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Das Bewusstsein des Atoms, Seite 105 ff. (engl.)
vordringlich interessiert, und so lebt er sein intensives innerliches, vibrierendes Leben. Während sehr langer, hinter uns liegender Zeit waren wir ausserordentlich selbstsüchtig, und vielleicht sind es die meisten von uns (denn ich glaube nicht, dass viele beleidigt wären, wenn man sie als noch nicht vollkommen betrachten und sagen würde, sie hätten das Ziel noch nicht erreicht) gewiss auch heute noch. Wir sind nur verstandesmässig an den Dingen interessiert, die in der Welt vorgehen, wenn überhaupt, und nur weil unser Herz angerührt wird und wir uns nicht gern unbehaglich fühlen, oder wir zeigen nur deshalb Interesse, weil es gerade Mode ist. Und doch ist trotz dieser mentalen Einstellung unsere ganze Aufmerksamkeit im Grunde auf Dinge konzentriert, die unser eigenes individuelles [106] Leben betreffen. Wir sind im «atomaren» Stadium und leben intensiv in aktivem Zusammenhang mit unseren persönlichen Problemen. Beobachten Sie das Gedränge in den Strassen irgend einer Grossstadt und Sie werden überall die Menschen im Atom-Stadium sehen, wie sie ganz auf sich konzentriert, nur mit ihren eigenen Belangen beschäftigt und auf ihr eigenes Vergnügen aus sind, sich hauptsächlich amüsieren wollen und nur gelegentlich einmal mit Dingen beschäftigen, welche die Gruppe betreffen. Es ist dies aber ein notwendiger, schutzbringender Zustand und für jede Einheit der Menschenfamilie von wesentlichem Nutzen. Die Erkenntnis dieser Tatsache wird daher sicher dazu beitragen, dass wir mit unseren Brüdern und Schwestern Geduld haben, die uns oft so ärgerlich machen können.

Durch welche zwei Faktoren entwickeln wir uns in das Atomstadium hinein und wieder aus ihm heraus? Im Osten ist jahrhundertelang die Evolutionsmethode als eine zweifache angesehen worden. Der Mensch wurde gelehrt, dass er sich zuerst durch seine fünf Sinne entwickelt und gewahr wird, und später durch eine mit Leidenschaftslosigkeit gepaarte wachsende Unterscheidungsfähigkeit. Hier im Westen haben wir immer vor allem die fünf Sinne betont, aber nicht jene Unterscheidungsfähigkeit gelehrt, die so wesentlich ist. Beobachten Sie die Entwicklung eines Kleinkindes, dann werden Sie zum Beispiel bemerken, dass es seine fünf Sinne gewöhnlich [107] in geordneter Reihenfolge entwickelt. Zuerst entwickelt sich das Gehör, das Kind bewegt oder wendet bei Geräuschen den Kopf. Das nächste ist der Tastsinn, es beginnt mit den Händchen herumzufühlen. Als drittes scheint der Gesichtssinn zu erwachen. Das soll nicht heissen, dass ein Kind nicht sehen könnte oder blind wie ein Kätzchen geboren wird, aber es dauert oft mehrere Wochen, bis das Baby bewusst sieht und erkennend «schaut». Die Sehfähigkeit war schon immer da, nur gab es noch kein Erkennen. So ist es auch mit der gestuften Erweiterung des Bewusstseins und den Erkenntnissen die der Mensch heute noch vor sich hat. In diesen drei wichtigsten oder Hauptsinnen, Gehör, Gefühl, Gesicht, besteht eine sehr interessante Analogie und Beziehung zur dreifältigen Manifestation der Gottheit, dem Selbst, dem Nicht-Selbst und der Beziehung dazwischen. Das Selbst hört und antwortet okkult auf Schwingung, es erkennt und verwirklicht dadurch sich selbst. Es wird des Nicht-Selbst und dessen Berührbarkeit durch «berühren» (begreifen) gewahr; aber erst, wenn Sehen oder bewusstes Erkennen aufleuchtet, kommt die Beziehung zwischen den beiden zustande. Es werden noch zwei weitere Sinne vom Selbst für seine Kontakte benutzt, die des Geschmacks und des Geruchs, aber zur Entfaltung intelligenten Gewahrseins sind sie nicht so wichtig wie die anderen drei. Durch diese fünf Sinne stellen wir jeglichen Kontakt her, der auf der physischen Ebene möglich ist, durch sie lernen und wachsen wir, werden wir gewahr und entwickeln uns; durch sie werden auch alle grossen Instinkte herausgebildet; sie sind die grossen schützenden Sinne, denn sie ermöglichen nicht nur den Kontakt zu unserer Umgebung, sondern schützen uns auch vor ihr.

