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Probleme der Menschheit, Seite 46 ff. (engl.) |
wiederhergestellt ist, auf ein grosses Erwachen der schöpferischen Fähigkeit im
Menschen gefasst sein müssen. Und wir haben den nahe bevorstehenden Anbruch
einer geistigen Renaissance erwähnt.
Eines unserer nächstliegenden Erziehungsziele muss die Ausmerzung des Konkurrenzgeistes sein, der durch kooperatives Bewusstsein ersetzt werden muss. Hier erhebt sich sofort die Frage: Wie kann man das bewerkstelligen und gleichzeitig einen hohen Grad des individuell Erreichbaren herbeiführen? Ist nicht Wettbewerb ein Hauptansporn für jedes Unternehmen? Dies war bis jetzt der Fall; aber es muss nicht so bleiben. Die Entwicklung einer Atmosphäre, die den Verantwortlichkeitssinn des Kindes fördert und es von den durch Furcht erzeugten Hemmungen befreit, wird es ihm möglich machen, sogar noch bessere Resultate zu erzielen. Vom Standpunkt des Erziehers wird das die richtige Atmosphäre für das Kind schaffen, und in dieser Atmosphäre werden bestimmte Eigenschaften gedeihen und bestimmte Kennzeichen von Verantwortungsgefühl und gutem Willen werden sich zeigen. Was ist das Wesen dieser Atmosphäre? 1. Eine Atmosphäre der Liebe, aus der die Furcht ausgeschlossen ist und das Kind erkennt, dass es keinen Grund gibt, ängstlich zu sein. Es ist eine Atmosphäre, in der es höflich behandelt wird, und wo man von ihm erwartet, dass es anderen gegenüber ebenso höflich ist. Eine solche Atmosphäre ist übrigens in Schulen und Elternhäusern recht selten anzutreffen. Sie entspringt der Liebe, aber nicht einer gefühlsbetonten oder sentimentalen Liebe, sondern gründet sich auf der Erkenntnis des Potentials des Kindes als Individuum, auf Freiheit von Vorurteilen und Rassenfeindschaft, und auf echter, mitfühlender Zärtlichkeit. Diese mitfühlende Einstellung wurzelt in der Erkenntnis der Schwierigkeiten des täglichen Lebens, in sensitiver Reaktion auf die normale Zärtlichkeit eines Kindes und in der Überzeugung, dass Liebe immer das Beste in jedem hervorruft. 2. Eine Atmosphäre der Geduld. In einer solchen Atmosphäre kann das Kind die Anfangsgründe der Verantwortlichkeit lernen. Die Kinder, die während dieser Periode geboren wurden und jetzt überall anzutreffen sind, besitzen eine hochgradige Intelligenz; ohne es zu wissen, sind sie geistig lebendig, und die ersten Anzeichen dieser Lebendigkeit zeigen sich als Verantwortungsgefühl: Sie wissen, dass sie ihres Bruders Hüter sind. Das geduldige Einprägen dieser Eigenschaft, das Bestreben, sie kleine Pflichten übernehmen und Verantwortung tragen zu lassen, werden viel Geduld vom Erzieher fordern, ist aber von entscheidender Bedeutung für die Charakterbildung des Kindes in Richtung zum Guten und für seine künftige Brauchbarkeit in der Welt. 3. Eine verständnisvolle Atmoshpäre. So wenige Lehrer oder Eltern erklären einem Kinde die Gründe für das, was es tun soll und was von ihm gefordert wird. Eine solche Erklärung wird aber unweigerlich eine Reaktion hervorrufen, denn ein Kind denkt mehr, als man annimmt, und dieses Vorgehen wird ihm die Wichtigkeit von Motivationen einprägen. Vieles, was ein durchschnittliches Kind macht, ist an sich nicht falsch; es geschieht als Folge seiner vereitelten Fragelust, oder aus dem Impuls, irgend eine Ungerechtigkeit heimzuzahlen, die durch die Unfähigkeit der Erwachsenen bedingt ist, den Beweggrund des Kindes zu verstehen, und wegen der Unfähigkeit des Kindes, die Zeit richtig und nützlich anzuwenden und wegen