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Erziehung im Neuen Zeitalter, Seite 100 ff. (engl.)
Einheitlichkeit auf, obgleich sie von Vertretern [100] grundverschiedener Arten des Weltidealismus vorgebracht werden. Wenn wir diese Ideen recht verstehen und ihnen eine feste Grundlage schaffen wollen, dann dürfte es wertvoll sein, einige dieser universellen Einstellungen zu besprechen und zu überlegen, was sie im Licht der heutigen Weltprobleme andeuten, und welches Bild sie von der kommenden Welt erkennen lassen.

Der Gesichtspunkt des Staatsbürgertums

Bei den Bürgern der meisten Nationen verstärkt sich immer mehr die Empfindung oder Ansicht, dass es die Hauptaufgabe der Erziehungssysteme sei, aus dem Kind einen guten Staatsbürger zu machen. Sie wollen damit sagen, dass es Aufgabe des Staates und der Steuerzahler sei, das Kind so zu schulen, dass es zu einem mitarbeitenden, intelligenten Teil des organisierten Ganzen wird, das wir eine Nation nennen, dass der junge Mensch so zur Zucht und Ordnung angehalten wird, dass er seinen Platz darin einnehmen und seine Aufgabe dem Staat gegenüber erfüllen und somit sozial wertvoll sein kann; er soll eine individuelle Rolle spielen, aber zugleich auch die Aufgaben seiner Gruppe erfüllen, im Leben der Gemeinschaft, in die er hineingeboren wurde und in der er sich notwendigerweise ständig aufhalten und erhalten muss; es soll ihm beigebracht werden, dass sein Leben als Einzelmensch und seine individuellen Interessen weniger bedeuten als das Gemeinschaftsleben, und dass ihm als erste und vornehmste Lehre einzuprägen ist, dass er eine Einheit in einer gut funktionierenden Gruppe ähnlicher Einheiten ist, von denen man erwartet, dass jeder seinen Anteil zum Wohl des Ganzen beiträgt.

Der erste Keim dieser Idee wurde (so merkwürdig es auch scheinen mag) schon vor Tausenden von Jahren gepflanzt, als die allererste Schule ins Leben gerufen wurde. Die damaligen Schulen waren zuerst sehr klein und bildeten nur einige wenige Auserwählte aus, doch führten sie langsam aber beständig (zumeist durch die Religionsgemeinschaften) zur Erziehung der breiten Massen und zum Schulzwang, der in den modernen Staatsschulen besteht, deren Hauptaufgabe es ist, Millionen und Abermillionen von jungen Leuten in der Welt auf ein intelligentes, aber zweckbestimmtes Staatsbürgertum vorzubereiten.

Heute sind die breiten Massen aller sogenannten «aufgeklärten» Nationen dem Schulzwang unterworfen; die Kinder [101] dieser Nationen lernen lesen, schreiben und die Grundzüge der Rechenkunst. Dabei sollen sie sich auch - durch den Unterricht in Geographie, Geschichte und Wirtschaftskunde - allgemeine Vorstellungen über die Zustände in der Welt aneignen, und man erwartet von ihnen, dass sie in objektiver und natürlicher Weise verstehen, wie und weshalb die verschiedenen Nationen zu ihrem heutigen Platz in der Welt gelangt sind und wo dieser Platz ist, so dass sie ein allgemeines Gesamtbild über unsere Mutter Erde besitzen. Die ständigen Grenzänderungen in diesem Bild entwickeln heute in den Kindern eine gedankliche Elastizität, was in mehrfacher Hinsicht von günstiger Wirkung ist.

Bis jetzt wurden zwei Gesichtspunkte betont, um einen Bürger heranzubilden. Das Ziel der Erziehung bestand darin, den jungen Menschen so auszurüsten, dass er als Erwachsener in der raubgierigen, modernen Welt für sich selber sorgen und seinen Lebensunterhalt verdienen kann, dass er möglichst reich wird und somit von seinen Angehörigen nicht abhängig ist. Bei all dieser Schulung wurde der Standpunkt des einzelnen betont, und alles war nur darauf eingestellt, was er tun würde, wie er leben würde und was er aus dem Leben herausholen und daraus machen könnte.

