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Probleme der Menschheit, Seite 122 ff. (engl.)
meinte er genau das, was er sagte. Die Annäherung des menschlichen Geistes an seine Quelle, an jenes geistige Zentrum, in dem die Gottheit regiert, und an diejenigen, welche diese Annäherung lenken und leiten, wird unvermeidlich fortschreiten; der Weg steht den Pilgern ewig offen, und alle diese Pilger, alle Seelen, finden am Ende ihren Weg zurück in des Vaters Haus.

Die Tatsache Gottes, die Tatsache Christi, die Tatsache der geistigen Annäherung des Menschen an die Göttlichkeit, die Tatsache der Unsterblichkeit des Geistes, die Tatsache geistiger Aufstiegsmöglichkeit und die Tatsache der Beziehungen des Menschen zu Gott und zu seinen Mitmenschen - auf diesen Tatsachen können wir unseren Standpunkt einnehmen. Zudem ist die evolutionäre Darstellung der Wahrheit zu betonen und deren stetige Anpassung an das jeweilige Bedürfnis der Menschen in jeder geschichtlichen Periode.

Das Christentum ist - wenn auch noch nicht praktisch, so doch im Wesen - ein Ausdruck der Liebe Gottes, die Seinem geschaffenen Universum innewohnt. Den auf das Kirchentum gerichteten Angriffen hingegen hat dieses selbst Tür und Tor geöffnet, und das weiss die Mehrzahl der denkenden Menschen; leider sind diese aber eine Minderheit.

Im Interesse der Klarheit und um den Umriss der Tatsachen und Möglichkeiten gedanklich deutlich zu machen, werden wir das Thema in folgende Abschnitte einteilen, dabei mit den unerfreulichsten und kontroversesten Dingen beginnen und mit einem Gedanken der Hoffnung, der Zielbewusstheit und Vorausschau enden.

I. Das Versagen der Kirchen. Könnte man wahrheitsgetreu und im Lichte des Weltgeschehens behaupten, dass die Kirchen erfolgreich waren?

II. Die Gelegenheit der Kirchen. Wird diese von ihnen erkannt?

III. Die wesentlichen Wahrheiten, welche die Menschheit braucht und intuitiv anerkennt. Welche Wahrheiten sind dies?

IV. Die Erneuerung der Kirchen. Ist sie möglich? V. Die neue Weltreligion.

Das unmittelbare Bedürfnis der Menschheit ist heute klar erkennbar, und ebenso klar sind die Schritte, mit denen die Kirchen diesem Bedürfnis abzuhelfen gedenken. Es erscheint deshalb wesentlich, dass wir die Situation so wie sie ist sehen, die für den Fortschritt und die Erleuchtung des Menschen wesentlichen Wahrheiten herausschälen und dabei kontroverse und unwichtige Faktoren beiseite lassen. Es ist auch notwendig, den Erlösungsweg zu definieren, dem die Kirchen folgen sollten; wenn die Kirchen im Sinne Christi arbeiten und wenn die Männer der Kirchen in demselben Sinne denken, dann ist die Erlösung der Menschheit gesichert. Es ist vor allem wesentlich, eine Vision darzubieten, die für alle Menschen eine Vision sein kann und nicht nur die schöne Hoffnung einer sektiererischen Gruppe oder einer fanatischen, selbstzufriedenen Organisation. Es ist wesentlich, dass wir zu Christus und seiner Botschaft und zu der Lebensweise zurückkehren, für die er uns Vorbild war.

Die Kirchenleute sollten nicht vergessen, dass der menschliche Geist grösser ist als alle Kirchen und grösser als ihre Lehren. Zu guter Letzt wird der menschliche Geist sie besiegen und im Triumph in das Reich Gottes einziehen, während sie weit zurückbleiben, es sei denn, sie treten als bescheidener Teil der Masse ihrer Mitmenschen ein. Prunkbeladene Prälaten und kirchliche Würdenträger haben als solche keinen Anteil an jenem Reich. Christus braucht keine Prälaten und Kirchenfürsten; er braucht demütige Lehrer der Wahrheit und Vorbilder des geistigen Lebens. Nichts unter der Sonne kann den Fortschritt der Menschenseele aufhalten auf ihrer langen Pilgerreise aus der Dunkelheit zum Licht, vom Unwirklichen zur Wirklichkeit, vom Tod zur Unsterblichkeit, von Unwissenheit zur Wahrheit. Wenn die grossen organisierten Religionsgruppen der Kirchen aller Länder und aller Glaubensrichtungen keine geistige Führung und Hilfe bieten, dann wird die Menschheit andere Wege finden. Nichts kann den Geist des Menschen von Gott fernhalten.