seines Drangs, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das sind einfach die ersten Gebärden eines werdenden Individuums. Ältere Menschen sind geneigt, dem Kind ein verfrühtes und unnötiges Gefühl des Unrechttuns beizubringen; sie reiten auf unbedeutenden Nichtigkeiten herum, nur weil sie lästig sind, die aber übersehen werden sollten. Ein richtiges Gefühl für falsches Handeln, das aus dem Versagen entsteht, rechte Gruppenbeziehungen aufrecht zu erhalten, kann sich nicht entwickeln, solange ein Kind nicht mit Verständnis behandelt wird. Dann werden die wirklich falschen Dinge wie Übergriffe in die Rechte anderer, Durchsetzen der individuellen Wünsche auf Kosten der Gruppe und zu persönlichem Gewinn in der rechten Perspektive und zur rechten Zeit hervortreten. Die Erzieher werden sich daran erinnern müssen, dass Tausende von Kindern ständig zugesehen haben, wie ältere Leute böse Taten verübten; das hat ihre Anschauungsweise verzerrt, ihnen einen falschen Massstab übermittelt und die rechtmässige Autorität der Älteren untergraben. Ein Kind neigt dazu, asozial zu werden, wenn es nicht verstanden wird, oder wenn die Verhältnisse es überfordern. Eine angemessene Atmosphäre, die Übermittlung einiger richtiger Prinzipien und viel liebevolles Verständnis sind vor allem die Erfordernisse für die schwierige Übergangsperiode, in der wir stehen. Eine organisierte Lebensweise wird viel dazu beitragen, aber die Kinder, mit denen wir es zu tun haben, haben wenig Disziplin kennengelernt. Die Aufgabe des reinen Überlebens war die Hauptbeschäftigung ihrer Eltern und auch der Kinder. Es wird zunächst für sie schwer sein, korrekt auf einen aufgezwungenen Lebensrhythmus anzusprechen. Disziplin wird notwendig sein, aber es muss die Disziplin der Liebe sein, die dem Kind sorgfältig und eingehend erklärt wird, damit es die Gründe versteht, die hinter dieser geheimnisvollen neuen Ordnung des Weitermachens liegen. Die Müdigkeit, Trägheit und Interesselosigkeit, die auf Krieg und Unterernährung zurückzuführen sind, sind zunächst definitive Schwierigkeiten. Erzieher und Lehrer werden sich eine Disziplin der Geduld, des Verständnisses und der Liebe auferlegen müssen, die nicht leicht sein wird, denn sie wird begleitet sein von dem tiefen Bewusstsein der zu überwindenden Schwierigkeiten und der zu lösenden Probleme. Männer und Frauen in jedem Land, welche die Vision besitzen, müssen gefunden und mobilisiert werden, und sie sind vorhanden. Sie müssen die benötigte Ausrüstung besitzen und die Unterstützung derer, denen sie vertrauen können. Zuerst darf nicht zu viel verlangt werden, denn das unmittelbare Bedürfnis besteht nicht in der Mitteilung von Tatsachen, sondern in der Zerstreuung der Furcht, der Demonstration, dass die Liebe in der Welt existiert und in der Übermittlung eines Gefühls der Sicherheit. Dann und nur dann wird es möglich sein, jene definitiveren Prozesse in Gang zu bringen, welche den langfristigen Plan, den einige von uns vor Augen haben, zu einer Möglichkeit machen. Der Plan auf weite Sicht Jetzt wollen wir einen umfassenderen Plan für die zukünftige Erziehung der Kinder der Welt aufstellen. Wir haben gesagt, dass wir trotz der universellen Entwicklung der Erziehung und der vielen pädagogischen Zentren in jedem Lande bis jetzt noch nicht imstande waren, unseren jungen Leuten die Art von Erziehung zu bieten, die ihnen ein erfülltes, konstruktives Leben ermöglichen soll. In Begriffen der letzten zwei- oder dreitausend Jahre entwickelte sich die Erziehung