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Probleme der Menschheit, Seite 136 ff. (engl.)

Werden die organisierten Religionen und Kirchen der Welt die Gelegenheit erkennen und auf den Ruf Christi und das geistige Verlangen zahlloser Millionen reagieren? Oder werden sie nur für Organisationen und für die Kirchen arbeiten? Wird der institutionelle Aspekt der Weltreligionen im Bewusstsein der Kirchenmänner schwerer wiegen als das Bedürfnis der Menschen nach einfacher Darbietung der lebensspendenden Wahrheit? Wird sich das Interesse und die Macht der Kirchen dem Neubau der materiellen Strukturen, der Wiederherstellung finanzieller Sicherheit, der Erneuerung des Ansehens veralteter Theologien und der Wiedererlangung von weltlicher Macht und Ansehen zuwenden? Oder werden die Kirchen den Weitblick und den Mut haben, ihre alten schlechten Methoden aufzugeben und sich dem Volke mit der Botschaft zuwenden, dass Gott Liebe ist, und das Vorhandensein dieser Liebe in ihrem eigenen Leben durch simplen, liebevollen Dienst am Nächsten beweisen? Werden sie den Leuten sagen, dass Christus immerdar lebt, und sie auffordern, sich von den alten Lehren von Tod und Blut und göttlicher Versöhnung durch Leiden abzuwenden und sie auf die Quelle allen Lebens und den lebendigen Christus ausrichten, der darauf wartet, jenes «Leben in grösserer Fülle» auf sie auszugiessen, das er ihnen versprach und auf das sie so lange gewartet haben? Werden sie lehren, dass die Zerstörung der alten Formen notwendig war und deren Verschwinden dafür bürgt, dass ein neues, volleres und besseres geistiges Leben jetzt möglich ist? Werden sie die Leute daran erinnern, dass Christus selbst gesagt hat, man könne neuen Wein nicht in alte Schläuche füllen? Werden die Mächtigen der Kirche und der stolze Klerus öffentlich ihre falschen und materiellen Ziele aufgeben, auf ihr Geld und ihre Paläste verzichten, «all ihre Habe verkaufen» und dem Christus auf dem Weg des Dienens folgen? Oder werden sie - wie der reiche Jüngling im Evangelium - sich traurig abwenden? Werden sie die verfügbaren Geldmittel zur Linderung von Leid und Schmerzen verwenden, wie Christus es tat, den Kindern die Dinge des Reiches Gottes lehren, wie er es tat, und ein Vorbild einfachen Glaubens, zuversichtlicher Freude und sicheren Wissens um Gott sein, wie es Christus war? Können die Geistlichen aller Glaubensrichtungen beider Hemisphären jenes innere geistige Licht erlangen, das sie zu Lichtträgern werden lässt und jenes grössere Licht hervorrufen, das die neue und erwartete Offenbarung mit Sicherheit bringen wird? Können der Materialismus, für den die Kirchen eingetreten sind, und das Versagen ihrer Vertreter, die Menschen auf rechte Weise zu belehren, beseitigt werden? Diese Dinge waren für den Weltkrieg (1914/1945) verantwortlich. Er hätte sich vermeiden lassen, hätten sich nicht Habsucht, Hass und Separatismus auf der Erde und in den Herzen der Menschen breitgemacht; diese verhängnisvollen Fehler konnten bestehen, weil geistige Werte im Leben der Menschen keinen Platz fanden, was darauf zurückzuführen war, dass diese im Leben der Kirchen seit Jahrhunderten nur eine geringfügige Rolle gespielt hatten. Die Schuld lastet schwer auf den Kirchen.

Das sind die Fragen, denen die organisierten Kirchen gegenüberstehen. Innerhalb der Kirchen gibt es heute Menschen, die auf den neuen geistigen Idealismus, die Dringlichkeit der Lage und die Notwendigkeit einer Veränderung ansprechen. Die grossen Erneuerungsbestrebungen der Kirchen in der ganzen Welt liegen immer noch in Händen der kirchlichen Würdenträger, der Synoden und Konklaven. Die derzeitige internationale Planung scheint darauf hinzudeuten, dass die Autorität noch immer falschen Leuten überlassen bleibt.

