrnehmungswege, und diese Sinne telegraphieren dem Gehirn fortwährend Informationen. Sie überbringen dem Menschen Mitteilungen über fünf ausgedehnte Erkenntnisgebiete, also über fünf Schwingungsbereiche. Bestimmungsgemäss soll das Denkvermögen einem ähnlichen Zwecke dienen. Meister Eckehart fasst dies zusammen und vertritt den Standpunkt aller Mystiker beider Hemisphären:

«Trachte zuerst, die äusseren Sinne richtig zu kontrollieren. ... Dann wende dich den inneren Sinnen, den edlen Kräften der Seele zu, sowohl den niederen, als auch den höheren. Beginne zuerst mit den niederen Kräften. Diese liegen zwischen den höheren Kräften (oder Anlagen) und den äusseren Sinnen, und erhalten durch die letzteren Reiz-Impulse. Was das Auge sieht, was das Ohr hört, bieten sie sogleich dem Verlangen dar. Dieses wiederum bietet es im gewöhnlichen Verlauf der Dinge der zweiten Kraft, Urteilsvermögen genannt, dar, das es begutachtet und wiederum an die dritte Kraft, Einschätzung oder vernünftige Überlegung, weitergibt. ...

Der Mensch muss überdies ein freies, unbefangenes Denkvermögen besitzen. ... Der Körper sollte von körperlicher Arbeit nicht nur der Hände, sondern auch der Zunge und der fünf Sinne ausruhen. Die Seele bleibt rein am besten in der Stille und Ruhe; im abgehetzten Körper wird sie oft von Trägheit übermannt. Dann mühen wir uns in rastloser Anstrengung und streben in göttlicher Liebe nach intellektueller Vision, bis wir uns - mittels der wiedergesammelten Sinne einen Weg bahnend - über unser eigenes Denken zur herrlichen Weisheit Gottes erheben. ... Der zum Höhepunkt seines Denkens aufsteigende Mensch ist erhabener Gott». [*U31]

Durch Vermittlung des Denkvermögens als geleitetes Instrument kann die Seele die Impulse oder Gedankenströme handhaben. Diese Kräfte strömen in das Erfahrungsgebiet des Denkers und er muss lernen, sie bewusst zu leiten und mit ihnen zu arbeiten, um die gewünschten Resultate zu erzielen.

Der fünfte Faktor erinnert uns daran, dass ein gewisses Stadium evolutionärer Entwicklung erreicht sein muss, bevor wahre Meditation möglich wird; eine gewisse Arbeit muss geleistet und gewisse Verfeinerungen unseres Instrumentes müssen herbeigeführt worden sein, bevor der Mensch gefahrlos und weise meditieren kann. Nicht alle Menschen besitzen das geistige Rüstzeug, um mit Aussicht auf vollen Erfolg zu meditieren. Dies braucht aber Studierende keineswegs zu entmutigen. Ein Anfang kann immer gemacht und eine gesunde Grundlage geschaffen werden. Die Kontrolle des Mentalprozesses kann begonnen und zu hoher Vollendung geführt werden, so dass der Seele ein gebrauchsfertiger Gedankenapparat zur Verfügung steht. In zusammenfassender Weise auf die drei Abschnitte der Meditation zurückblickend, sehen wir, dass die physische oder Formnatur studiert und dass die sie belebende Qualität sowie die Motive oder Ursachen der Erscheinungsform betrachtet wurden. Auch kam es dabei zu einer immer tieferen Konzentration und einer immer intensiveren Meditation. Die Aufmerksamkeit wurde in zunehmendem Masse nach innen gewandt, und äusserliche Dinge wurden standhaft abgewiesen und zwar nicht durch eine passive Haltung, sondern im Gegenteil durch eine solche schärfsten und vitalsten Interesses. Die Meditation war in ihrer Methode positiv und führte keineswegs zu negativen oder Trance-Zuständen. Das Denkvermögen war während der ganzen Zeit fleissig tätig, jedoch nur in einer einzigen Richtung.

Schliesslich tritt einmal jenes Stadium ein, das man Gott-Seligkeit (bliss) oder Einswerdung nennt. Das Bewusstsein konzentriert sich nicht mehr im Intellekt, sondern identifiziert sich mit dem Meditationsgegenstand. Darüber wollen wir aber später sprechen.