Nachdem [108] wir durch unsere fünf Sinne gelernt haben, zu intelligenten Einheiten zu werden und durch sie unser Bewusstsein erweitert haben, kommt es zu einer bestimmten Krise und es tritt ein neuer Faktor hinzu, die intelligente Unterscheidungskraft. Hier meine ich das Unterscheidungsvermögen, das eine ihrer selbst bewusste Einheit demonstriert. Ich meine die bewusste Wahl, die Sie und ich beweisen und anzuwenden gezwungen werden, wenn die Macht der Evolution uns zu dem Punkt treibt, wo wir lernen, zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst zu unterscheiden, zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, dem Leben in der Form und der Form, die es benutzt und zwischen dem Wissenden und dem, was gewusst wird. Hier haben wir das ganze Ziel der Evolution, das Erreichen des Bewusstseins des wirklichen Selbst durch das Medium des Nicht-Selbst.

Wir durchlaufen eine lange Periode oder einen Zyklus vieler Leben, in denen wir uns mit der Form identifizieren und so sehr eins mit dem Nicht-Selbst sind, dass wir gar keinen Unterschied erkennen, weil wir ganz mit den Dingen der Vergänglichkeit und Unbeständigkeit erfüllt sind. Diese Identifizierung mit dem Nicht-Selbst ist es, die zu all dem Leid, der Unzufriedenheit und Mühsal in der Welt führt, und doch dürfen wir nicht vergessen, dass wir durch diese Reaktion des Selbst auf das Nicht-Selbst unvermeidlich lernen und [109] uns schliesslich aus dem Unbeständigen und Unwirklichen losreissen. Dieser Zyklus der Identifikation mit dem Unwirklichen läuft parallel mit dem Stadium des individuellen Bewusstseins. Genau wie das Substanzatom den Weg in irgendeine Form finden und seinen Anteil an Vitalität dem einer grösseren Einheit hinzufügen muss, so muss auch die Evolution des Bewusstseins des Menschenatoms einen Punkt erreichen, wo es seinen Standpunkt in einem grösseren Ganzen erkennt und seine Verantwortlichkeit in der Gruppenaktivität auf sich nimmt. Das ist nun das Stadium, dem sich heute ein grosser Teil der menschlichen Familie nähert. Die Menschen erkennen wie nie zuvor den Unterschied zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, zwischen Bleibendem und Vergänglichem; durch schmerzliche und leidvolle Erfahrung erwachen sie zur Erkenntnis, dass das Nicht-Selbst nicht genügt, und so suchen sie nach aussen und im Inneren nach dem, was ihren Bedürfnissen angemessener entsprechen kann. Die Menschen suchen sich selber zu verstehen und in sich selbst das Reich Gottes zu finden; und durch mentale Wissenschaft, Neues Denken und Studium der Psychologie werden sie zu bestimmten Erkenntnissen gelangen, die sich für das Menschengeschlecht von unschätzbarem Wert erweisen werden. Das sind Anzeichen dafür, dass das Form-Stadium sich rasch nähert und dass die Menschen aus der Atom-Periode zu etwas unendlich viel besserem und grösseren weitergehen. Schon beginnt der Mensch die Schwingung jenes grösseren Lebens zu spüren, in dessen Körper er nur wie ein Atom ist und fängt an im Kleinen eine bewusste Antwort auf diesen grossen Ruf zu geben und Kanäle zu finden, durch die er dieses grössere Leben, das er fühlt, aber bis jetzt noch nicht kennt, verstehen kann. Wenn er beharrlich so weitergeht, wird er die Gruppe finden, zu der er gehört und wird dann seinen Mittelpunkt verlagern. Er wird nicht mehr durch seine eigenen kleinen Atomwände begrenzt, wird sie hinter sich lassen und seinerseits ein bewusster, aktiver, intelligenter Teil des grösseren Ganzen werden.

