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Erziehung im Neuen Zeitalter, Seite 81 ff. (engl.) |
4. das Vermögen, mit ursächlichen Beziehungen weise umzugehen, und Verantwortung zu erkennen und auf sich zu nehmen; 5. die Fähigkeit, das Denkvermögen in zweierlei Weisen zu benutzen: a. als «gesunden Menschenverstand» («common sense» in der alten Bedeutung), der die von den fünf Sinnen übermittelten Informationen analysiert und zusammenfügt; b. als Scheinwerfer, der in die Welt der Ideen und abstrakten Wahrheiten eindringt. Kenntnisse kommen aus zwei Richtungen. Sie stammen sowohl aus der intelligenten Benutzung der fünf Sinne als auch aus dem Bestreben, Ideen aufzugreifen und zu verstehen. Beide werden durch Wissensgier und Forschung verstärkt. Die Erziehung [82] sollte von dreierlei Art sein und alle drei Arten sind nötig, um die Menschheit auf eine erforderliche Entwicklungsstufe zu bringen. Erstens ist sie ein Verfahren, um sich - vergangene und gegenwärtige - Tatsachen anzueignen und dann zu lernen, aus der Masse dieser allmählich erworbenen Kenntnisse das abzuleiten und herauszunehmen, was in einer gegebenen Situation von praktischem Nutzen sein kann. Dieses Verfahren bedingt die Grundlagen unseres jetzigen Erziehungssystems. Zweitens ist sie ein Verfahren, Weisheit als einen Ausfluss des Wissens zu erwerben und verständnisvoll den Sinn zu erfassen, der hinter den äusseren gegebenen Tatsachen verborgen liegt. Sie schafft die Fähigkeit, Wissen in einer solchen Weise anzuwenden, dass vernünftiges Leben und ein verständnisvoller Gesichtspunkt wie auch ein intelligentes Wesen und Benehmen die natürlichen Folgen sind. Dies schliesst auch die Schulung für besondere Berufe und Arbeiten ein, und zwar aufgrund angeborener Neigungen, Talente oder genialer Begabung. Drittens ist sie ein Vorgang, durch den Einheit oder ein Sinn für Synthese kultiviert wird. Man wird die jungen Leute in Zukunft lehren, an sich nur in bezug auf die Gruppe zu denken - in Beziehung zur Familie und zur Nation, in die sie das Schicksal gestellt hat. Man wird sie aber auch lehren, in Beziehung zur ganzen Welt zu denken - an ihr Volk in Beziehung zu anderen Völkern. Das ist auch Schulung zum Bürgertum, zur Elternschaft und zu rechtem Weltverstehen; sie ist grundlegend psychologischer Art und sollte ein Verständnis für die Menschheit vermitteln. Wenn diese Art Schulung geboten wird, werden wir Männer und Frauen grossziehen, die zivilisiert und kultiviert sind, die auch die Fähigkeiten besitzen werden, (im Lauf der Lebensentfaltung) in die Welt der Bedeutung einzudringen, die hinter der äusseren Phänomenalwelt liegt, und die beginnen werden, menschliche Ereignisse vom Standpunkt geistiger und universeller Werte aus zu betrachten. Fortschreitende Erziehung sollte die Jugend lehren, von Ursachen auf deren Wirkung zu schliessen, die Ursache oder den Grund zu erkennen, warum gewisse Handlungen unausbleiblich gewisse Resultate hervorbringen müssen und weshalb (mit einer gewissen emotionellen und mentalen Ausrüstung sowie aufgrund einer psychologischen Beurteilung) gewisse Lebensrichtungen [83] festgestellt werden können, und weshalb gewisse Berufe und Lebenslaufbahnen den rechten Rahmen für die Entwicklung und ein nützliches Feld der Erfahrung bieten. Diesbezügliche Versuche sind bereits von einigen höheren Bildungsanstalten und Schulen unternommen worden in dem Bestreben, die psychologischen Eignungen eines Knaben oder Mädchens für gewisse Berufe zu ermitteln, doch