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Die Seele und ihr Mechanismus, Seite 107 ff. (engl.)
festgestellt haben, den Besitz aller Zustände mit sich und geht darüber hinaus, da sie die vollkommene Realisierung (sadhana) und Zusammenfassung des Wesens ist; es ist ausserdem von geringer Bedeutung, ob diese Zustände tatsächlich manifestiert werden oder nicht, da sie metaphysisch nur als bleibende und unveränderliche Möglichkeiten betrachtet werden sollen. Als Herr über viele Zustände durch die einfache Wirkung des Willens, befasst [108] sich der Yogi nur mit einem und lässt die anderen ohne den belebenden Atem (Prana); wie eine Anzahl von unbenutzten Instrumenten, kann er auf dieselbe Weise mehr als eine Form beleben, wie eine einzige Lampe mehr als einen Docht versorgen kann! "Der Yogi", sagt Aniruddha, steht in direkter Beziehung mit dem ursprünglichen Prinzip des Universums und infolgedessen (in zweiter Linie) mit dem ganzen Raum, der Zeit und allen Dingen, nämlich mit der Manifestation und insbesondere mit dem menschlichen Zustand in all seinen Modifizierungen». (Guénon, R.: Man and his Becoming (Der Mensch und sein Werden), S. 238)

6. Kapitel

SIEBEN KRAFTZENTREN

Im vorhergehenden [109] Kapitel haben wir gesehen, dass der vitale oder Ätherkörper, der östlichen Lehre gemäss, aus Äther besteht und als Leiter von Prana wirkt, welches das Lebensprinzip ist und Materie mit Energie erfüllt und Form hervorbringt. Der vitale Körper verkörpert auch jenes empfindende Prinzip in der Natur, das die Seele genannt wird, oder, um es genauer auszudrücken, der vitale Körper ist der Ausdruck und Körper der Seele.

Die hauptsächliche charakteristische Eigenschaft der Seele ist Bewusstsein. Die Seele als Leben hat ihren «Sitz im Herzen», und als vernunftbegabtes spirituelles Bewusstsein «sitzt sie auf dem Thron zwischen den Augenbrauen». Guénon drückt dies folgendermassen aus:

«Dasjenige, was vom physischen Standpunkt aus im vitalen Zentrum wohnt, ist Äther; vom psychischen Gesichtspunkt ist es die "lebendige Seele", und bis hierher gehen wir nicht über das Gebiet individueller Möglichkeiten hinaus; jedoch und vor allem ist es vom metaphysischen Gesichtspunkt das hauptsächliche und uneingeschränkte "Selbst". Es ist daher wahrhaftig der "universale Geist" (Atma), der in Wahrheit Brahma selbst ist, der "oberste Herrscher"; und somit ist die Bezeichnung dieses Zentrums als Brahma-pura völlig gerechtfertigt. Aber Brahma wird, wenn er auf diese Weise als innerhalb des Menschen betrachtet wird, (und man könnte ihn auf gleiche Weise in Beziehung zu jedem Zustand des Seins betrachten), Purusha genannt, weil er in der Individualität ruht oder wohnt ... wie in einer Stadt (puri-shaya), denn [110] pura bedeutet im korrekten und buchstäblichen Sinn Stadt.» (Guénon, R.: a. a. O., S. 44, 45)

Die Lebenskraft hat sieben hauptsächliche Kontaktpunkte mit dem physischen Körper, welche die sieben Zentren genannt werden.

Diese sieben Kraftzentren übertragen die Lebenskraft und sind die Mittler der Seele. Sie erhalten die Existenz des Körpers aufrecht und rufen seine Tätigkeit hervor.

The Dreamer (Der Träumer) sagt in seinem Buch:

«Was sind also die Zentren des Menschen? Sie sind die Widerspiegelungen des einen Selbst in den entsprechenden Kernpunkten der upadhi. Wenn wir die Vorgänge der Imprägnierung von Materie durch göttliche Energie studieren, die zuweilen als Lebenswellen bezeichnet werden, werden wir sehen, wie durch die Projektion des Selbst in die äussere Objektivität, die Materie genannt wird, der Materie gewisse Qualitäten verliehen werden, die sich zu etwas entwickeln, was Tattvas genannt wird. Jedes Tattva hat eine Tanmatra oder eine Modifizierung des göttlichen Bewusstseins für sein beseeltes Leben erhalten. In jedem Tattva haben wir also das göttliche Bewusstsein als das zentrale Leben, während die Idee des Widerstandes die äussere Wand bildet.