Und wie wird dieser Wandel zustandegebracht? Das Atomstadium wurde mittels der fünf Sinne und durch Anwendung der Unterscheidungsfähigkeit entwickelt. Das Stadium, in dem der Mensch zur Gruppenerkenntnis erwacht und bewusster Teilnehmer an den Aufgaben der Gruppe wird, kommt auf zweierlei Weise zustande: durch Meditation und durch eine Reihe von Einweihungen. Wenn [110] ich das Wort «Meditation» gebrauche, meine ich nicht, was vielleicht allgemein darunter verstanden wird, also eine negative, rezeptive Haltung oder einen Trancezustand. Es bestehen heute viele Missverständnisse darüber, was Meditation wirklich ist und es gibt eine Menge sogenannter Meditation, die mir vor kurzem tatsächlich so beschrieben wurde: «Ich schliesse die Augen und öffne den Mund, und dann warte ich, dass etwas geschieht.» Wahre Meditation erfordert intensivste Anwendung des Denkapparates, strengste Gedankenkontrolle und eine Einstellung, die weder negativ noch positiv, sondern das genaue Gleichgewicht zwischen beiden [111] ist. In den östlichen Schriften wird ein Mensch, der sich zu meditieren bemüht und dabei Ergebnisse erreicht, wie folgt beschrieben, und aus einer sorgfältigen Überlegung dieser Worte kann uns viel Hilfe und Erleuchtung zukommen: «Im Maha Yogi, dem grossen Asketen, in dem die höchste Vollkommenheit strengster Busse und abstrakter Meditation sich konzentrieren, durch welche die grenzenlosesten Kräfte erlangt, Wunder bewirkt, höchstes geistiges Wissen und schliesslich die Vereinigung mit dem grossen Geist des Universums erreicht wird.» Hier wird also diese Vereinigung mit dem Gruppenleben als Ergebnis der Meditation angesehen und es gibt in der Tat keine andere Methode, das Ziel zu erreichen.

Wahre Meditation (deren einleitende Stufen Konzentration auf eine bestimmte Gedankenrichtung und ihre Durchführung sind), wird immer für verschiedene Völker und Menschentypen verschieden sein. Der Religiöse, der Mystiker, wird seine Aufmerksamkeit auf das Leben in der Form richten, auf Gott, auf Christus, auf das, was ihm das Höchste bedeutet. Der Geschäftsmann oder jeder Fachmann, der sich den ganzen Tag eindeutig auf das konzentriert, was er zu tun hat und seine Aufmerksamkeit auf die Lösung bestimmter Probleme richtet, lernt bereits zu meditieren. Wenn er später zum mehr geistigen Aspekt der Meditation gelangt, wird er merken, dass er den schwierigsten Teil des Weges schon bewältigt hat. Ein Mensch, der ein schweres Buch liest und sich mit aller Kraft und Konzentrationsfähigkeit seines Gehirns bemüht, das durch das geschriebene Wort Gemeinte zu begreifen, meditiert sicher genau in dem Mass, in dem er zu diesem Zeitpunkt meditieren kann. Ich [112] sage Ihnen das zur Ermutigung, denn wir leben in einer Zeit, in der zahlreiche Bücher über Meditation geschrieben werden und es viele Meditationsschulen gibt. Alle verkörpern irgend einen Aspekt der Wahrheit und können auch viel Gutes bewirken, mögen aber trotzdem nicht das vermitteln, was für irgend einen Einzelnen das beste ist. Wir müssen unsere eigene Konzentrationsweise finden, unsere eigene Annäherungsmethode an das, was in uns ist, feststellen und die ganze Frage der Meditation für uns selber klären.

