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Esoterische Psychologie Band 2 (Sieben Strahlen II), Seite 233 ff. (engl.)

Der Zug zur Synthese ist also ein Instinkt, der dem ganzen Universum eigen ist, und dessen unmittelbare Kraftfülle der Mensch eben erst zu verspüren beginnt.

Es ist dieses göttliche Attribut im Menschen, das seinen physischen Körper zu einem unabtrennbaren Bestandteil der physischen Welt macht. Es macht ihn in seelischer Hinsicht bereit für geselliges Leben, und es macht ihn willens (nach eigener Wahl oder durch Zwang), mit seinen Mitmenschen zusammenzuleben. Eben dieses Prinzip, das sich durch das menschliche Bewusstsein auswirkt, hat unsere modernen Grossstädte entstehen lassen - Symbole einer kommenden höheren Zivilisation, die wir das Reich Gottes nennen. In diesem Gottesreich [234] werden die psychischen Beziehungen der Menschen untereinander besonders enge sein. Dieser Instinkt, eine Vereinigung zu suchen, liegt der Mystik und allen Religionen zugrunde, denn unablässig sucht der Mensch eine engere Verbindung mit Gott, und nichts kann ihn daran hindern, sich im Tempel seines Bewusstseins mit der Gottheit eins zu fühlen. Dieser Instinkt ist auch die Grundlage für sein Gefühl, unsterblich zu sein, und dieser Instinkt gibt ihm die Garantie, mit dem Gegenpol seiner Persönlichkeit, der Seele, vereint zu werden.

Da es sich um ein Attribut der Gottheit, um einen göttlichen Instinkt, und daher um einen Teil des unterbewussten Lebens von Gott Selber handelt, so ergibt sich daraus, dass, wenn wir einen transzendentalen und immanenten Gott als gegeben annehmen, wir tatsächlich keinen Grund haben, uns zu fürchten oder trüben Vorahnungen nachzuhängen. Gottes Instinkte sind stärker, vitaler und reiner als die der Menschen; sie müssen schliesslich den Sieg davontragen und zu voller Blüte kommen. Alle niederen Instinkte, mit denen der Mensch sich herumschlägt und abquält, sind nur Zerrbilder (in Zeit und Raum) der Wirklichkeit. Daher legt die okkulte Lehre besonderen Wert darauf, dass wir über das Gute, Schöne und Wahre nachdenken, weil wir dadurch unsere niederen Instinkte in höhere göttliche Qualitäten umwandeln. Gottes Instinktnatur mit ihrer Anziehungskraft, mit ihrer Fähigkeit, durch Synthese zu verbinden, zu sich heranzuziehen und mit sich zu vereinen, wirkt Hand in Hand mit den (noch unerkannten) Werdemöglichkeiten in des Menschen eigener Natur und lässt sein einstiges Einswerden mit Gott, das Einssein in seiner Lebensfülle und Absicht, zu einem unausbleiblichen und unwiderstehlichen Geschehen werden.

Diesen Instinkt oder diese Tendenz zur Synthese und Vereinheitlichung kann der Leser mit den Gesetzen des Universums und der Natur in Verbindung bringen. Er steht in enger Beziehung zu dem Gesetz der Anziehung und dem Prinzip der Kohäsion. Darüber werden später einmal viele Untersuchungen angestellt werden. Meine Lehrbücher über Okkultismus und okkulte Kräfte sollen Wegweiser sein und wie ein Leuchtfeuer den Weg zum Wissen erhellen. Sie enthalten viele Hinweise und Andeutungen, die indes von jedem Leser nach dem Grad seiner inneren Lichtstärke ausgelegt werden [235] müssen. Er soll im Lichte des Plans und der hier gegebenen Darlegungen genau studieren, was um ihn herum vorgeht. Er soll sich bemühen, den Spuren der instinktbetonten psychischen Natur der Gottheit, wie sie in dem Weltgeschehen und in seinem eigenen Leben sichtbar werden, auf eigene Faust nachzugehen; solche Spuren zeigen sich jeden Tag. Er muss sich stets vor Augen halten, dass er selbst eine psychische Natur besitzt, die ein Teil eines grösseren Ganzen ist, und dass er daher Beeindruckungen unterworfen ist, die aus göttlichen Quellen stammen. Er soll in sich das Streben nach Synthese pflegen und in seinem täglichen Leben die Worte «Ich will in meinem Bewusstsein keine separatistischen Gedanken nähren» zu seinem Leitmotiv machen.