sind alle diese Versuche noch sehr stümperhaft. Falls man aber in mehr wissenschaftlicher Weise an diese Frage herangehen würde, so böten sich hier neue Möglichkeiten zur Schulung in den Wissenschaften; Geschichte, Biographie und Gelehrsamkeit erhielten eine neue Bedeutung und einen tieferen Sinn, und das blosse Eintrichtern von Tatsachen und die primitive Gedächtnisschulung, die für die bisherigen Methoden so charakteristisch sind, würden vermieden werden. Die neue Erziehung wird beim Kind sorgfältig in Betracht ziehen: seine ererbten Eigenschaften, seine gesellschaftliche Stellung und nationale Eigenart, seine Umgebung und seine mentale und emotionelle Ausstattung; man wird auch trachten, dem Kind die ganze Welt des Strebens zu eröffnen, indem man ihm verständlich macht, dass scheinbare Hindernisse beim Fortschritt nur ein Ansporn zu erneuter Anstrengung sind; solcherart wird man bestrebt sein, es aus den begrenzten Umständen «herauszuführen» (die wahre Bedeutung des Wortes «Erziehung») und es darin zu schulen, im Sinn und vom Standpunkt aufbauenden Weltbürgertums zu denken. Wachstum und immer grösser werdendes Wachstum werden betont werden. Der Erzieher der Zukunft wird an das Jugendproblem vom Gesichtswinkel des instinktiven Reagierens der Kinder, ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit und ihren intuitiven Werdemöglichkeiten aus herantreten. In frühester Kindheit und in den untersten Schulklassen wird die Entwicklung des richtigen instinktiven Reagierens überwacht und kultiviert werden; in den oberen Klassen - was den höheren oder Sekundärschulen entspricht - wird die intellektuelle Entfaltung und die Gedankenkontrolle betont werden, während auf den Hochschulen und Universitäten die Entfaltung der Intuition, die Wichtigkeit von Idealen und Ideen, und die Entwicklung des abstrakten Denkens und Erfassens gefördert werden wird; für diese letzte Phase wird die vorhergehende intellektuelle Schulung eine sehr gute Grundlage sein. Diese drei Faktoren - Instinkt, Intellekt und Intuition - bilden die Leitmotive für die drei Lehrstufen, die jeder junge Mensch durchlaufen [84] wird und die heute schon von vielen Tausenden absolviert werden. In Zukunft wird die Erziehung in viel grösserem Ausmass von der Psychologie Gebrauch machen als bisher. Eine dahin zielende Tendenz ist bereits ganz deutlich zu erkennen. Die physische, ätherische, emotionelle und mentale Natur des Knaben oder Mädchens wird sorgsam untersucht werden, und seine zusammenhanglosen Lebensziele werden in die richtigen Bahnen gelenkt werden; der junge Mensch wird gelehrt werden, sich als jemand zu erkennen, der handelt, fühlt und denkt. Auf diese Weise wird die Verantwortung des zentralen «Ich's» oder des Bewohners des Körpers ins rechte Licht gerückt werden. Dies wird die jetzt herrschende Einstellung der Jugend zur Umwelt grundsätzlich ändern und vom frühesten Kindesalter an das Anerkennen der zu erfüllenden Pflichten und der zu übernehmenden Verantwortung fördern; daraus wird auch die Erkenntnis erwachsen, dass Erziehung im Grunde nichts anderes als eine Vorbereitung für diese nützliche und interessante Zukunft ist. Daher wird es immer klarer, dass die kommende Erziehung in einem neuen und erweiterten Sinn als die Wissenschaft der rechten menschlichen Beziehungen und der sozialen Ordnung (oder Struktur) definiert werden kann. Dies gibt jedem Unterricht einen relativ neuen Sinn und Inhalt, besagt aber trotzdem, dass bisher Gebotenes nicht ausgeschlossen zu werden