weltweit progressiv auf drei Hauptlinien; sie begann im Osten und findet heute im Westen ihren Höhepunkt. In Asien finden wir durch die Jahrhunderte eine intensive Erziehung gewisser sorgfältig ausgewählter Einzelner, und gleichzeitig wurden die Massen vernachlässigt. Asien und nur Asien allein hat jene hervorragenden Gestalten hervorgebracht, die sogar heute noch Gegenstand universeller Verehrung sind - Laotse, Konfuzius, Buddha, Sri Krishna und Christus. Sie haben Millionen ihren Stempel aufgedrückt und tun es noch immer. In Europa wurde die erzieherische Aufmerksamkeit auf einige privilegierte Gruppen konzentriert. Sie erhielten eine sorgfältig geplante kulturelle Erziehung, aber den Massen wurden nur die notwendigsten Grundlagen des Lernens beigebracht. Hieraus entstanden - in bestimmten Zeitabständen - wichtige Kulturepochen, wie die Elisabethanische Ära, die Renaissance, die Dichter und Schriftsteller der Viktorianischen Zeit und die Dichter und Musiker Deutschlands, wie auch die grosse Anzahl von Künstlern, deren Namen in der italienischen Schule und in den niederländischen und spanischen Gruppen fortbestehen. Schliesslich wurde in den jüngeren Ländern der Welt, wie den Vereinigten Staaten, Australien und Kanada die Massenerziehung eingeführt und in der ganzen zivilisierten Welt weitgehend nachvollzogen. Das allgemeine kulturelle Niveau wurde viel niedriger und das Niveau der Masseninformation und Qualifikation stieg beträchtlich an. Hier erhebt sich nun die Frage: Welches wird die nächste evolutionäre Entwicklung auf dem Gebiet der Erziehung sein? Was wird nach diesem vollständigen weltweiten Zusammenbruch und dem erkannten Versagen der Erziehungssysteme geschehen, um eine Wiederholung zu verhüten? Einen wichtigen Punkt sollten wir im Auge behalten. Was Erziehung in einer unerwünschten Richtung vollbringen kann, wurde in Deutschland nachdrücklich demonstriert in seinem verderblichen Idealismus, durch das Einprägen falscher menschlicher Beziehungen und Haltungen sowie durch die Verherrlichung all dessen, was äusserst selbstsüchtig, brutal und aggressiv ist. Der Nazismus hat bewiesen, dass sich richtig organisierte und überwachte Erziehungsmethoden, wenn sie systematisch vorbereitet und in eine Ideologie gesteuert werden, machtvoll auswirken, besonders wenn das Kind jung genug erfasst und genügend lange vor andersartigen Belehrungen abgeschirmt wird. Seit damals hat Russland das gleiche System angewandt. Vergessen wir also nicht, dass sich diese bewiesene Durchschlagskraft in zweierlei Richtungen auswirken kann, und dass das, was nach falschen Gesichtspunkten zur Entfaltung gebracht wurde, ebenso erfolgreich in der guten Richtung erreicht werden kann. Wir sollten erkennen, dass wir zweierlei tun müssen. Erstens unsere erzieherische Aufmerksamkeit besonders auf jene richten, die unter sechzehn sind - je jünger, desto besser. Und zweitens müssen wir mit dem beginnen, was vorhanden ist, auch wenn wir die Begrenztheit der jetzigen Systeme erkennen. Wir müssen dabei jene Aspekte stärken, die gut und erwünscht sind, und die anderen ausmerzen, die sich als untauglich erwiesen haben, den Menschen zu befähigen, sich seiner Umgebung anzupassen. Wir müssen die neue Einstellung und die neuen Methoden entwickeln, die das Kind für ein erfülltes Leben tauglich machen, so dass es wahrhaft «menschlich» werden kann - ein schöpferisches, konstruktives Mitglied der menschlichen Familie. Das, was in der Vergangenheit das Beste war, muss bewahrt werden, aber das sollte