Ein Punkt ist hier zu beachten. Dieser Instinkt, der nach Vereinigung, nach Synthese strebt (da er ja der psychischen Natur Gottes entspringt) hat mit dem physischen Sexual-Kontakt nichts zu tun; dieser wird durch andere Gesetze bestimmt und untersteht der Kontrolle des Körpers. Sagte doch H. P. B. (und zwar zu Recht), dass der physische Körper kein Entwicklungsprinzip darstellt. Diese sieben Grundzüge, die wie hier erörtern, haben einen rein psychischen oder psychologischen Charakter.

Der Mensch, der die Natur dieser zwingenden psychischen Attribute Gottes erfasst hat, sollte imstande sein, die Kraft seiner eigenen psychischen Aspiration an die Seite dieser sichtbar werdenden göttlichen Qualitäten zu stellen. Er tut dies z.B., wenn er in seinem täglichen Leben darauf hinarbeitet, mit allen Wesen eins zu werden, zum Herzen seines Bruders vorzudringen, mit dem Leben in allen Formen sich verbunden zu fühlen und alle Neigungen oder Reaktionen zurückzuweisen, die ihn von anderen absondern könnten. Er weiss ja, dass diese separatistischen Reaktionen mit der angeborenen, innewohnenden Psyche der grob- und feinstofflichen Atome zu tun haben, die seine Formnatur bilden. Diese Atome wurden mit herübergenommen, neu angeordnet und wieder in alle die Formen eingebaut, die sich in der gegenwärtigen Manifestierung Gottes vorfinden. Sie tragen aus einem früheren Universum die Samen psychischen, in der Materie ruhenden Lebens in sich. Das ist die einzige Art von «Übel», die existiert.

[236] Vieles wurde uns über die grosse Ketzerei des Separatismus, der Absonderungssucht, gesagt. Wenn ein Mensch sich dem «Streben nach Synthese» hingibt und dieser göttlichen Wirkkraft Zutritt gestattet, dann macht er diese separatistische Tendenz unwirksam, wodurch sein Verhalten entscheidend beeinflusst wird. Diese göttlichen Entwicklungs-Tendenzen sind seit dem Urbeginn der Evolution die fundamentalen, unterbewussten Antriebe gewesen. Heute kann sich die Menschheit bewusst diesen Tendenzen anpassen und dadurch das Kommen der Zeit beschleunigen, in der Wahrheit, Schönheit und Güte herrschen werden.

Die Weltjünger und die Neue Gruppe der Weltdiener sowie alle intelligenten und tätigen Aspiranten haben heute die Verantwortung und Pflicht, diese Strömungen zu erkennen, ganz besonders diesen Zug zur Vereinigung. Die derzeitige Arbeit der Hierarchie hängt ganz besonders damit zusammen, und ihre Mitglieder und wir alle müssen diese Tendenz fördern und nähren, wo immer sie anzutreffen ist. Der Versuch, Nationen zu normen und behördlich zu organisieren, ist nur eine Seite dieses Strebens nach Synthese, denn es wurde missbraucht, und es wurde aufgezwungen, ehe die Zeit reif war. Alle Bewegungen, die den nationalen- und Welt-Zusammenschluss auf ihre Fahne geschrieben haben, sind gut und richtig, doch müssen solche Schritte von intelligenten Männern und Frauen bewusst und aus freiem Willen unternommen werden, und die angewandten Methoden, die diese Vereinigung herbeiführen sollen, dürfen das Gesetz der Liebe nicht verletzen. Auch der derzeitige Zug nach religiöser Einheit ist ein Teil des schönen Ideals, das sich am Horizont zeigt. Obwohl zuerst alte Formen verschwinden müssen, (da sie Ursachen des separatistischen Geistes sind) so muss doch die innere spirituelle Synthese zur Entfaltung kommen. Ich erwähne die beiden markanten Beispiele dieses göttlichen Grundzuges, die jetzt im Bewusstsein des Menschen auftauchen, weil sie erkannt werden müssen und weil alle erwachenden Seelen auf dieses Ziel hinarbeiten sollten. Wenn Erkenntnis aufdämmert und ein Blitz des Verstehens aufleuchtet, das ist der Moment, von dem an des Menschen Verantwortung beginnt.