Wir haben daher die vier Stadien im Folgenden kurz zusammengefasst; sie stellen das dar, was man unter «Meditation mit einem Saatgedanken» versteht:

1. Meditation über die Natur (das Wesen) einer besonderen Form.

2. Meditation über die Qualität einer besonderen Form.

3. Meditation über den Sinn und Zweck einer besonderen Form.

4. Meditation über das Leben, das eine besondere Form beseelt.

Alle Formen sind Symbole eines innewohnenden Lebens und eben durch Meditation mit einem Saatgedanken gelangen wir zum Lebens-Aspekt.

In der Abhandlung über kosmisches Feuer finden wir folgende Worte:

«Der weise Student betrachtet alle Ausdrucksformen gleichsam als Symbole. Ein Symbol hat drei Auslegungen; selbst ist es der Ausdruck einer Idee, hinter der wiederum ein bis jetzt unverständlicher Sinn und Zweck oder Impuls steht. Mit diesen drei Interpretationen eines Symbols wollen wir uns wie folgt befassen:

«1. Die exoterische Auslegung eines Symbols gründet sich hauptsächlich auf dessen objektive Nützlichkeit und auf die natürliche Beschaffenheit der Form. Das Exoterische (Äussere) und Körperliche jeder Form dient zweierlei Zielen:

«a) um über die Idee oder den Grundgedanken eine leise Andeutung zu geben. Dadurch wird das Symbol ... mit der Mentalebene ursächlich verbunden, jedoch von den drei Welten menschlicher Wahrnehmung nicht freigegeben;

«b) um die Idee zu beschränken, zu begrenzen und einzukerkern und sie dadurch der vom Menschen erreichten Evolutionsstufe anzupassen. Das wahre Wesen der verborgenen Idee ist stets mächtiger und vollständiger als die Form oder das Symbol, durch das sie Ausdruck sucht. Materie ist ein Symbol einer zentralen Energie. Formen jeder Art und aller Naturreiche sowie die manifestierten Hüllen in ihrer umfassendsten Bedeutung und Gesamtheit sind bloss Symbole des Lebens; was dieses Leben selbst sein mag, bleibt bis jetzt noch ein Geheimnis.

«2. Die subjektive (innere) Interpretation oder Bedeutung ist jene, welche die hinter der objektiven Erscheinungsform liegende Idee enthüllt. Diese an sich unkörperliche Idee nimmt auf der Ebene der Objektivität konkrete Form an. ... Wenn der Studierende die Meditation aufgenommen hat, werden für ihn diese Ideen ebenso sichtbar, wie die exoterische Form des Symbols für den Anfänger alles ist, was er sieht. Sobald ein Mensch seinen mentalen Apparat bewusst zu benützen beginnt und einen, wenn auch nur geringen Kontakt mit seiner Seele hergestellt hat, erfolgt dreierlei:

«a) er wächst über die Form hinaus und versucht, dafür eine Erklärung zu geben;

«b) er gelangt mit der Zeit zu der von der Form verhüllten Seele und zwar durch ein Verstehen seiner eigenen Seele;

«c) er beginnt dann, Ideen zu formulieren und jene Seelen-Energie oder -Substanz offenbar werden zu lassen, mit der er - wie er herausfindet - manipulieren kann.

«Menschen zur Arbeit mit mentaler Materie zu erziehen, heisst sie zu lehren, schöpferisch tätig zu werden; Menschen das Wesen der Seele erkennen zu lehren, bedeutet, sie mit der subjektiven (inneren) Seite der Schöpfung in bewussten Kontakt zu bringen und ihnen die Macht, mit Seelen-Energie zu arbeiten, anzuvertrauen; Menschen zur Entfaltung der Machtfülle des Seelen-Aspektes zu bringen, heisst sie mit den in allen Naturreichen verborgenen Kräften und Energien in Berührung zu bringen.

«Wenn ein Mensch seinen Seelenkontakt und seine subjektive Wahrnehmung verstärkt und entfaltet hat, kann er dann ein bewusster Schöpfer werden, der an den Evolutionsplänen und dem Plan Gottes mitarbeitet. Das Durchlaufen dieser verschiedenen Stadien erhöht seine Tüchtigkeit für eine solche Tätigkeit sowie seine Fähigkeit, bis zu dem allen Symbolen und Formen zugrundeliegenden Gedanken vorzudringen. Er fällt nicht mehr auf die äussere Erscheinung herein, sondern erkennt sie als die einen Gedanken verhüllende, einkerkernde und begrenzende illusorische Form.