braucht; es wird eine bessere Motivierung erkennbar, und eine nationalistische, eigennützige Darstellung des Lehrstoffes wird vermieden. Wenn z.B. Geschichte auf der Grundlage der sie beeinflussenden Ideale, die dem Fortschritt der Menschheit dienten, dargestellt wird, und nicht auf der Grundlage von Angriffskriegen und internationalen oder nationalen Raubzügen, dann wird sich die Erziehung naturgemäss mit der rechten Erkenntnis und Benutzung von Ideen, mit deren Umwandlung in brauchbare Ideale und ihrer Anwendung als Wille zum Guten, Wille zum Wahren und Wille zum Schönen befassen. Auf diese Weise wird dann die so notwendige Hinderung in den Zielen der Menschheit, ein Abbiegen von unserem jetzigen Kurs der Konkurrenz und des Materialismus auf jene erstrebenswerte Bahn erfolgen, auf der in vollkommener Weise die goldene Regel Ausdruck findet; so werden rechte Beziehungen zwischen den Einzelmenschen, Gruppen, Parteien und Völkern in der ganzen internationalen Welt geschaffen werden. Immer mehr sollte die Erziehung sich mit den Ganzheiten des [85] Lebens neben den Einzelheiten des täglichen individuellen Daseins befassen. Das Kind als Einzelmensch wird entwickelt und ausgerüstet, geschult und richtunggebend beeinflusst werden, um ihm dann seine Verantwortung gegenüber dem Ganzen und das Wertvolle seiner Mitwirkung klarzumachen - das, was er der Gruppe bieten kann und muss. Es sollte kaum nötig sein zu sagen, dass die Erziehung sich notwendigerweise mit der Entwicklung der Urteilskraft des Kindes, und nicht in erster Linie - wie es heute zumeist geschieht - mit der Gedächtnisschulung und dem gedankenlosen Einprägen von Tatsachen und Jahreszahlen und von unzusammenhängenden und schlecht verdauten Einzelheiten befassen sollte. Die Geschichte des Wachstums der menschlichen Wahrnehmungskräfte unter verschiedenen nationalen und rassischen Bedingungen ist von grösstem Interesse. Die hervorragenden Persönlichkeiten der Geschichte und der Literatur, der Kunst und der Religion sind selbstverständlich zu studieren, und zwar vom Standpunkt ihres Strebens und ihres guten oder schlechten Einflusses auf die Zeitspanne ihres Wirkens; die Qualität und Zielsetzung ihrer Führung sind dabei in Betracht zu ziehen. Auf diese Weise wird das Kind eine grosse Menge von Geschichtskenntnissen, schöpferischer Tätigkeit, Idealismus und Philosophie nicht nur mit grösster Leichtigkeit, sondern auch mit einer Dauerwirkung auf seinen Charakter in sich aufnehmen können. Die Aufmerksamkeit des Zöglings wird auf die stetigen menschlichen Bemühungen und die dadurch erzeugten Wirkungen auf eine Zivilisation mit uralten Traditionen, auf gute und böse Ereignisse und auf den Zusammenhang der wechselnden Kulturaspekte der Zivilisation gelenkt werden, und die trockenen Tatsachen, Jahreszahlen und Namen werden in Vergessenheit geraten. Alle Zweige menschlichen Wissens können auf diese Weise lebendig werden und eine neue Höhe aufbauender Nützlichkeit erreichen. Es ist schon eine ausgesprochene Neigung in dieser Richtung vorhanden, und das ist gut und richtig. Man wird immer mehr erkennen, dass die Vergangenheit der Menschheit die Grundlage der heutigen Ereignisse und die Gegenwart der entscheidende Faktor für die Zukunft ist; auf diese Weise werden grosse und notwendige Veränderungen in der Menschheitspsychologie zustandekommen. Man sollte in der neuen Ära auch der schöpferischen Befähigung des Menschen mehr Aufmerksamkeit schenken; das Kind wird zu eigenem Streben und Mühen, das