Hier möchte ich ein warnendes Wort aussprechen. Vermeiden Sie solche Schulen und Methoden, die Atemübungen mit Meditation koppeln, die verschiedene Körperhaltungen lehren und ihren Schülern beibringen, ihre Aufmerksamkeit auf physische Organe oder Zentren zu richten. Wer solche Methoden befolgt, begibt sich in Gefahr, denn abgesehen von den damit verbundenen körperlichen Schädigungen und dem Risiko von Irrsinn und Nervenzerrüttung, beschäftigen sie sich mit der Form, die Begrenzung bedeutet und nicht mit dem Geist, der Leben ist. Das Ziel wird auf diese Weise nicht erreicht. Für die meisten von uns muss intellektuelle Konzentration, die zu Gedankenbeherrschung führt und die Fähigkeit, klar zu denken und nur das zu denken, was wir denken wollen, der echten Meditation vorausgehen; das ist etwas, worüber die wenigsten genügend wissen. Diese Meditation, über die ich hier unmöglich ausführlicher werden kann, wird eine definitive Veränderung der Polarisierung bewirken; sie wird dem Menschen Erfahrungsbereiche öffnen, von denen er bisher nicht einmal träumt, wird ihm Kontakte offenbaren, die er bisher noch gar nicht erkennt und wird ihn befähigen, seinen Platz innerhalb der Gruppe zu finden. Er wird nicht mehr von den Wänden seines persönlichen Lebens eingeengt sein, sondern anfangen, dieses Leben in das grössere Ganze zu verschmelzen. Er wird sich nicht mehr mit den Belangen seiner selbstsüchtigen Interessen abgeben, sondern seine Aufmerksamkeit den Problemen der Gruppe zuwenden Er wird seine Zeit nicht mehr der Kultivierung seiner kleinen Identität widmen, sondern versuchen, jene grosse Identität zu verstehen, von [113] der er ein Teil ist. Das ist es in Wirklichkeit, was alle fortgeschrittenen Menschen mehr oder weniger schon tun. So wenig der Durchschnitt das auch bemerken mag, kommen grosse Denker wie Edison und andere über Meditation zu den Lösungen ihrer Probleme. Durch brütende Konzentration, durch ständige Rückerinnerung, durch unentwegtes Verfolgen der spezifischen Gedankenlinie, die ihr Interesse fesselt, erreichen sie die Resultate zapfen ihr inneres Reservoir der Inspiration und Kraft an und bringen von den höheren Stufen der Mentalebene Ideen herab, [114] die der Gruppe zugute kommen. Wenn wir selbst ein bestimmtes Ausmass an Arbeit entlang der Meditationslinie geleistet haben, wenn wir dazu die Interessen der Gruppe im Sinne behalten und nicht die persönlichen, wenn wir physisch entwickelte Körper besitzen, die stark und rein, und Emotionalkörper, die unter Kontrolle sind und nicht von Wünschen beunruhigt, wenn unsere Mentalkörper unser Instrument geworden sind und nicht mehr unser Meister, dann werden wir die wahre Bedeutung der Meditation kennen.

Hat ein Mensch durch Meditation seinen Kontakt mit der Gruppe gefunden, welche die seine ist und dadurch ständig immer gruppenbewusster wird, dann ist er auch bereit für das, was «eine Reihe von Initiationen» genannt wird. Diese Initiationen - oder Einweihungen - sind nichts weiter als Erweiterungen des Bewusstseins. Sie kommen unter Beihilfe jener zustande, die bereits das Ziel erreicht, sich also mit der Gruppe identifiziert haben und zu einem bewussten Teil des Körpers des Himmlischen Menschen geworden sind. Mit ihrem Beistand und durch ihre Hilfe wird dann ein Mensch allmählich zu der Erkenntnisstufe gelangen, welche die ihre ist.

Überall besteht jetzt ein ungewöhnliches Interesse an diesem Thema der Einweihungen, wobei aber der Zeremonienaspekt übermässig betont worden ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass jede grosse Bewusstseinsentwicklung eine Einweihung ist. Jeder Schritt vorwärts auf dem Weg des Gewahrwerdens ist eine Einweihung.

Als [115] ein Substanzatom in die Form eingebaut wurde, war das für das Atom eine Einweihung. Es wurde sich einer neuen Art von Kraft gewahr und sein Kontaktbereich wurde erweitert. Als das Bewusstsein des Pflanzen und des Tierreiches einander durchdrangen und das Leben vom niedereren Naturreich in das höhere überging, war das eine Einweihung. Als das Bewusstsein des Tieres sich in das des Menschen ausdehnte, fand wiederum eine grosse Einweihung statt. Der Übergang in alle vier Naturreiche fand jedesmal durch eine Einweihung statt und durch eine Erweiterung des Bewusstseins. Der menschlichen Familie steht nun der Übergang in das fünfte Naturreich oder das Reich des Geistes bevor, und dieser Übergang vollzieht sich ebenfalls durch eine bestimmte Einweihung wie das erkannt werden kann, wenn man sein Neues Testament intelligent zu lesen versteht; und in allen Fällen wurden diese Einweihungen durch die Hilfe jener herbeigeführt, die bereits «wissen». So kommt es, dass wir im Evolutionsschema

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.