Wir haben gesehen, dass sich das Selbst infolge seiner Manifestationsfähigkeit in den verschiedenen Upadhis widerspiegelt und künstliche Zentren in ihnen entwickelt, die sozusagen gleichzeitig sowohl den Kern der Upadhis als auch die Vertreter des Selbst auf den entsprechenden Ebenen bilden.» (The Dreamer, Studies in the Bhagavad Gita (Der Träumer, Studien in der Bhagavad Gita), S. 37, 40, 107)

Der indische Name eines Kraftzentrums ist «Chakra». Der Sitz der sieben Kraftzentren (mit ihren vollständigen indischen Namen) ist folgendermassen, vom Kopf nach [111] unten hinabgehend:

1. Kopfzentrum - Sahasrara-Chakra

2. Zentrum zwischen den Augenbrauen - Ajna-Chakra

3. Kehlzentrum - Vishuddha-Chakra

4. Herzzentrum - Anahata-Chakra

5. Sonnengeflechtszentrum - Manipura-Chakra

6. Sakrales oder Geschlechtszentrum - Svadhistana-Chakra

7. Zentrum am unteren Ende der Wirbelsäule - Muladhara-Chakra

Es sollte beachtet werden, dass sich vier Zentren oberhalb und drei unterhalb des Zwerchfells befinden.

Viel ist über die Kraftzentren oder Chakras geschrieben worden, und mehr könnte gesagt werden, aber das Folgende wird als einführende Zusammenfassung dienen.

Die Kraftzentren sind Träger pranischer Energie für jeden Körperteil und stehen in enger Beziehung zum Nervensystem in seinen drei Bereichen, nämlich dem Gehirn- und Rückenmarkssystem, dem sympathischen System und dem peripheren System.

Von den Kraftzentren wird die vitale oder pranische Energie entlang subtilen Direktionslinien verteilt. Diese Linien werden «Nadis» genannt und stehen in enger Beziehung zu den Nerven und gleichzeitig zu den Arterien; sie liegen anscheinend dem körperlichen Nervensystem zugrunde. In: Guénon, R.: Man and His Becoming, S. 136, 137, lesen wir:

«Was die Nadis oder Arterien der subtilen Form anbetrifft, so dürfen sie nicht mit den körperlichen Arterien, durch die das Blut fliesst, verwechselt werden, und physiologisch entsprechen sie mehr den Verzweigungen des Nervensystems, denn sie werden ausdrücklich [112] als leuchtend beschrieben; aber da Feuer in gewisser Hinsicht aus Hitze und Licht besteht, ist der subtile Zustand auf zwei verschiedene und einander ergänzende Weisen mit dem körperlichen Zustand verbunden - durch das Blut hinsichtlich der wärmenden Qualität, und durch das Nervensystem in bezug auf die leuchtende Eigenschaft. Es muss jedoch klar verstanden werden, dass zwischen den Nadis und den Nerven doch nur eine einfache Entsprechung und keine Identifizierung besteht, da die ersteren nicht körperlich sind, und wir uns deshalb in Wahrheit mit zwei verschiedenen Gebieten in der integrierten Individualität befassen. In ähnlicher Weise darf, wenn eine Beziehung zwischen der Funktion dieser Nadis und der Atmung bestätigt wird, weil diese zur Aufrechterhaltung des Lebens erforderlich ist und tatsächlich der wesentlichen vitalen Tätigkeit entspricht, keineswegs daraus gefolgert werden, dass sie für eine Art Kanal gehalten werden darf, in dem die Luft zirkuliert; dies würde den Begriff des "vitalen Atems" (Prana) verwirren, der genau genommen der subtilen Manifestation angehört, jedoch ein körperliches Element hat.

Es ist behauptet worden, dass die Gesamtsumme der Nadis zweiundsiebzigtausend ist; nach anderen Schriften sollten es jedoch siebenhundertundzwanzig Millionen sein; aber dieser Unterschied ist mehr scheinbar als wirklich, da diese Zahlen, wie stets in solchen Fällen, symbolisch und nicht buchstäblich verstanden werden sollten.» Rama Prasad, der das indische Wort Lotos für Chakra oder Kraftzentrum gebraucht, macht in diesem Zusammenhang eine interessante Bemerkung:

«Die Nervenbündel des modernen Anatomen decken sich mit diesen Zentren. Nach dem oben Gesagten hat es den Anschein, dass die Zentren aus Blutgefässen gebildet werden. Aber der einzige Unterschied zwischen den Nerven und den Blutgefässen ist der Unterschied zwischen den Körpern des positiven und des negativen Pranas. Die Nerven sind das positive, die Blutgefässe das [113] negative System des Körpers. Wo sich Nerven befinden, sind auch entsprechende Blutgefässe vorhanden. Beide werden ohne Unterschied Nadis genannt. Der Lotos im Herzen bildet das Zentrum des einen Systems und der tausendblättrige Lotos des Gehirns das andere. Das System der Blutgefässe ist ein genaues Abbild des Nervensystems, es ist tatsächlich nur sein Schatten. Ebenso wie das Herz, hat das Gehirn seine oberen und unteren Abteilungen, das Grosshirn und das Kleinhirn - und ebenfalls seine rechte und linke Abteilung.» (Prasad, R.: Natures Finer Forces, S. 45-46)

