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Probleme der Menschheit, Seite 40 ff. (engl.)
Welt zu retten, damit beschäftigt sind, Gelder zu sammeln, um steinerne Kirchen wieder aufzubauen und alte Gebäude zu restaurieren. Auf diese Weise nehmen sie Geld in Anspruch, das dringend zur Heilung verkrüppelter Körper, seelischer Wunden und zur Erzeugung warmer Liebe und mitfühlenden Verständnisses für jene benötigt wird, die nicht mehr an die Existenz solcher Eigenschaften glauben.

Das unmittelbare Bedürfnis der Kinder

Die Grösse der vor uns stehenden Probleme könnte uns wohl verwirren, so dass wir nicht wissen, wie wir die vielen in uns aufsteigenden Fragen beantworten sollen. Wie können wir die Grundlage schaffen für ein grossangelegtes Programm des Wiederaufbaus, der Erziehung und Entwicklung in bezug auf die Weltjugend, um damit eine neue und bessere Welt zu gewährleisten? Wie sollen die grundlegenden Pläne beschaffen sein, damit sie so vielen verschiedenen Rassen und Nationalitäten gerecht werden? Wie sollen wir angesichts des begreiflichen Hasses und der tief verwurzelten Vorurteile einen vernünftigen Anfang machen?

Die ethischen und moralischen Werte sind bei den Kindern, und besonders bei den heranwachsenden Jugendlichen entartet und deshalb muss zunächst der Sinn für geistige Werte geweckt werden. Es gibt jedoch unmittelbare Beweise dafür, dass dieses geistige Erwachen bereits Europa berührt hat und dass vielleicht von diesem unglücklichen Kontinent jene neue geistige Wende ausgehen könnte, welche die ganze Welt besseren Dingen zuführen und die Gewissheit bringen wird, dass unsere materialistische Zivilisation zu Ende ist, um nie wiederzukehren. Eine geistige Wiedergeburt ist unvermeidlich und nirgends notwendiger als in jenen Ländern, die den schlimmsten Aspekten des Krieges entrinnen konnten. Nach dieser Wiedergeburt müssen wir trachten und sie vorbereiten helfen.

Das nächste und sofort zu lösende Problem ist zweifellos die psychologische Rehabilitation. Es ist jedoch die Frage, ob die Kinder Europas, Chinas und Japans sich je wieder ganz von den Wirkungen des Krieges erholen werden. Die frühen, formenden Jahre ihres Lebens verbrachten sie während des Krieges, und da Kinder sich gut erinnern können, ist es nicht anders möglich, als dass Spuren von dem zurückbleiben werden, was sie gesehen, gehört und erlitten haben. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, vor allem in Grossbritannien und bestimmten Teilen Frankreichs. Nur die Zeit wird das Ausmass des entstandenen Schadens erweisen. Vieles davon kann durch weises Handeln der Eltern, der Ärzte, durch Krankenfürsorge und Erziehung ausgeglichen und sogar ausgelöscht werden. Es ist traurig, berichten zu müssen, dass auf dieser so nötigen Linie der Hilfsmassnahmen von den Psychologen und Neurologen so wenig vorausschauende Planung unternommen wurde; und doch ist die Arbeit dieser Spezialisten eine ebenso dringende Notwendigkeit und Forderung, wie die nach Kleidung und Ernährung.