Dort, wo der Einfluss der Religion ausschlaggebend war (also in Kirchenschulen aller Art) wurde ihm gelehrt, dass er bestrebt sein müsse, «gut» zu sein. Falls ihm das gelänge, so lautete der eigennützige Ansporn, würde er schliesslich in den Himmel kommen und in eitel Glückseligkeit leben. Man war bestrebt, ihm diese Ideen beizubringen, ihn durch wohlorganisierten Druck in die gewünschte, vorbildliche Form zu pressen, ihm die nötige Menge oberflächlichen Wissens über die Menschheit und menschlichen Errungenschaften einzutrichtern und seine Fähigkeit zu entwickeln, geschichtliche, wissenschaftliche, religiöse und andere Tatsachen auswendig zu lernen, auch wenn seine Denkfähigkeit ganz unentwickelt blieb; dann wurde er auf die Welt und auf die ihm vom Schicksal bestimmte Gemeinde losgelassen, wo er sich zu behaupten und durchzusetzen hatte.

Mir ist natürlich klar, dass das oben Gesagte eine [102] starke Verallgemeinerung ist. Nicht enthalten sind darin die angeborenen und inneren Fähigkeiten des Kindes, der von ihm erreichte Punkt der Seelenentwicklung und die Anerkennung der Gaben, mit denen es als Resultat früherer Lebenserfahrung ins Leben tritt. Nicht berücksichtigt ist auch der Einfluss der vielen gewissenhaften, geistig eingestellten und hochentwickelten Lehrer, die zu allen Zeiten junge Menschen richtunggebend beeinflusst, belehrt, gelenkt und ihnen den Weg zu besseren Dingen gewiesen haben. Ich spreche hier nur von dem Anstalts-Aspekt der Erziehungssysteme und von dessen erwiesener Wirkung auf die jungen Leute jeder Nation, welche diesen Systemen ausgesetzt wurden. Die Endziele, die dem Anstaltslehrer vorschwebten, waren eng und beschränkt, und die Endergebnisse seiner Lehre und Arbeit waren selbstsüchtige, materialistisch eingestellte Menschen, deren Ziel und Lebenszweck die Besserung ihrer materiellen Existenz war. Das wurde noch besonders begünstigt, wenn persönlicher Ehrgeiz vorhanden war, der den Zögling dazu verleitete, sich willig ein solch enges, selbstsüchtiges Lebensziel zu eigen zu machen. Durch das Gewicht des Materialismus, der die weltzugewandten Erziehungsmethoden kennzeichnet, durch die Selbstsucht der weltumspannenden Geschäftsinteressen, und bei ständiger Betonung der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, wurde der natürliche Idealismus des Kindes (und welches Kind ist nicht ein geborener Idealist?) langsam aber sicher erstickt.

Ganz allmählich ist aber eine Veränderung in dieser unheilvollen Lage der Dinge (die ihren Höhepunkt zu Anfang dieses Jahrhunderts erreichte) eingetreten, so dass heute in vielen Ländern das Wohlergehen des Staates selber, das Wohl des Reiches und die Bedürfnisse des Volkes dem jungen Menschen von frühester Kindheit an als höchstes Ideal vorgehalten werden. Dem jungen Menschen wird gelehrt, dass er dem Staat, dem Reich oder dem Volk mit seinen besten Gaben dienen muss; es wird seinem Bewusstsein scharf eingeprägt, dass sein persönliches Leben dem grösseren Leben des Staates oder Volkes unterzuordnen ist, und dass es seine Pflicht ist, die Anforderungen seines Volkes zu erfüllen, ja ihm sogar sein [103] Leben zu opfern. Es wird ihm gelehrt, dass er in Zeiten dringender Not als Einzelmensch nichts bedeutet, sondern dass allein die grössere Gemeinschaft, der er als winziger Teil angehört, von Wichtigkeit ist. Das ist ein deutlicher Schritt vorwärts in der Bewusstseins-Erweiterung, die der Menschheit zum Ziel gesetzt ist.