1. Das Versagen der Kirchen

Lasst uns nicht vergessen: Christus hat nicht versagt. Es ist das menschliche Element, das versagt, das Christi Absichten vereitelt und die von ihm verkündete Wahrheit erniedrigt hat. Theologie, Dogmatik, Doktrin, Materialismus, Politik und Geld haben eine riesige dunkle Wolke zwischen den Kirchen und Gott erzeugt; sie haben die wahre Vision von Gottes Liebe ausgesperrt, und zu dieser Vision einer liebeerfüllten Realität und zur lebendigen Erkenntnis ihres tieferen Sinnes müssen wir zurückkehren.

Besteht irgendeine Aussicht, dass eine Erneuerung des Glaubens, wie er in Christus war, geschehen kann? Gibt es genug Männer mit Weitblick in den Kirchen, um die Lage zu retten; welche die Vision begreifen, die den menschlichen Bedürfnissen gerecht wird und nicht bloss dem Wachstum und der Verherrlichung der Kirchen dient? Solche Männer gibt es in jeder religiösen Organisation, aber es sind leider nur wenige. Selbst wenn sie sich zusammentäten (was aufgrund doktrinärer Unterschiede noch unmöglich erscheint), wären sie nur eine relativ ohnmächtige Gruppe gegenüber der organisierten Macht, dem materiellen Glanz, den verbrieften Rechten der Würdenträger und der fanatischen Entschlossenheit des reaktionären Klerus aller Glaubensrichtungen. Es ist immer nur die bedrängte Minderheit (in diesem Fall die wenigen geistig Gesinnten), welche die wahre Vision bewahrt und schliesslich verwirklicht; sie sind es, die auf ausgedörrten, freudlosen Strassen mit der hungernden, geplagten Menschheit wandern und die daher mit durchdringender Klarheit die Notwendigkeit der kirchlichen Erneuerung erkennen.

Unsere religiösen Rednertribünen, Kanzeln und Zeitschriften sind voll von Aufrufen an die Menschen, zu Gott zurückzukehren und in der Religion einen Ausweg aus den jetzigen chaotischen Zuständen zu finden. Und doch war die Menschheit noch nie zuvor so zum Geistigen geneigt, so bewusst und definitiv auf geistige Werte und auf das Bedürfnis nach geistigen Neubewertungen und Erkenntnissen eingestellt. Dieser Ruf sollte sich daher an die Kirchenfürsten und den Klerus aller Glaubensrichtungen sowie an alle freiwilligen Kirchenhelfer wenden, denn sie sind es, die zur Einfachheit des Glaubens, wie er in Christo war, zurückkehren sollten. Sie sind es, die eine Erneuerung nötig haben. Überall verlangen die Menschen nach Licht. Wer soll es ihnen geben?

Es sind in der Hauptsache zwei Faktoren, die für das Versagen der Kirchen verantwortlich sind:

1. Engstirnige theologische Auslegungen der Schriften.

2. Materielle und politische Ambitionen.

In jedem Land haben seit jeher Menschen versucht, ihre persönlichen religiösen Deutungen der Wahrheit, der heiligen Schriften und der Gottheit der Masse ihrer Mitmenschen aufzudrängen. Sie haben sich die Bibeln der Welt vorgenommen und zu erklären versucht, indem sie die dort gefundenen Ideen durch ihr eigenes Denken und Gehirn gefiltert und dabei deren Sinn unvermeidlich herabgemindert haben. Nicht genug damit, ihre Nachfolger zwangen diese einem Menschenhirn entsprungenen Deutungen den Gedankenlosen und Unwissenden auf. Jede Religion - der Buddhismus, der Hinduismus in seinen vielen Aspekten, der Islam und das Christentum - brachte eine grosse Zahl hervorragender Denker hervor, die den (meist aufrichtigen) Versuch machten, das zu verstehen, was Gott angeblich gesagt haben soll; die Lehrsätze formulierten und Dogmen aufstellten aufgrund dessen, was Gott ihrer Ansicht nach gemeint haben muss. Ihre Worte und Ideen wurden deshalb für zahllose Millionen zum religiösen Gesetz und zur unwiderlegbaren Wahrheit. Worum handelt es sich aber letzten Endes? Um die Ideen irgendeines menschlichen Denkers - interpretiert in Begriffen seiner Zeit, Tradition und Erziehung - über das, was Gott in irgendeiner heiligen Schrift «sagte», die im Lauf der Jahrhunderte den Schwierigkeiten und Irrtümern ausgesetzt war, die aus ständigen Übersetzungen entstanden sind - und darüberhinaus ohnehin oft auf mündlicher Lehre beruhte.

Die Doktrin von der mündlichen Inspiration der heiligen Schriften der Welt (die man besonders auf die christliche Bibel anwendbar glaubt), ist heute vollkommen widerlegt, und damit auch die Unfehlbarkeit der Auslegung. Man weiss, dass alle heiligen Bücher der Welt auf ungenauen Übersetzungen beruhen, und kein Teil ist nach diesen endlosen Übersetzungen heute mehr so, wie er ursprünglich war, sofern es überhaupt je ein Originalmanuskript gab und es sich in Wirklichkeit nicht um jemandes Erinnerungen an das Gesagte handelte. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die allgemeine Richtung und die Grundlehren, ebenso wie die Bedeutung der Symbolik gewöhnlich richtig sind, obwohl selbst die Symbolik zeitgemäss übersetzt werden muss und nicht der Missdeutung durch Unwissende überlassen werden darf. Es geht darum, dass Dogmen und Doktrinen, Theologien und dogmatische Behauptungen nicht notwendigerweise auf die Wahrheit hindeuten, wie sie im Denken Gottes besteht, mit dessen Denken die meisten Dogmatiker so vertraut zu sein behaupten. Theologie ist einfach das, was die Menschen vom Denken Gottes denken.

Je älter die Schrift, umso grösser ist unvermeidlich die Entstellung. Die Doktrin eines rachsüchtigen Gottes, die Doktrin einer Vergeltung in einer mythischen Hölle, die Lehre, dass Gott nur jene liebt, die ihn im Sinne einer bestimmten theologischen Denkrichtung interpretieren, die Symbolik des Blutopfers, die Aneignung des Kreuzes als ein christliches Symbol, die Lehre von der jungfräulichen Geburt und das Bild einer zürnenden, nur durch den Tod versöhnbaren Gottheit, - das sind die unerfreulichen Resultate von des Menschen eigenem Denken, seiner eigenen niederen Natur, seines sektiererischen Isolationismus (vom jüdischen Alten Testament gefördert, aber in den Glaubensrichtungen des Orients nicht allgemein vorzufinden) und des von seiner Tiernatur ererbten Furchtgefühls, - das alles wird von der Theologie gefördert und eingeschärft, nicht aber von Christus, Buddha oder Krishna.

Das kleine Denkvermögen des Menschen auf seiner früheren und jetzigen Evolutionsstufe kann weder heute, noch konnte es jemals das Denken und die Absichten des Einen begreifen, in dem wir leben, uns bewegen und unser Dasein haben. Die Menschen haben Gott in Begriffen ihrer selbst ausgelegt; wenn Menschen also gedankenlos ein Dogma annehmen, dann akzeptieren sie lediglich den Gesichtspunkt eines anderen fehlbaren Menschen, aber durchaus keine göttliche Wahrheit. Doch gerade diese Wahrheit sollte nun endlich von den theologischen Seminaren in der Weise gelehrt werden, dass sie ihre Leute dazu erziehen, selbständig zu denken und zu beachten, dass der Schlüssel zur Wahrheit in der einigenden Kraft des vergleichenden Studiums aller Religionen liegt. Nur jene Prinzipien und Wahrheiten sind zur Erlösung wirklich notwendig, die universal anerkannt werden und in jeder Religion ihren Platz finden. Dargebotene Wahrheiten zweitrangiger oder kontroverser Art sind gewöhnlich unnötig oder nur insoweit von Bedeutung, als sie die primäre und wesentliche Wahrheit stützen.