Wir wollen daher diesen Tendenzen in der heutigen Welt, die zeigen, dass dieser Grundzug vorhanden und aktiv ist, unsere Aufmerksamkeit widmen und ihn, wo immer wir können, fördern und vertiefen. Man wird finden, dass es eine praktische und schwere Aufgabe ist. Es wird die Kräfte eines jeden Jüngers auf die Probe stellen, wenn [237] es darum geht, dem irdischen Leben (mit seinen eigenen psychischen Gewohnheiten) ein erahntes, göttliches, psychisches Attribut aufzuerlegen. Wir sind aufgerufen, diese Arbeit zum Wohl des grösseren Ganzen in Angriff zu nehmen.

b) Die Qualität der verborgenen Vision.

Die nächste Tendenz ist besonders schwierig zu erklären. Es ist nicht einfach, die rechten Worte zu finden, um zu definieren, was damit gemeint ist. Es betrifft die Qualität der inneren Vision. Diese kann nicht ohne weiteres in Worte gekleidet werden, die der Mensch verstehen kann, und zwar deshalb, weil wir uns hier nicht auf das visionäre Bild beziehen, das der Mensch über Gott erschaut, sondern auf Gottes eigene Vision über seine eigenen Pläne und Absichten. Zu allen Zeiten haben Menschen eine Vision erlebt; sie haben sie erschaut und haben nach vielen Kämpfen und Mühen sich darin versenkt. Dann verliessen sie die Erde und gingen in die Stille des Unbekannten ein. Sowohl der Mystiker wie der Okkultist haben diese Schau bezeugt; und auch alles Schöne und Farbenprächtige in der Natur und Gedankenwelt legt dafür ein stilles Zeugnis ab. Doch was ist dieses erschaute Bild? Wie kann man es definieren? Der Mensch gibt sich nicht mehr damit zufrieden, es Gott zu nennen, und mit Recht, denn es ist letzten Endes das, worauf Gott selbst alle Seine Anstrengungen richtet.

Die Qualität und das Wesen dieser Vision, die Gottes eigenes Erschauen, Traum- und Gedankengesicht ist, hat sein Vorhaben durch Äonen von Zeiten festgehalten und alle seine Schöpfungswerke vorangetrieben. Grosse Gottessöhne kamen und gingen, und sie haben uns ermahnt, dem Licht zu folgen, die Vision der Wirklichkeit zu suchen, unsere Augen zu öffnen und die Wahrheit zu sehen, wie sie wirklich ist. In allen Zeitaltern haben Menschen danach getrachtet, diese Mahnung zu befolgen, und sie haben ihrem Suchen und Streben viele Namen gegeben - Lebenserfahrung, wissenschaftliche Erforschung, philosophische Spekulationen, Geschichte, Abenteuer, Religion, Mystik, Okkultismus und viele andere Ausdrücke, mit denen man die wagemutigen Streifzüge bezeichnet, die der menschliche Geist auf der Suche nach Wissen, nach der Wirklichkeit, nach Gott unternommen hat. Manche Sucher endeten im Irrgarten astraler Phänomene und müssen später wieder ihre Suche fortsetzen, wenn sie geläutert aus den Untiefen der [238] Grossen Illusion zurückkehren. Andere wanderten wieder zurück in die dunkle Grotte eines ausgesprochenen Materialismus und Phänomenalismus [*O1], und sie müssen ebenfalls zurückkehren und sich neu orientieren; oder sollte man lieber sagen, sie müssen den Kreis schliessen? Wer vermag zu sagen, ob Gott hier sei oder dort? Oder von welchem Punkt aus man seine Vision erschauen kann? Andere wieder verlieren sich in ihren Gedankengängen und in selbstgezüchteten Einbildungen, und die Vision bleibt hinter einem Wust von gesprochenen und geschriebenen Worten verborgen und verschleiert. Wieder andere leben in den Regionen ihrer eigenen Devotion und im Banne der eigenen Gedankenwelt; sie haben sich in verschwommene Spekulationen verloren, die aus ihrem eigenen Denken und Wünschen stammen. Sie sind an einem toten Punkt angelangt, verloren in nebelhaften Gedanken und Träumen darüber, wie die Vision sein sollte; und so entzieht sie sich ihnen.