Es bestehen keine Anzeichen grösseren Ausmasses für eine grundlegende Änderung der Einstellung zu den theologischen Lehren und der Verwaltung der Kirchen. Es gibt kein Anzeichen, dass sich die grossen Religionen des Orients führend an der Schaffung einer neuen und besseren Welt beteiligen werden. Und immer noch wartet die Menschheit; sie braucht vor allem die unzweifelhafte Gewissheit, dass Gott da ist und dass es einen göttlichen Plan gibt - einen Plan, der in das Schema der Dinge passt und sowohl Hoffnung als auch Kraft in sich birgt. Die Menschen wollen überzeugt sein, dass Christus lebt; dass der Kommende - auf den alle Menschen warten - erscheinen wird, und dass er weder Christ noch Hindu noch Buddhist sein, sondern allen Menschen zugehören wird. Die Menschen brauchen die Gewissheit, dass eine grosse geistige Enthüllung fällig und unaufhaltbar ist, und dass ihnen sowohl eine geistige als auch eine materielle Zukunft sicher ist. Mit diesen Forderungen und dieser Gelegenheit sind die Kirchen konfrontiert.

Welche Lösung gibt es für diese verwickelten und schwierigen Zusammenhänge überall in der Welt? Eine neue Darbietung der Wahrheit, denn Gott ist kein Fundamentalist (oder: Buchstabengläubiger); eine neue Annäherung an das Göttliche, denn Gott ist stets zugänglich und braucht heute keine äusseren Mittler; eine neue Auslegungsart der alten geistigen Lehren, denn der Mensch hat sich fortentwickelt, und was für die kindliche Menschheit passte, entspricht heute nicht mehr der erwachsenen Menschheit. Dies sind zwingende Veränderungen.

Nichts kann die neue Weltreligion daran hindern, schliesslich in Erscheinung zu treten. Das war von jeher so und wird auch immer so bleiben. Es gibt keine endgültige Darstellung der Wahrheit; sie entwickelt sich und wächst, um dem steigenden Verlangen des Menschen nach Licht zu entsprechen. Dies wird von jenen geistig orientierten in allen Kirchen verwirklicht und entfaltet, deren Denken bereit ist, sich vom göttlichen Denken inspirieren zu lassen, die liberal und gütig sind und ein reines, höherstrebendes Leben führen. Es wird behindert von den Buchstabengläubigen, den Engstirnigen und Theologen aller Weltreligionen, von denen, die sich hartnäckig an die alten Deutungen und Methoden klammern, welche die alten Doktrinen lieben und das, was die Menschen über sie gedacht haben sowie von denen, die auf äussere Form, Gebräuche, Rituale und Pomp, auf Autorität und auf die Errichtung steinerner Bauten Wert legen, während die Menschen äusserste Not und Hunger erleiden.

Hier steht die katholische Kirche vor ihrer grössten Gelegenheit, aber auch vor ihrer grössten Krise. Der Katholizismus gründet sich auf alte Tradition, er beansprucht unbedingte kirchliche Autorität, ist für äussere Formen und Gebräuche empfänglich und trotz weitreichender wohltätiger Philanthropie unfähig, seinen Kindern Freiheit zu lassen. Wenn die katholische Kirche ihre Mechanismen ändert, ihre Autorität über die Menschenseelen (die sie in Wahrheit nie besass) aufgeben und dem Wege des Erlösers, des einfachen Zimmermanns aus Nazareth, folgen kann, dann wird sie der Welt einen Dienst erweisen und ein Beispiel geben, das geeignet ist, die Anhänger jeder Glaubensrichtung und jeden Zweiges des Christentums dem Licht näherzubringen.