Ich möchte euch hier wieder an das Ziel aller göttlichen und hierarchischen Bestrebungen erinnern: die Erweiterung des Bewusstseins und das Erzeugen einer verstärkten Empfänglichkeit und eines intuitiven Gewahrseins. Das Ziel ist nicht eine Verbesserung der materiellen Bedingungen. Diese werden sich automatisch verbessern, wenn der Sinn des Gewahrseins sich ständig weiter entfaltet. Die Zukunft der Menschheit ist durch das geistige Streben der Menschen bedingt, und durch ihre Fähigkeit, dem Idealismus Gehör zu geben, der heute die ganze Welt durchflutet.

Zurzeit wird aber auch noch ein weiterer Schritt unternommen. Überall und in jedem Land wird den jungen Menschen schon frühzeitig gelehrt, dass sie nicht nur Individuen, nicht nur Glieder eines Staatskörpers, Reiches oder Volkes sind, und nicht nur Leute mit einer persönlichen Zukunft, sondern dass man von ihnen erwartet, sie als die Vertreter einer bestimmten grossen Gruppen-Ideologie zu sehen: der Demokratie, der Lehre vom totalen Staat oder des Kommunismus. Diese Ideologien sind letzten Endes Träume oder Visionen, die Gestalt annehmen. Für diese - so wird den modernen jungen Leuten gelehrt - müssen sie arbeiten und streben und, wenn nötig, auch kämpfen. Es wird somit klar, dass hinter all dem äusseren Chaos, der heute überall im menschlichen Bewusstsein vorherrschenden Unruhe und Verwirrung, und hinter all der Furcht und dem Argwohn, dem Hass und den Sonderbestrebungen, die Menschen beginnen, drei Bewusstseins-Stadien in sich zu verbinden: das Bewusstsein des Individuums, des Bürgers und des Idealisten. Die Fähigkeit dies zu erreichen und alle drei Stadien gleichzeitig zu manifestieren, reicht jetzt in jene Schichten menschlichen Lebens hinunter, die wir die «untergeordneten Klassen» nennen.

All dies ist durchaus gut und gehört zum vorbestimmten Plan. Ob es sich nun um das demokratische Ideal, um die Vision des totalen Staates oder um den Traum eines kommunistischen Enthusiasten [104] handelt, die Wirkung auf das Bewusstsein der Menschheit als Ganzes ist entschieden gut. Des Menschen Gefühl weltweiter Bewusstheit ist entschieden im Wachsen begriffen, seine Fähigkeit, sich selbst als Teil des Ganzen zu betrachten, entwickelt sich schnell, und all diese Stadien sind wünschenswert und richtig und sind im göttlichen Plan enthalten.

Es ist aber natürlich auch wahr, dass dieser Entwicklungsgang durch höchst unerwünschte Methoden und Beweggründe vereitelt und gehemmt wird, doch pflegen die Menschen leider das Schöne zu verderben; sie haben ja die hochentwickelte Fähigkeit, egoistisch und materialistisch zu sein. Da das Denkvermögen der Menschen im allgemeinen noch ungeschult und unentwickelt ist, so haben sie nur wenig Unterscheidungskraft und kaum die Fähigkeit, den Unterschied zwischen Altem und Neuem, oder zwischen dem Richtigen und dem noch Richtigeren zu erfassen. Da sie im Elternhaus und in den heutigen Schulen in einer selbstsüchtigen und materialistischen Lebensanschauung geschult worden sind, so laufen ihre Gedanken normalerweise in diese unerwünschte Richtung.

In dem jetzt zu Ende gehenden Fische-Zeitalter sind die jungen Leute in allen Ländern unter dem Einfluss dreier Grundideen grossgezogen worden. Der Inbegriff dieser Ideen kommt etwa in den drei folgenden Fragen zum Ausdruck:

1. Welchen Beruf soll ich wählen, damit ich so viel materiellen Besitz haben kann, wie es meine Lebensstellung und meine Bedürfnisse gestatten?