Diese entstellte Darstellung von Wahrheit ist es, was die Menschheit zur Formulierung eines Gebäudes von Doktrinen verleitet hat von denen Christus anscheinend nichts wusste. Er kümmerte sich nur darum, dass die Menschen erkennen sollten, dass Gott Liebe ist, dass alle Menschen Kinder des einen Vaters und deshalb Brüder sind; dass des Menschen Geist ewig ist und dass es keinen Tod gibt. Er sehnte sich danach, dass der Christus im Innern eines jeden Menschen (das eingeborene Christusbewusstsein, das uns eins macht miteinander und mit Christus) in all seiner Herrlichkeit zur Blüte kommen sollte; er lehrte, dass Dienen das Leitmotiv geistiger Lebensführung sei und dass der Wille Gottes sich offenbaren würde. Das sind aber nicht die Punkte, die von der Mehrzahl der Dogmatiker in ihren Kommentaren behandelt wurden. Sie haben ad nauseam darüber diskutiert, inwieweit Christus göttlich und inwieweit er menschlich war, ferner über das Wesen der jungfräulichen Geburt, über die Funktion des Apostels Paulus als Lehrer christlicher Wahrheit, über das Wesen der Hölle, die Erlösung durch Blut und über die Authentizität und historische Belegbarkeit der Bibel.

In ihrem Denken erkennen die Menschen heute die Morgenröte der Freiheit; sie werden sich darüber klar, dass jeder Mensch die Freiheit haben sollte, Gott auf seine eigene Weise zu verehren. Das bedeutet nicht, dass sich (im kommenden neuen Zeitalter) jedermann eine theologische Richtung auswählen wird, der er sich anzuschliessen wünscht. Sein eigenes gotterleuchtetes Denkvermögen wird nach Wahrheit suchen und sie für sich selbst interpretieren. Die Zeiten der Theologie sind vorbei, und der Tag der lebendigen Wahrheit ist mit uns. Das anzuerkennen weigern sich die orthodoxen Kirchen. Wahrheit ist essentiell unumstritten; tauchen Streitfragen auf, so ist das Konzept gewöhnlich von zweitrangiger Bedeutung und besteht in der Hauptsache aus menschlichen Ideen über die Wahrheit.

Die Menschen sind heute in ihrer Ablehnung von Dogmen und Doktrinen schon sehr weit gegangen, und das ist gut, richtig und ermutigend. Es bedeutet Fortschritt, aber die Kirchen sehen darin immer noch nicht das Wirken des Göttlichen. Freiheit des Denkens, die Infragestellung dargebotener Wahrheiten, die Ablehnung von Lehren der Kirchen in Begriffen vergangener Theologie und eine Zurückweisung aufgezwungener kirchlicher Autorität sind ein Merkmal für kreatives spirituelles Denken in unserer Zeit; dies wird von orthodoxen Kirchenmännern als Anzeichen gefährlicher Tendenzen betrachtet, als Abwendung von Gott und daher als ein Verlust des Sinnes für das Göttliche. Es bedeutet genau das Gegenteil.

Vielleicht ebenso schwerwiegend wegen ihrer Wirkung auf zahllose Tausende der weniger gebildeten Allgemeinheit sind die materialistischen und politischen Ambitionen der Kirchen. In den östlichen Glaubensrichtungen ist das weniger auffällig; in der westlichen Welt führt diese Tendenz rasch zur Degeneration der Kirchen. In den Religionen des Orients hält sich seit jeher eine unheilvolle Negativität; die von ihnen verkündeten Wahrheiten reichten nicht aus, um das tägliche Leben der Gläubigen zu verbessern oder die Wahrheiten in schöpferischer Weise auf der physischen Ebene zu verankern. Die Wirkung der östlichen Glaubenslehren ist hauptsächlich subjektiv und in bezug auf die Belange des Alltags negativ. Diese Negativität der theologischen Interpretation der buddhistischen und hinduistischen Schriften hat die Menschen in einem

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.