«3. Die geistige Bedeutung ist das, was hinter dem subjektiven Sinn liegt und was durch den Gedanken oder die Idee verhüllt wird, so wie die Idee durch die Form verschleiert wird, die sie in der äusseren Welt annimmt. Man kann diese geistige Bedeutung als den Sinn und Zweck ansehen, der die Idee angeregt und zu ihrer Ausstrahlung in die Welt der Formen geführt hat. Sie ist die zentrale dynamische Energie, welche die subjektive Aktivität verursacht». ... [*U36]

Dieses Aufspüren der Wirklichkeit, die hinter jeder Form liegt, das ist das Resultat der Meditation mit einem Saatgedanken. Dazu gehört das Erkennen dieser drei Aspekte des göttlichen Lebens. Deshalb wird Studierenden geraten, für ihre Meditation spezielle Worte oder einen Vers aus einem heiligen Buch zu wählen, um ihre Fähigkeit zu schulen, hinter die Wortform zu kommen und dadurch die wahre Bedeutung herauszufinden.

Wir sind in die Welt der Ursachen eingedrungen; wir müssen nun versuchen, den Plan, wie er im Denken Gottes besteht und sich durch die aus dem Herzen Gottes strömende Liebe entfaltet, zu begreifen. Ist es nun menschlichem Denken möglich, weiter als bis zur Liebe und zum Willen Gottes zu gelangen? Gerade an diesem Punkt wird Göttlichkeit berührt. Das Denken hört auf zu funktionieren und der wahre Student der Meditation gleitet in einen Zustand bewusster Einswerdung mit jener geistigen Wirklichkeit, die wir den innewohnenden Christus, die göttliche Seele nennen. An diesem Punkt geht der Mensch in Gott ein.

Kapitel VI

Stadien der Meditation

(Fortsetzung)

Milarepa war einer der Grossen, der sich schliesslich vom zweifachen Schatten löste und sich in den spirituellen Raum aufschwang, bis er das grosse Ziel erreichte, worin alle Doktrinen im Eins-Sein aufgehen. ... Nachdem er alle seine Ideen und Vorstellungen mit der Ersten Ursache verschmolzen hatte, hatte er die Illusion der Dualität überwunden.

Rechung (Aus dem Tibetanischen).

Wir sind mit unserer Meditationsarbeit weitergegangen, und zwar in einem weltlichen Sinne, weil ja dabei das Denkvermögen eine Rolle spielt. Obwohl der Gegenstand des Meditationsprozesses vermutlich ein religiöser war, können die gleichen Resultate ebenso gut durch Verwendung eines rein weltlichen Themas als «Objekt» oder «Saatgedanke» erreicht werden. Die Erziehung des Denkens zu aufmerksamer Konzentration auf eine erwählte Idee bildete das Ziel. Wir haben uns daher mit dem befasst, was man richtigerweise als einen Teil des Erziehungsprozesses bezeichnen könnte.

Hier tritt die Verschiedenheit der östlichen und westlichen Methoden zutage. Die eine Schule lehrt ihre Studenten, vor allem die Herrschaft über das Denkinstrument zu erlangen, die Existenz dieses Instruments durch anfängliche Fehlschläge in dieser Kontrolle festzustellen und es dann durch Konzentration und Meditation mit Leichtigkeit dahin zu bringen, dass sich das Denken scharf und genau auf ein bestimmtes Ziel richtet. Eine andere Schule wieder stellt das Vorhandensein jenes Etwas, das Denkvermögen genannt wird, als Tatsache hin, stopft es ständig mit Informationen voll und drillt das Gedächtnis, damit der Studierende über den Erinnerungsschatz stets leicht verfügen könne. Aus diesem Stadium kommen aber nur verhältnismässig wenige heraus und zu einer wirklichen Nutzniessung des Denkvermögens, etwa durch ein tiefes Interesse an irgend einer Wissenschaft oder für eine bestimmte Lebensrichtung; die meisten erlangen niemals die Kontrolle über das Denkvermögen. Unsere heutigen Erziehungsmethoden lehren den Studenten diese einleitende Technik nicht, und daraus entsteht die weitverbreitete Begriffsverwirrung über die Natur des Denkvermögens und über den Unterschied zwischen diesem und dem Gehirn.

Wenn es ausser dem Gehirn und den Gehirnzellen nichts anderes gäbe, dann wäre der Standpunkt des materialistisch eingestellten Denkers, dass das Denken gänzlich von der Qualität der Gehirnzellen abhängt, logisch und korrekt. Ludwig Fischer's Buch «AUFBAU DER GEDANKEN» bringt die Rolle, die das Gehirn bei diesem Vorgang spielt, sehr gut zum Ausdruck.

«Die Vollkommenheit der Wahrnehmungsprozesse hängt hauptsächlich von der

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