2. Welche Leute, zu denen ich aufschaue und die ich ehren muss, stehen über mir in der sozialen Rangordnung, und welche sind unter mir? Inwieweit wird es mir möglich sein, auf der sozialen Leiter emporzusteigen und meine Lage zu verbessern?

3. Von Kindheit an ist mir gelehrt worden, dass es meine natürliche Neigung ist, Schlechtes zu tun, ungezogen zu sein, oder (falls es sich um engreligiöse Kreise handelt), dass ich ein armseliger Sünder und künftiger Glückseligkeit unwürdig bin. Wie kann ich den üblen Folgen meiner natürlichen Neigungen entfliehen?

Die Folge [105] dieser Einstellung ist, dass im Menschengeschlecht ein tiefverwurzeltes Gefühl materiellen und gesellschaftlichen Ehrgeizes grossgezogen wird, ebenso ein Minderwertigkeitskomplex, der notwendigerweise in irgendeiner Form persönlicher Auflehnung, rassischer Explosionen oder - beim Einzelmenschen - in einer ausschliesslich egozentrischen Lebensauffassung durchbricht. Die Menschheit muss endlich einmal von solchen verkehrten Tendenzen und rückschrittlichen Ideen freikommen. Gerade diese Erkenntnis hat bei einigen Völkern die Überbetonung des nationalen und rassischen Wohles und des Staatswesens hervorgerufen. Das führte zur Unterminierung der hierarchischen sozialen Rangordnung. Diese Rangordnung nach hierarchischem Aufbau ist eine grundlegende und ewige Wirklichkeit, doch ist diese Grundidee so verzerrt und so missbraucht worden, dass die Menschen sich dagegen aufgelehnt haben; infolgedessen entstand ein fast abnormer Drang nach Freiheit, und eine Zügellosigkeit, die unerwünschte Ausmasse anzunehmen droht.

Das weitverbreitete Verlangen der heutigen Jugend (in gewissen Ländern) nach Vergnügen und Zerstreuung, ihre Unverantwortlichkeit und ihre ablehnende Einstellung den wahren Lebenswerten gegenüber, - das alles sind Anzeichen dieser Tendenz. Am schlimmsten ist es in den demokratischen Ländern. In den totalitären Staaten wird das nicht im gleichen Ausmass gestattet, da die Jugend in diesen Ländern gezwungen wird, Verantwortlichkeiten auf sich zu nehmen und sich in den Dienst eines grösseren Ganzen zu stellen, nicht aber einem Leben materieller Berufe sich hinzugeben und die schönen Jahre mit dem zu vergeuden, was ihr landläufig «to have a good time» (sich ausleben) nennt. Eine solche «schöne Zeit» geht meistens auf Kosten anderer, und diese Vergnügungssucht zeigt sich gerade in den Bildungsjahren, die unwiderruflich die Zukunft des jungen Menschen beeinflussen und bestimmen.

Ich spreche hier nicht politisch oder als Verteidiger eines Regierungssystems. Erzwungene Tätigkeit und dann erzwungene Verantwortlichkeit drückt die Masse der so Beeinflussten auf die Stufe der frühen Kindheit herab; die Menschheit aber sollte jetzt ihre Reife erlangen und mit wachsendem Verständnis für die wahren Werte des Lebens willens sein, Verantwortung auf sich zu nehmen. Das Gefühl der Verantwortung ist eines der ersten Anzeichen dafür, dass [106] die individuelle Seele erwacht ist. Die Menschheitsseele erwacht zurzeit «en masse», deshalb finden wir die folgenden Merkmale:

1. Überall entstehen oder wachsen Gesellschaften, Organisationen und Massenbewegungen zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen.

2. Das Interesse der breiten Massen an der allgemeinen Wohlfahrt nimmt zu.

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.