Das Problem der Freiheit der menschlichen Seele und ihrer individuellen Beziehung zum immanenten und zum transzendenten Gott, - das ist das spirituelle Problem, das derzeit alle Weltreligionen angeht. Nicht länger dürfen die Kirchen mit ihrer Autorität und ihren Auslegungen zwischen Gott und dem Menschen stehen. Die Zeit hierfür ist vorbei. Das Problem hat sich im Lauf der Jahrhunderte langsam zugespitzt und zugleich mit dem Wachsen des menschlichen Intellekts und Eigenbewusstseins entwickelt; und heute schreit es laut nach einer Lösung.

III. Die wesentlichen Wahrheiten

Es gibt bestimmte Leitgedanken, welche die Zukunft der Religion verkörpern und das Denken der erleuchteten Kirchenleute aller Glaubensrichtungen derzeit bestimmen sollten. Sie treffen sowohl für den Osten als auch für den Westen zu. Sie lauten: Weltreligion - Enthüllung - Erkenntnis. Sie werden von engstirnigen Christen oder solchen Anhängern auch anderer Glaubensrichtungen nicht akzeptiert werden.

Der Tag ist nicht mehr fern, an dem man den Ursprung aller Religionen aus einer einzigen, grossen geistigen Quelle sehen wird; man wird erkennen, dass sie alle gemeinsam die eine Wurzel bilden, aus der unvermeidlich die universale Weltreligion hervorgehen wird. Dann wird es weder Christen noch Heiden, weder Juden noch Nichtjuden geben, sondern nur eine grosse Gesamtheit von Gläubigen, die aus allen bestehenden Religionen gesammelt ist. Sie werden die gleichen Wahrheiten akzeptieren, aber nicht als theologische Konzepte, sondern als wesentliche Bestandteile geistiger Lebensführung; sie werden zusammenstehen auf der gleichen Plattform der Bruderschaft und der mitmenschlichen Beziehungen; sie werden die Gotteskindschaft anerkennen und vereint am göttlichen Plan mitzuwirken suchen, so weit er ihnen von den geistigen Führern der Menschenrasse enthüllt wird und den nächsten Schritt auf dem Pfad der Annäherung zu Gott erkennen lässt. Solch eine Weltreligion ist kein eitler Traum, sondern etwas, das heute unverkennbar im Werden ist.

Ein zweiter aufscheinender Wegweiser zum geistigen Leben ist die Hoffnung auf Enthüllung. Nie zuvor war das menschliche Bedürfnis danach grösser, niemals die Gewissheit der Enthüllung sicherer; nie zuvor hat der Menschengeist so dringend nach göttlicher Hilfe gerufen wie jetzt, und deshalb steht den Menschen eine grössere Offenbarung bevor als jemals vorher. Worin diese Offenbarung bestehen wird, können wir nicht wissen. Die Enthüllung der Gottnatur ist ein langsamer Entfaltungsprozess gewesen und lief parallel mit dem evolutiven Wachstum des menschlichen Bewusstseins. Es ist nicht unsere Sache, diese Enthüllung mit unserem konkreten Denken zu definieren oder zu begrenzen, aber wir müssen uns darauf vorbereiten, unsere intuitive Wahrnehmungskraft entfalten und in Erwartung des enthüllenden Lichtes leben.

Eine Weltreligion, eine erwartete Enthüllung und dann die sich zur Gewohnheit entwickelnde geistige Erkenntnis! Es ist Aufgabe der Kirchen, die Menschen in der Entfaltung dieser latenten Erkenntniskraft zu unterweisen - in der Erkenntnis göttlicher Schönheit in allen Formen, in der Erkenntnis zukünftiger Dinge, die ein alter Hindu-Seher als die «Regenwolke wissbarer Dinge» bezeichnete, die über der Menschheit schwebt und bereit ist, die Wunder auszugiessen, die Gott jenen vorbehalten hat, welche die wahre Bedeutung der Liebe kennen. Auf diesen drei Linien sollte sich künftig die Arbeit der Kirchen bewegen; die Durchführung dieser Aufgabe würde die Kirchen wahrhaft erneuern und alle Fehler der Vergangenheit löschen.

