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Die Seele und ihr Mechanismus, Seite 100 ff. (engl.)

Der vitale Körper oder Ätherkörper ist das Ausdrucksmittel der Lebensseele, jener empfindenden, belebenden Dualität, die wir [101] Prana nennen. Diese zweifache Energie hat zwei positive Zentren im vitalen und folglich im physischen Körper - eins im Herzen, von dem behauptet wird, dass sich Gefühl und Empfindung in ihm konzentrieren, und ein weiteres im Kopf, wo der Denkaspekt und das spirituelle Bewusstsein sich ausdrücken.

Rele sagt, dass sich «das eigentliche Prana zwischen dem Kehlkopf und der Basis des Herzens befindet.»

«Mehr als der Kopf beschäftigt die Denker der Upanishads das Herz. In ihm sind die Lebenshauche gegründet; nicht nur die fünf Pranas, sondern auch Auge, Ohr, Rede, Manas entspringen aus dem Herzen. Nicht der Kopf, sondern das Herz ist der Sitz des Manas und damit auch das Zentrum des bewussten Lebens; im Herzen weilen die Organe der Seele beim Schlaf, und eben dort sammeln sie sich beim Sterben; "durch das Herz erkennt man die Gestalten", durch das Herz erkennt man den Glauben, zeugt man den Sohn, erkennt man die Wahrheit, in ihm hat auch die Rede ihren Standort, während die weitere Frage, worin das Herz seinen Standort habe, mit Entrüstung abgewiesen wird. Aber nicht die Organe allein, sondern alle Wesen haben ihren Standort und Stützpunkt im Herzen, und wenn auch die Definition des Herzens als Brahman abgelehnt wird, so ist das Herz doch der empirische Sitz der Seele und damit des Brahman: "hier, inwendig im Herzen ist ein Raum, darin liegt er, der Herr des Weltalls, der Gebieter des Weltalls, der Fürst des Weltalls"; das Herz heisst hridayam, weil "Er im Herzen" (hridi ayam, Chand. 8, 3, 3) wohnt, gross wie ein Reiskorn oder Gerstenkorn; zollhoch an Grösse wohnt der Purusha mitten im Leib, im Herzen als das Selbst der Geschöpfe.»

(Deussen, P.: Die Philosophie der Upanishads, S. 258-259)

«Dementsprechend feiern [102] zahlreiche Stellen späterer Upanishads das Brahman als "in der Höhle (des Herzens) versteckt". Die Identität des Atman in uns mit dem Atman im Weltall wird, wie durch das tat tvam asi der Chand. 6, 8-16, so auch durch das ihm wahrscheinlich nachgebildete etad vai tad, (fürwahr dieses ist das) ausgedrückt, Brih. 5, 4; dieselbe Formel findet sich Kath. 4, 3-6, 1, zwölfmal in Prosa an die Verse angehängt; in dem Bewusstsein dieses Gedankens: "dieses ist das" liegt nach Kath. 5, 14, die höchste Wonne. Wir zitieren aus diesem Zusammenhang nur Kath. 4, 12-13:

Zollhoch an Grösse weilt mitten

Im Leib hier der Purusha,

Herr des Vergangnen und Künft'gen,

Wer ihn kennt, ängstigt sich nicht mehr, -

Wahrlich, dieses ist das!

Wie Flamme ohne Rauch, zollhoch

An Grösse ist der Purusha,

Herr des Vergangnen und Künft'gen,

Er ist es heut, und morgen auch.

Wahrlich, dieses ist das!

Wie der Purusha hier einer Flamme ohne Rauch, so wird er, wohl in Nachbildung dieser Stelle, S'vet. 6, 19, einem Feuer, dessen Holz verbrannt ist, verglichen, während S'vet 5, 9 den Kontrast des Atman in uns mit dem Atman im Weltall auf die Spitze treibt:

Spalt' hundertmal des Haars Spitze

Und nimm davon ein Hundertstel,

Das denk, als Grösse der Seele,

Und sie wird zur Unendlichkeit.