Die Kraftzentren befinden sich entlang der Wirbelsäule und im Kopf. Avalon sagt:

«Eine Beschreibung der Chakras erfordert in erster Linie eine Darstellung der westlichen Anatomie und Physiologie des zentralen und sympathischen Nervensystems, zweitens eine Darstellung des tantrischen Nervensystems und der Chakras; und schliesslich die Beschreibung der Wechselbeziehung der beiden Systeme von der anatomischen und physiologischen Seite aus - soweit dies möglich ist -, denn das übrige ist im allgemeinen ausgesprochen tantrischer Okkultismus.

Die tantrische Theorie hinsichtlich der Chakras und der Sahasrara befasst sich auf der physiologischen Seite ... mit dem zentralen Rückenmarkssystem, welches aus dem Gehirn, im Schädel und dem Rückenmark in der Wirbelsäule (Merudanda) besteht. Es sollte beachtet werden, dass, ebenso wie es fünf Zentren (Chakras) entlang der Wirbelsäule gibt, die nachstehend beschrieben werden, auch die Wirbelsäule selbst in fünf Teile eingeteilt wird, von der untersten angefangen; das Steissbein, das aus vier unvollkommenen Wirbeln besteht, die oft zu einem Knochen vereinigt sind, der os coccygis genannt wird; das Kreuzbein, das aus fünf Wirbeln besteht, die gemeinsam einen einzigen Knochen bilden, das os sacrum; die [114] Lumbalregion oder Lendenwirbelsäule, die aus fünf Wirbeln besteht; die Brustwirbelsäule, die aus zwölf Wirbeln besteht, und die Halswirbelsäule, die aus sieben Wirbeln besteht. Wie die Segmente zeigen, hat die Wirbelsäule in ihren verschiedenen Teilen verschiedenartige charakteristische Eigenschaften. Allgemein gesagt, entsprechen diese den Gebieten, die der sie beherrschenden Kontrolle der Muladhara-, Svadhishthana-, Manipura-, Anahata- und Vishuddhazentren oder Chakras zugeschrieben werden. (Diese Gebiete sind das Ende der Wirbelsäule, das sakrale Zentrum, das Sonnengeflechtzentrum, das Herzzentrum und das Kehlzentrum). Das zentrale System steht durch die einunddreissig Rückgrats- und zwölf Kopfnerven mit der Peripherie in Beziehung, die sowohl afferent als auch efferent oder empfindend und motorisch sind und Empfindung oder Aktivierung führen. Die letzten sechs Kopfnerven entspringen der Medulla, und die anderen sechs, mit Ausnahme des Geruchs- und Sehnervs, entspringen den Teilen des Gehirns gerade vor der Medulla. Verfasser der Yoga- und Tantralehren ziehen den Gebrauch des Ausdrucks Nadi dem des Wortes Nerven vor. Auch wird gesagt, dass sie Kopfnerven meinen, wenn sie von Shiras sprechen, und dieses Wort nie für Arterien anwenden, wie es in der medizinischen Literatur geschieht. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Nadis des Yoga nicht die gewöhnlichen körperlichen Nerven sind, sondern subtilere Bahnen, entlang denen die vitalen Kräfte fliessen. Die Rückenmarksnerven treten nach ihrem Austritt aus den Öffnungen zwischen den Wirbeln mit den Grenzsträngen des sympathischen Nervensystems, die beiderseits der Wirbelsäule liegen, in Verbindung. Nach oben verläuft das Rückenmark beim Menschen vom obersten Ende des obersten Halswirbels (Atlas) unterhalb des Kleinhirns (cerebellum) zur Medulla und schliesslich durch die Öffnung der vierten Gehirnkammer, nach unten bis zum zweiten Lendenwirbel, wo es in einem Punkt zusammentrifft, der das filum terminale genannt wird.» (Avalon, A.: The Serpent Power, S. 123-125)

Da die vorangehende [115] Anführung sich auf das tantrische System bezieht, sollte beachtet werden, dass sie sich auf ein indisches System der Energiekontrolle bezieht, das nur für Menschen von höchstem moralischen Charakter und ausgesprochener Reinheit des Lebens und Denkens gefahrlos ist. Gewisse degradierte Übungen und Schulen, die sowohl im Osten als auch im Westen vorhanden sind und die sogenannten tantrischen Übungen lehren, können nicht streng genug verurteilt werden.

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.