Diese drei Einstellungen, welche die Kirchen den Menschen überall darbieten können, enthalten Wahrheiten, die in allen Weltreligionen die gleichen sind:

1. Die Tatsache des immanenten und der transzendenten Gottes

Die östlichen Glaubensrichtungen haben von jeher den immanenten Gott betont, im Innersten des menschlichen Herzens, ihm «näher als Hände oder Füsse», das Selbst, das Eine, das Atma, kleiner als das Kleine und doch allumfassend. Die westlichen Glaubensrichtungen haben Gott als transzendent dargestellt, ausserhalb seines Universums, ein Zuschauer. Der transzendente Gott hat zunächst die menschliche Auffassung von der Gottheit bestimmt, denn das Handeln dieses transzendenten Gottes offenbarte sich in den Vorgängen der Natur; später, in der jüdischen Religionsordnung, erschien er als der Stammesgott Jehova, als die Seele (die eher unangenehme Seele) einer Nation. Danach wurde Gott zugleich als ein vollendeter Mensch angesehen, und in der Person Christi wandelte dieser himmlische Gottmensch auf Erden. Heute betont man mehr und mehr den in jedem Menschenwesen und in jeder geschaffenen Form immanenten Gott. Deshalb müssten die Kirchen jetzt eine Synthese dieser beiden Ideen darbieten, die in den Worten Sri Krishnas in der Bhagavad Gita zusammengefasst sind: «Nachdem Ich dieses ganze Universum mit einem Bruchteil Meiner Selbst durchdrungen habe, verbleibe Ich.» Gott, grösser als das erschaffene Ganze und dennoch gegenwärtig in jedem Teil; der transzendente Gott verbürgt den Weltenplan und ist die Absicht, die sich in allen Lebensformen ausprägt, vom winzigsten Atom durch alle Naturreiche hinauf bis zum Menschen.

2. Die Tatsache der Unsterblichkeit und des Ewigen Fortbestehens

Der Geist im Menschen ist unsterblich; er bleibt fortbestehen, indem er von Punkt zu Punkt, von Stufe zu Stufe auf dem Evolutionspfad fortschreitet und dabei nacheinander die göttlichen Attribute und Aspekte entfaltet. Diese Wahrheit umfasst notwendigerweise die Erkenntnis zweier grosser Naturgesetze: des Gesetzes der Wiedergeburt und des Gesetzes von Ursache und Wirkung. Im Westen haben sich die Kirchen geweigert, das Gesetz der Wiedergeburt offiziell anzuerkennen, und sind damit in einen theologischen Stillstand und eine Sackgasse geraten, aus der es keinen Ausweg gibt. Die Kirchen des Ostens hingegen haben diese Gesetze überbetont, so dass die Menschen von einer negativen Ergebenheitshaltung dem Leben und dessen Vorgängen gegenüber beherrscht werden, da sich ja die Gelegenheit immer wieder von neuem bietet. Das Christentum hat zwar die Unsterblichkeit hervorgehoben, hat aber ewige Glückseligkeit von der Annahme eines theologischen Dogmas abhängig gemacht: Sei ein wahrhaft bekennender Christ und lebe ewig in einem (eher einfältigen) Himmel, oder weigere dich, ein fügsamer Christ zu sein, dann kommst du in eine (unmögliche) Hölle, - in eine Hölle, die aus der Theologie des Alten Testaments und ihrer Präsentation eines hasserfüllten, eifersüchtigen Gottes aufkam. Beide Auffassungen werden heute von allen vernünftigen, aufrichtig denkenden Menschen abgelehnt. Kein Mensch mit einigermassen gesundem Menschenverstand oder mit wirklichem Glauben an einen Gott der Liebe akzeptiert den Himmel der Kirchenleute oder hätte etwa den Wunsch, dorthin zu gehen. Noch weniger akzeptiert er den «Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt» oder die ewigen Qualen, zu denen ein Gott der Liebe angeblich alle jene verdammt, die nicht an die theologischen Auslegungen des Mittelalters, der modernen Fundamentalisten oder solcher Kleriker glauben wollen, die - durch Doktrin, Furcht und Drohung - die Menschen an die alten, überlebten Lehren zu binden suchen.

Die wesentliche Wahrheit liegt anderswo. «Was immer ein Mensch säet, das wird

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.