Es ist gut, wenn wir bei all unseren Planungen und guten Absichten immer daran denken, dass die verschiedenen Nationen, die in den Weltkrieg einbezogen waren und die Besatzung in ihrer ganzen Wucht zu spüren bekamen, auch ihre eigenen Pläne haben. Sie kennen ihre Bedürfnisse und sind entschlossen, so gut wie möglich für ihr eigenes Volk zu sorgen, ihre eigenen Kinder zu retten und ihre eigenen spezifischen Kulturen und ihre Länder wieder aufzubauen. Es müsste die Aufgabe der Grossmächte (mit ihren umfangreichen Ressourcen) und die der Philanthropen und Menschenfreunde der ganzen Welt sein, mit diesen Völkern zusammenzuarbeiten. Aber es kann nicht ihre Aufgabe sein, ihnen aufzudrängen, was sie aus ihrer günstigeren Position für sie für gut und richtig halten. Diese Länder brauchen verständnisvolle Kooperation; sie benötigen landwirtschaftliche Geräte, sofortige Belieferung mit Nahrungsmitteln und Kleidung, und vor allem alle Voraussetzungen, um ihre Bildungsinstitute wieder in Gang zu setzen, ihre Schulen zu organisieren und sie mit dem Nötigsten auszustatten. Was sie am allerwenigsten brauchen ist eine Horde wohlmeinender Leute, die ihre pädagogischen und medizinischen Institutionen übernehmen oder ihnen eine demokratische, kommunistische oder sonstige Ideologie aufdrängen. Natürlich müssen die Prinzipien des Nazismus und Faschismus hinausgefegt werden, aber die Nationen müssen frei sein, ihr eigenes Schicksal zu gestalten. Jede von ihnen hat ihre eigene Tradition, ihre eigene Kultur und Geschichte. Sie sind gezwungen, neu aufzubauen, aber was sie bauen wollen, muss ihre eigene Angelegenheit bleiben, denn es muss für sie selbst charakteristisch und ein Ausdruck ihres eigenen inneren Lebens sein. Gewiss ist es die Aufgabe der reicheren und freien Nationen, sie dabei zu unterstützen, so zu bauen, dass die neue Welt entstehen kann. Jede Nation muss das Problem des Wiederaufbaus auf ihre eigene Weise anpacken.

Das heisst aber nicht Uneinigkeit, sondern eine bereicherte, farbigere Welt. Es darf nicht zu Separation oder zum Aufrichten von Schranken und sich Zurückziehen hinter Mauern des Vorurteils und rassischer Vorbehalte führen. Es gibt zwei hauptsächlich verbindende Beziehungen, die gepflegt werden müssten, weil sie zu besserem Verständnis in der Welt der Menschen führen. Diese sind Religion und Erziehung. In diesem Kapitel behandeln wir den Faktor Erziehung, der in der Vergangenheit bei der Förderung einer Welteinheit so sehr versagt hat (wie es der Krieg bewies), der aber in der Zukunft zu einem weisen Kontrollinstrument werden kann.

Wir können heute beobachten, wie sich allmählich aber stetig internationale Gruppen zusammenschliessen, mit dem Ziel, die Weltsicherheit aufrechtzuerhalten, den Arbeiter zu schützen, sich um die Weltwirtschaftsprobleme zu kümmern und die Integrität und Souveränität der Nationen zu bewahren, indem jede sich bei der Aufgabe der Sicherung richtiger menschlicher Beziehungen auf dem Planeten zu ihrem eigenen Beitrag verpflichtet. Ob wir nun mit den Einzelheiten oder den spezifisch vorgeschlagenen Verpflichtungen einverstanden sind oder nicht, so sind doch die Bildung internationaler Beratungsgremien und vor allem die Vereinten Nationen hoffnungsvolle Anzeichen des Voranschreitens der Menschheit in eine Welt, in der rechte menschliche Beziehungen für den Weltfrieden als wesentlich erachtet, wo der gute Wille anerkannt und wo Vorkehrungen für die Herbeiführung solcher Verhältnisse getroffen werden, die Krieg und Aggression verhindern können.

Auf dem Gebiet der Erziehung sind derartige gemeinsame Aktionen ebenfalls äusserst wichtig. Es ist sicher, dass eine grundlegende Einheit der Ziele die pädagogischen Systeme aller Nationen bestimmen müsste, selbst wenn Einheitlichkeit der Methoden und Techniken vielleicht nicht möglich ist. Verschiedenheit der Sprache, des sozialen und kulturellen Hintergrunds werden und sollen immer bestehen bleiben; sie bilden seit Jahrhunderten das schöne bunte Gewebe des menschlichen Lebens. Aber vieles, was sich bisher den rechten menschlichen Beziehungen entgegengestellt hat, muss und soll ausgemerzt werden.