seinem Temperament und seinen [86] Fähigkeiten entspricht, angespornt, und dadurch angeregt werden, nach bestem Vermögen zur Schönheit in der Welt beizutragen und rechte Gedanken dem Gesamtinhalt menschlichen Denkens hinzuzufügen; es wird zur Forschung ermutigt werden, und die Welt der Wissenschaft wird sich ihm erschliessen. Und hinter all diesen Impulsen werden die Beweggründe des guten Willens und der rechten menschlichen Beziehung stehen. Schliesslich sollte die Erziehung aber auch die Hypothese von der lebenden Seele im Menschen darlegen und sie als den inneren Faktor aufzeigen, der das Gute, Wahre und Schöne hervorbringt. Schöpferische Wesensäusserung und menschenfreundliches Bemühen werden dadurch ihre logische Grundlage erhalten. Dies wird nicht, wie es heute der Fall ist, durch eine theologische und doktrinäre Darstellung geschehen, sondern dadurch, dass man ein zur Forschung anregendes Problem stellt und sich bemüht, die Frage zu beantworten: Was ist der Mensch - was ist der tiefinnerste Sinn und Zweck seines Daseins im Rahmen der Gesamtevolution? Man wird den belebenden Einfluss und die verkündete Absicht hinter dem fortwährenden Erscheinen von geistigen, kulturellen und künstlerischen Weltführern in allen Zeitaltern studieren und ihr Leben vom historischen wie auch vom psychologischen Gesichtspunkt aus erforschen. Dieses Studium wird der Jugend der Welt das ganze Problem der Führerschaft und der Beweggründe vor Augen führen. Erziehung wird daher in der Form menschlichen Interesses, menschlicher Errungenschaften und menschlicher Möglichkeiten gegeben werden. Dies wird in einer solchen Weise geschehen, dass der Gedankeninhalt des Schülers nicht nur durch geschichtliche Tatsachen und literarische Werke bereichert wird; auch seine Phantasie wird beflügelt und sein Ehrgeiz und sein Streben in die rechte Bahn gelenkt werden; die Welt ehemaliger menschlicher Bemühungen wird ihm in einer wahren Perspektive dargestellt werden, und die Zukunft wird für ihn ein Mahnruf sein, sein individuelles Streben und Mühen und seine persönliche Mitwirkung einzusetzen. Was ich oben niedergeschrieben habe, verurteilt in keiner Weise die bisherigen Methoden, insoweit nicht die heutige Welt selber eine laute Anklage derselben darstellt; all dieses ist auch keine unpraktische Vorausschau oder ein auf Wunschgedanken basierendes mystisches Hoffen. Es bezieht sich auf eine Geisteshaltung dem Leben und der Zukunft gegenüber, die heute schon viele [87] tausend Leute haben, darunter sehr, sehr viele Erzieher in aller Herren Länder. Die nach den alten Methoden gemachten Fehler und Irrtümer sind ohne weiteres klar; deshalb brauchen wir keine Zeit damit zu verlieren, sie herauszustellen und Beispiele aufzuzählen. Wir müssen aber die vorhandene Gelegenheit ergreifen und einsehen, dass die notwendige Änderung der Ziele und die Umstellung der Methoden viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Wir müssen unsere Lehrer ganz anders schulen und viel Zeit darauf verwenden, nach neuen und besseren Wegen zu suchen, neue Lehrbücher auszuarbeiten und jene Männer und Frauen zu finden, die sich für das Zukunftsbild begeistern können und für die neue Zivilisation arbeiten wollen. Ich habe versucht, nur die Prinzipien hervorzuheben und ich tue dies in der Erkenntnis, dass viele davon keineswegs neu sind, dass sie aber |
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Last updated Saturday, February 14, 1998 © 1998 Netnews Association. All rights reserved. |