Die Schilderung [103] des Atman als einer rauchlosen Flamme im Herzen hat sich in den Yoga-Upanishads zu dem Bild von der Spitzflamme im Herzen «fortentwickelt, dessen ältestes Vorkommen Mahan. 11, 6-12 sein dürfte.» (Deussen, P.: a. a. O., S. 155-156)

Die Schriften sind voller Hinweise auf die Tatsache, dass Atman, das Selbst, im Herzen zu finden ist, von wo aus es sich vermittels des Blutes als Lebensprinzip ausdrückt. Die Seelennatur oder der vernunftmässige Denkaspekt und das selbstbewusste Individuum drückt sich im Kopf aus, und von dieser Stellung aus beherrscht sie das Nervensystem:

«Es ist nun bewiesen worden, dass die höchsten Zentren ihren Sitz in der Grosshirnrinde haben, wo Kenntnis von Tätigkeit und Gefühlswahrnehmung manifestiert werden. Diese beiden Zentren empfangen, d.h. sie sind empfindungsfähig; und lenken, d.h. sie sind bewegungserzeugend und haben ihre angeschlossenen Zentren in den beiden grossen Wölbungen in jeder Hälfte des Gehirns, die Basal-Ganglien genannt werden. Sie werden als Thalamus und corpus striatum bezeichnet. Der erste unterstützt das Hauptempfindungszentrum und der zweite das Haupt-Zentrum für die Motorik in der Grosshirnrinde. Normalerweise stehen die unterstützenden motorischen Zentren mehr oder weniger unter Kontrolle des Willens. ... Der Yogi befasst sich mit den unterstützenden Nervenzentren im Thalamus. Die normale Funktion des Thalamus besteht darin, Empfindungen von allen Körperteilen zu empfangen, die ihm durch das Rückenmark übertragen werden, bevor sie das Hauptzentrum erreichen.

Da dies das höchste Reflexzentrum im Gehirn ist und alle Beeindruckungen zu ihm emporsteigen, wird es das Udanaprana genannt. Die letzte Übertragung im Rückenmark, von dem Impulse empfangen werden, erfolgt von dem Teil des Rückenmarks, das [104] die Kuppel (bulb) genannt wird, die in gleicher Höhe mit der Nasenwurzel liegt. Udanaprana soll daher den Teil des Kopfes oberhalb dieses Punktes beherrschen.

Der Yogi hält durch bewusste Kontrolle des Udanapranas alle hereinkommenden und hinausgehenden Gefühlsempfindungen zurück, und dies ist notwendig, um die Ablenkung des Denkaspektes, den er zu kontrollieren sucht, zu verhindern.» (Rele, V. G.: The Mysterious Kundalini, S. 70)

Srinivasa Iyengar macht die folgenden Feststellungen und behauptet, dass alle Gedankenrichtungen, mit Ausnahme der Schule des groben Nihilismus, sie annehmen.

1. Der Mensch ist ein Komplex von Bewusstsein, Denkaspekt und Körper.

2. Das Atma (das Selbst) ist seiner Natur nach Bewusstsein und ist unveränderlich.

3. Der Denkaspekt, obgleich ein inneres Organ, ist stofflich und unterscheidet sich vom Atman.

4. Alle Energie im Universum ist persönlich, d.h. mit Bewusstsein verbunden.

5. Diese Energie ist Prana, das die Verbindung zwischen Denkaspekt und Materie herstellt.

«Die Hindu-Philosophie betrachtet Prana und nicht Bewegung als die fundamentale Energie des Kosmos. Prana wird als Kraft verstanden, die vom Purusha (dem Aspekt des Geistes - A. A. B.) stammt oder von ihm in Gang gesetzt wird und auf die Materie einwirkt.»

«Alle tierische Energie ist Nerven-Energie, bis sie die Muskeln verlässt und auf äussere Gegenstände einwirkt. Diese Nerven-Energie wird Prana genannt. Die westliche Wissenschaft hat seit Jahrhunderten erfolglos versucht, Nerven-Energie als eine Form mechanischer Bewegung zu erklären. Die östliche Philosophie kehrt [105] den Prozess um und erklärt mechanische Bewegung als Folge von Prana oder Energie, die mit Bewusstsein versehen ist.

Prana entspricht dem Psychikon Pneuma, den Tiergeistern der griechischen Philosophie, einer Kategorie, welche die Verbindung zwischen Geist und Stoff herstellt und sie in Beziehung zueinander bringt.» (Iyengar, P. T. S.: Outlines of Indian Philosophy (Umrisse indischer Philosophie), S. 58, 59)

Avalon sagt:

«Verschiedene Leute haben im Altertum verschiedenen Teilen des Körpers den "Sitz der Seele" oder des Lebens zugeschrieben, wie dem Blut, dem Herzen und dem Atem. Im allgemeinen wurde das Gehirn nicht als ihr Sitz betrachtet. Das Vaidik-System postuliert das Herz als hauptsächliches Zentrum des Bewusstseins - ein Überbleibsel dieses Gedankens bewahren auch wir noch in solchen Phrasen wie "Nimm es dir zu Herzen". Sadhaka, das eine der fünf Funktionen der Pitta ist, und das seinen Sitz im Herzen hat, unterstützt die Leistungen der wahrnehmenden Funktionen indirekt dadurch, dass sie das rhythmische Zusammenziehen des Herzens aufrecht erhält, und es ist darauf hingewiesen worden, dass diese Ansicht der Konstruktion des Herzens indische Physiologen vielleicht dazu geneigt gemacht hat, es als Sitz der Erkenntnis anzusehen. Gemäss den Tantras sind die hauptsächlichen Bewusstseinszentren jedoch in den Chakras des Gehirn- und Rückenmarksystems und im oberen Gehirn (Sahasrara), das sie beschreiben, zu finden, obgleich das Herz ebenfalls als ein Sitz des Jivatma oder des verkörperten Geistes in seinem Aspekt als Prana erkannt wird». (Avalon, A. (John Woodroffe): The Serpent Power, S. 3)

Diese beiden Gesichtspunkte erklären wahrscheinlich das Phänomen des Menschenwesens. Mit fortschreitender Evolution mag gefunden und demonstriert werden, dass das positive Zentrum oder [106] der Kern für das Leben der materiellen Form seinen Sitz am Ende der Wirbelsäule hat, dass das positive Zentrum für das Leben des empfindenden, bewussten Menschen im Herzen ist, während das positive Zentrum für den Denkaspekt und die spirituellen Lebensprinzipien im Kopf ist.

Der ganze Plan und die Technik der orientalischen Lehre hinsichtlich der Zentren im Menschen haben die zunehmende Entfaltung des Pranas oder der Lebens-Seelenenergie im Auge. Wenn ein Mensch dies begreift, kann er (durch den Automaten des physischen Körpers) diese Seelenkräfte und spirituellen Eigenschaften demonstrieren, die das Erbe des spirituellen Menschen, der Seele, sind.

Der Zweck aller Methoden und Verfahren besteht daher darin, eine bewusste Vereinigung mit der Seele herbeizuführen und die beiden niederen Energien, diejenige des Stoffes und die der empfindenden mentalen Natur, der höchsten der drei Energien, dem spirituellen Leben, zu unterwerfen. Wenn dies zustande gebracht worden ist, belebt das spirituelle Lebensprinzip eine Seele, die keine Schranken und Begrenzungen kennt, weil sie ihren Mechanismus zum höchsten Zustand der Vollkommenheit gebracht hat. Die Materie ist zum Himmel emporgehoben worden und daher die Hindulehre, dass das Kundalinifeuer, die Energie der Materie (die zuweilen die Mutter genannt wird) schliesslich von ihrem Sitz am Ende der Wirbelsäule zum Kopf emporgehoben werden muss. Dies entspricht der römisch-katholischen Lehre von der Himmelfahrt der Jungfrau-Mutter, um dort ihren Platz an der Seite ihres Sohnes, des Christus, der Seele, einzunehmen. Dies muss bewusst [107] durch die Seele oder das Ich durchgeführt werden, das seinen Sitz im Denkaspekt und Gehirnbewusstsein hat, und von dort aus Kontrolle über die Energien des ganzen natürlichen Menschen übernimmt. Dies ist Yoga oder Vereinigung, die nicht nur eine mystische, sondern auch eine vitale oder physische Erfahrung ist. Dies ist die Einswerdung des Christen. Es ist eine Integrierung des ganzen Menschen, des physischen, empfindenden und mentalen und dann eine bewusste Vereinigung mit der universalen Seele. Rele sagt:

«Das Wort "Yoga" ist von der Wurzel "Yuga", vereinigen oder zusammenfügen, abgeleitet worden. Ebenso wie beim Zusammenschmieden zwei Stücke des gleichen Metalls durch den Prozess des Erhitzens und Hämmerns zu einem Stück vereint werden, wird auch im Yoga der indischen Philosophie der verkörperte Geist "Jivatma", der einen Teil des universalen Geistes "Paramatma" bildet, durch gewisse physische und mentale Übungen mit dem Universalgeist vereinigt.

Yoga ist die Wissenschaft, welche die Fähigkeit des menschlichen Denkaspektes steigert, um auf höhere Schwingungen zu reagieren und die unendlichen bewussten Bewegungen, die rings um uns herum im Universum vor sich gehen, wahrzunehmen, zu begreifen und zu assimilieren.» (Rele, V. G.: The Mysterious Kundalini, S. 13, 14)

Guénon fasst das Resultat dieser Vereinigung folgendermassen zusammen:

«Befreiung oder Vereinigung, was ein und dasselbe ist, bringt, wie wir bereits

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.