Sollen wir zum Beispiel im Geschichtsunterricht wieder zu der alten üblen Gewohnheit zurückkehren, dass jede Nation sich oft zum Nachteil anderer Nationen selbst verherrlicht, wobei Tatsachen systematisch entstellt und die zahlreichen Kriege der Jahrhunderte als die Höhepunkte der Geschichte gepriesen werden? Sollen wir weiterhin eine Geschichte der Aggression, des Aufkommens einer materiellen, selbstsüchtigen Zivilisation lehren, die den nationalistischen und daher separatistischen Geist genährt, Rassenhass gefördert und Nationalstolz aufgestachelt hat? Das erste Geschichtsdatum, an das sich das englische Durchschnittskind gewöhnlich erinnert, ist «Wilhelm der Eroberer, 1066». Beim amerikanischen Kind ist es die Landung der Pilgerväter und allmähliche Beschlagnahme des den rechtmässigen Einwohnern gehörenden Landes und vielleicht noch die «Boston Tea Party». Fast alle Helden der Geschichte sind Krieger - Alexander der Grosse, Julius Cäsar, der Hunnenkönig Attila, Richard Löwenherz, Napoleon, George Washington und viele andere. Geographie ist weitgehend Geschichte in anderer Form, aber in ähnlicher Art dargestellt, eine Geschichte der Entdeckungen, Erforschung und Besitznahme, der oft die schlechte und grausame Behandlung der Einwohner der entdeckten Länder folgte. Habgier, Ehrgeiz, Grausamkeit und Hochmut bilden den Grundton unseres Geschichts- und Geographie-Unterrichts.

Die Kriege, Aggressionen und Diebstähle, die jede grosse Nation ausnahmslos gekennzeichnet haben, sind Tatsachen und können nicht weggeleugnet werden. Gewiss ist es aber möglich, die Lehren des Bösen, das diese Tatsachen hervorriefen (und das im Krieg 1914/1945 einen Höhepunkt erreichte) deutlich zu machen, die alten Ursachen der heutigen Vorurteile und Abneigungen aufzuzeigen und deren Zwecklosigkeit hervorzuheben. Es müsste doch gelingen, unsere Geschichtstheorie auf die grossen und guten Ideen aufzubauen, welche die Nationen geformt und zu dem gemacht haben, was sie sind, und die Kreativität herauszustellen, die sie alle ausgezeichnet hat. Können wir nicht auf wirksamere Weise die grossen kulturellen Epochen darstellen, welche - plötzlich in irgendeiner Nation auftauchend - die ganze Welt bereicherten und der Menschheit ihre Literatur, ihre Kunst und ihre Vision schenkten?

Der vergangene Krieg hat grosse Völkerbewegungen verursacht. Armeen sind durch alle Teile der Welt marschiert und haben überall gekämpft; verfolgte Völker sind aus einem Land ins andere geflohen; Hilfspersonal der Wohlfahrtsorganisationen ging von einem Land zum anderen, um den Soldaten zu helfen, Kranke zu retten, Hungrige zu ernähren und überall die Verhältnisse zu studieren. Die Welt ist heute sehr klein geworden, und die Menschen entdecken (manchmal zum ersten Mal im Leben), dass die Menschheit eine Einheit ist und dass alle Menschen ungeachtet ihrer Hautfarbe oder des Landes, in dem sie leben, einander gleichen. Wir vermischen uns heute alle. Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten besteht aus Menschen jedes bekannten Landes, und über fünfzig verschiedene Rassen oder Nationen bilden das heutige Russland. Grossbritannien ist eine Gemeinschaft von Nationen, verbunden in einer Gruppe unabhängiger Staaten. Indien besteht aus einer Vielheit von Völkern, Religionen und Sprachen, daher auch seine vielen Probleme. Die Welt selber ist ein grosser Schmelztiegel, aus dem die Eine Menschheit hervorkommt. Deshalb ist in der Darstellung von Geschichte und Geographie eine drastische Änderung der Methoden nötig. Die Wissenschaft war immer universell. Grosse Kunst und Literatur haben schon immer der ganzen Welt gehört. Auf diesen Tatsachen muss die Erziehung aller Kinder der Welt aufgebaut werden, - auf unseren Gleichartigkeiten, unseren schöpferischen Errungenschaften, unseren geistigen Idealen und unseren Berührungspunkten. Solange das nicht geschieht, werden die Wunden der Nationen nie heilen und die seit Jahrhunderten bestehenden Grenzen nie beseitigt werden.