nur als Fundament für ein besseres System und eine weisere Annäherung an das Ziel der Weltbürgerschaft betrachtet werden. Hier könnte es wertvoll sein, zu erklären, was Erziehung sein kann, wenn sie durch eine gültige Vision bestimmt und für die erspürte Weltnot und die Anforderungen der Zeit empfänglich wird. Erziehung ist verständnisvoll übermittelte Schulung, die weltweit die Jugend zu intelligentem, vernünftigem Kontakt mit ihrer Umwelt und zur Anpassung an die bestehenden Verhältnisse befähigen soll. Das ist von grösster Wichtigkeit und einer der Wegweiser in der heutigen Welt. Erziehung ist ein Vorgang, bei dem das Kind mit der Information ausgerüstet wird, die es instand setzt, als guter Bürger zu handeln und später die Funktion eines Elternteils mit Weisheit zu erfüllen. Sie sollte die dem Kinde innewohnenden Tendenzen und seine rassisch und national bedingten Eigenschaften in Betracht ziehen und dazu dann jenes Wissen vermitteln, welches das Kind dazu bringt, in seiner speziellen Umgebung konstruktiv zu wirken und sich als nützlicher Bürger zu bewähren. Die generelle Erziehungstendenz wird psychologischer sein als in der Vergangenheit, und die so gewonnene Information wird seiner speziellen Situation angepasst sein. Alle Kinder besitzen bestimmte Vorzüge und sollten gelehrt werden, sie zu benützen. Diese Vorzüge teilen sie mit der ganzen Menschheit, ungeachtet der Rasse oder der Nationalität. Daher werden die Erzieher in Zukunft das Hauptgewicht auf folgende Punkte legen müssen: 1. Eine sich entwickelnde mentale Beherrschung der Gefühlsnatur. 2. Die Vision, oder die Fähigkeit, über das Vorhandene hinaus das künftig Mögliche zu sehen. 3. Ererbtes Faktenwissen, dem die Weisheit der Zukunft hinzugefügt werden kann. 4. Die Fähigkeit, Beziehungen zur Umwelt weise zu handhaben und die eigene Verantwortung zu erkennen und zu übernehmen. 5. Die Kraft, das Denkvermögen auf zwei Arten zu gebrauchen: a) als «gesunden Menschenverstand» (in der alten Bedeutung des Wortes), der die durch die fünf Sinne übermittelten Informationen analysiert und zur Synthese vereint, b) als Scheinwerfer, der in die Welt der Ideen und der abstrakten Wahrheit vordringt. Wissen kommt aus zwei Richtungen. Es ist das Ergebnis des intelligenten Gebrauchs der fünf Sinne, und es wird auch durch den Versuch entfaltet, Ideen aufzugreifen und zu verstehen. Beides wird durch Wissbegierde und Nachforschungen in Gang gesetzt. Erziehung sollte dreifacher Art sein, und alle drei sind nötig, um die Menschheit zu einem notwendigen Entwicklungspunkt zu bringen. Erziehung ist zunächst ein Vorgang des Aneignens von Fakten aus Vergangenheit und Gegenwart - und dann zu lernen, dieser Menge allmählich angehäufter Kenntnisse das zu entnehmen und zu bewahren, was in einer gegebenen Situation von praktischem Wert sein kann. Dieser Vorgang umfasst die Grundlagen unseres heutigen Erziehungssystems. Zweitens ist Erziehung ein Lernprozess, um als Ergebnis von Wissen und verständnisvollem Erfassen des Sinnes, der sich hinter den übermittelten äusseren Fakten verbirgt, zu Weisheit zu gelangen. Es ist die Fähigkeit, Wissen so anzuwenden, dass gesunde Lebensanschauung und intelligente Verhaltenstechnik die natürlichen Folgen sind. Dies umfasst auch die Ausbildung in spezialisierten Tätigkeiten, die sich auf angeborene Neigungen, Talente oder Genialität gründen. |
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Last updated Saturday, February 14, 1998 © 1998 Netnews Association. All rights reserved. |