Eine andere Gruppe - die Theologen aller Richtungen - hat versucht, die Vision mit Worten zu umreissen. Sie waren bestrebt, Gottes verborgenes Ziel und Vorhaben auf äussere Formalitäten und Riten zu reduzieren. Mit Nachdruck sagen sie: «Wir wissen». Dabei sind sie der Wirklichkeit niemals näher gekommen, und die Wahrheit ist ihnen noch unbekannt. Dass eine wahre Vision jenseits oder hinter den Schauungen des Mystikers liegt, wurde über den mit der Zeit aufgebauten Formen und Bräuchen völlig vergessen; die Symbole für die Lehren jener Gottessöhne, welche die Wirklichkeit tatsächlich gesehen haben, entschwanden dem Blick durch Riten und Zeremonien. Obwohl solche Formalitäten angebracht sind und einen Lehrwert besitzen, sollten sie jedoch nur dazu dienen, um die Wahrheit zu erschliessen, nicht aber um sie zu verdunkeln.

Die verborgene Vision steht stets vor uns und ist da. Wir können sie nicht mit Händen greifen, aber sie verfolgt uns in unseren Träumen und zeigt sich flüchtig in unseren hohen Momenten geistigen Sehens. Nur wenn sich ein Mensch als Seele betätigen und sein entwickeltes inneres Auge nach aussen in die Welt der Erscheinungen und nach innen in die Welt der Wirklichkeit richten kann, vermag er Gottes wahres Ziel und Vorhaben zu erahnen und einen kurzen, flüchtigen Blick auf jenes Seins-Urbild und jenen Arbeitsplan zu werfen, der für Gott selbst vorgezeichnet ist, dem er so willig sein eigenes Leben anpasst, und für dessen Durchführung das ewige Opfer des Kosmischen Christus unentbehrlich ist.

Mit diesen beiden göttlichen Tendenzen (zur Synthese und zur [239] Vision) ist die Hierarchie zurzeit ganz besonders beschäftigt. Ihre Losungsworte sind vereinigen und geistige Sicht. Diese Entwicklungen erbringen für die Menschheit den Zusammenschluss der Seele mit der Persönlichkeit und die Erweckung jener inneren Vision, die in des Menschen Bewusstsein einen Schimmer von der Welt der Wirklichkeit aufleuchten lässt. Es handelt sich hierbei nicht um ein Aufflammen seiner eigenen Gottnatur oder um ein Verspüren Gottes als Schöpfer, sondern um ein plötzliches Aufleuchten der Göttlichkeit, die dem ganzen Universum eigen ist, und die einen weit grösseren Plan von Evolutionen ausführt, als es die scharfsinnigsten Denker auf Erden bisher fassen oder erahnen konnten. Es betrifft jene Vision, die einem Menschen gewährt wird, wenn er Nirvana erreicht hat und die erste Stufe des endlosen Pfades betritt, der hinführt in ein Reich der Schönheit, des Verstehens und der Höherentwicklung, das bisher auch der höchsten menschlichen Einsicht unzugänglich blieb.

Wir wollen hier darauf hinweisen, dass jenseits der Erleuchtung, die von einem Menschen erlangt werden kann, eine weitere Stufe liegt, die wir die Entfaltung göttlicher Ein-Sicht nennen könnten. Es ergeben sich somit die folgenden Entfaltungen und möglichen Entwicklungsstufen, von denen jede eine Bewusstseinserweiterung darstellt. Jede Stufe gewährt dem Menschen einen näheren und deutlicheren Zugang zum Herzen und Denken Gottes.

Instinkt

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.