Die Erzieher, welche die gegenwärtigen Möglichkeiten der Welt vor sich sehen, sollten dafür sorgen, dass für die kommende Zivilisation eine gesunde Grundlage geschaffen wird; sie müssen das ihre tun, damit es eine allgemeingültige, gemeinschaftliche, weltumfassende Zivilisation wird, die in ihrer Darstellung wahr und in ihren Bestrebungen konstruktiv ist. Die Schritte, die von den Erziehern der verschiedenen Länder unternommen werden, werden unvermeidlich bestimmen, welcher Art die kommende Zivilisation sein wird. Sie müssen sich auf eine Erneuerung aller Gebiete der Kunst und auf ein neues und freies Wirken des kreativen Geistes im Menschen vorbereiten. Ausserdem müssen sie vor allem jene grossen Augenblicke in der menschlichen Geschichte besonders deutlich hervorheben, in denen das Göttliche im Menschen aufleuchtete, neue Denkrichtungen wies, neue Arten menschlicher Planungen zeitigte und dadurch den menschlichen Angelegenheiten für alle Zeiten eine neue Wendung gab. Diese Augenblicke brachten (1215) die Magna Charta hervor; sie erweckten mit Hilfe der französischen Revolution die Begriffe der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu neuem Leben, sie erzeugten die amerikanische «Bill of Rights» und gaben uns in unserer Zeit die Atlantik-Charta und die Vier Freiheiten. Dies sind die grossen Konzepte, die das neue Zeitalter mit seiner neu erstehenden Zivilisation und künftigen Kultur bestimmen müssen. Wenn unseren Kindern die Bedeutung dieser fünf grossen Deklarationen gelehrt und gleichzeitig die Nutzlosigkeit von Hass und Kriegsführung deutlich gemacht werden wird, besteht Hoffnung auf eine bessere und glücklichere und auf eine sicherere Welt.

Zwei Hauptideen sollten den Kindern jedes Landes sofort eingeprägt werden, und das sind: Der Wert des Einzelnen und die Tatsache der einen Menschheit. Die Kriegsjugend hat aus eigener Anschauung gelernt, dass menschliches Leben nur geringen Wert besitzt; die faschistischen Länder haben gelehrt, dass das Individuum gänzlich wertlos ist, ausser insoweit, als es die Pläne irgend eines Diktators durchführen hilft. In anderen Ländern werden einige Menschen und einige Gruppen - wegen ihres ererbten Ranges oder ihrer finanziellen Vormachtstellung - als wichtig und der Rest der Nation als unwichtig erachtet. In wieder anderen Ländern betrachtet sich der Einzelne selbst als von so grosser Wichtigkeit und sein Recht, zu tun, was ihm beliebt, von so grosser Bedeutung, dass seine Beziehung zum Ganzen völlig verloren geht. Und dennoch ist der Wert des Einzelnen und die Existenz jenes Ganzen, das wir Menschheit nennen, sehr eng miteinander verbunden. Das muss betont werden. Werden diese beiden Grundsätze richtig verstanden, führen sie zu einer verstärkten Kultivierung des Individuums und dann zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit als wichtiger Bestandteil der Menschheit als Ganzem.

Wir haben die physische und psychologische Rehabilitation der Kinder und der Jugend der Welt kurz gestreift. Wir haben angeregt, dass die Schulbücher neu geschrieben werden sollen und zwar im Sinne rechter menschlicher Beziehungen und nicht aus einem nationalistischen und separativen Standpunkt. Wir haben auch auf bestimmte grundlegende Ideen hingewiesen, welche sofort einbezogen werden sollten: der einzigartige Wert des Individuums, die Schönheit der Menschheit, die Beziehung des Einzelmenschen zum Ganzen und seine Verantwortung, die darin besteht, sich freiwillig und in konstruktiver Weise in den allgemeinen Plan einzufügen. Wir versuchten zu zeigen, dass die Nutzlosigkeit von Krieg, Habgier und Aggression betont werden muss, und dass wir, wenn die Sicherheit

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.