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Probleme der Menschheit, Seite 53 ff. (engl.)

Drittens, schliesslich ist Erziehung ein Prozess, durch welchen Einheit und ein Sinn für Synthese kultiviert wird. In Zukunft werden die jungen Leute gelehrt werden, sich nur im Zusammenhang mit der Gruppe, mit der Familieneinheit und der Nation zu sehen, in die ihr Schicksal sie hineingestellt hat. Man wird sie auch lehren, in Begriffen von Weltbeziehungen zu denken und ihre eigene Nation in deren Beziehungen zu anderen Nationen zu beurteilen. Dazu gehört Erziehung zu Bürgersinn, zu Elternschaft und zur Weltverständigung; sie ist grundlegend psychologischer Art und sollte Verständnis für die Menschheit als solche übermitteln. Durch diese Art von Erziehung werden wir Männer und Frauen entwickeln, die sowohl zivilisiert als auch kultiviert sind und dazu die Fähigkeit besitzen, im Laufe ihres Lebens in jene Welt der Bedeutung weiterzugehen, die hinter der Welt der äusseren Erscheinungen liegt. Dann werden sie anfangen, menschliche Ereignisse in Begriffen tieferer, geistiger und universeller Werte zu beurteilen.

Erziehung sollte der Vorgang sein, durch den die Jugend gelehrt wird, von der Ursache her auf die Wirkung zu schliessen, den Grund zu erkennen, warum bestimmte Taten unvermeidlich bestimmte Resultate zeitigen müssen und warum - bei einer gegebenen emotionalen und mentalen Ausrüstung plus ermittelter psychologischer Bewertung - genaue Lebenstendenzen determiniert werden und bestimmte Berufe und Karrieren den richtigen Entwicklungsrahmen und ein nützliches, ergebnisreiches Erfahrungsfeld bieten können.

Einige Versuche in dieser Richtung sind von gewissen Schulen unternommen worden mit der Absicht, die psychologischen Fähigkeiten eines Jungen oder Mädchens für einen Beruf festzustellen; aber diese Bestrebungen sind noch nicht ausgereift. Wenn sie in wissenschaftlicher Form durchgeführt werden, öffnen sie die Türe für wissenschaftliche Schulung; sie geben der Geschichte, der Biographie und dem Studium Bedeutung und inneren Sinn, und vermeiden dadurch blosse Übermittlung von Fakten und den primitiven Vorgang des Gedächtnistrainings, welche die vergangenen Methoden kennzeichneten.

Die neue Erziehung wird Vererbung, soziale Stellung, nationale Prägung und Umwelt des Kindes sowie seine individuelle mentale und emotionale Ausrüstung gebührend berücksichtigen. Sie wird ihm die gesamte Welt des für ihn Erreichbaren eröffnen und ihm erklären, dass scheinbare Hindernisse seines Fortschritts nur ein Ansporn für erneutes Bemühen sind. So wird man bestrebt sein, das Kind aus jedem begrenzenden Zustand herauszuziehen (in der wahren Bedeutung des Wortes «Erziehung»), und es lehren, in Begriffen konstruktiven Weltbürgertums zu denken. Auf Wachstum und immer weiteres Wachstum wird dabei das Hauptgewicht gelegt werden.

Der Erzieher der Zukunft wird sich dem Jugendproblem vom Standpunkt der instinktiven Reaktion der Kinder, von ihrer intellektuellen Fähigkeit und ihrer Intuitionsmöglichkeit aus nähern. In der Kindheit und während der ersten Schuljahre wird die Entwicklung richtiger instinktiver Reaktionen überwacht und ausgebildet werden; in den höheren Klassen, die den Oberschulen entsprechen, werden die intellektuelle Entfaltung und die Beherrschung des Denkvorganges betont werden, während an den Hochschulen und Universitäten die Entwicklung der Intuition, die Wichtigkeit von Ideen und Idealen und die Entfaltung des abstrakten Denk- und Wahrnehmungsvermögens gefördert werden wird; diese letzte Stufe wird sich in vernünftiger Weise auf das vorhergehende gesunde intellektuelle Fundament stützen. Diese drei Faktoren - Instinkt, Intellekt und Intuition - bestimmen die Leitgedanken für die drei Schulinstitutionen, die jeder junge Mensch durchmachen wird und durch die schon heute viele Tausende hindurchgehen.

In den modernen Schulen (Elementarschulen, Mittel- und Oberschulen, Hochschulen und Universitäten) kann ein unvollkommenes, aber symbolisches Bild des dreifachen Zieles der kommenden Erziehung gesehen werden, nämlich Zivilisation. Kultur und Weltbürgertum oder Einheit.

Die Elementarschulen könnten als die Hüter der Zivilisation angesehen werden. Sie müssen damit beginnen, das Kind über das Wesen der Welt zu belehren, in der es seine Rolle spielen soll, indem sie ihm seinen Platz in der Gruppe zeigen und es auf ein intelligentes Leben und richtige soziale Beziehungen vorbereiten. Lesen, Schreiben und Rechnen, die Anfangsgründe der Geschichte (mit Betonung der Weltgeschichte), Geographie und Dichtung werden gelehrt und gewisse wichtige Grundfakten des Lebens übermittelt, und es wird deutlich gemacht werden müssen, dass Selbstbeherrschung notwendig ist.

Die Mittelschulen und höheren Lehranstalten sollten sich als die Bewahrer der Kultur betrachten, die umfassenderen Werte der Geschichte und Literatur betonen und einiges Verständnis für Kunst übermitteln. Sie müssten mit der Vorbereitung des jungen Menschen auf den zukünftigen Beruf oder die Lebensweise beginnen, von der anzunehmen ist, dass sie einmal sein Leben bestimmen wird. Staatsbürgerkunde wird in breiteren Begriffen gelehrt und gültige Wertmassstäbe und Idealismus werden bewusst und ausdrücklich kultiviert werden. Die praktische Anwendung von Idealen wird deutlich hervorgehoben werden.

Unsere Hochschulen und Universitäten sollten eine Erweiterung dessen bieten, was bisher übermittelt wurde. Sie müssen das errichtete Gebäude verschönern und vervollkommnen und sich unmittelbar mit der Welt der Bedeutung befassen. Internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, politischer und religiöser Art müssen betrachtet und der eigene Bezug des jungen Menschen zur Welt als Ganzes muss hervorgehoben werden. Dies bedeutet keineswegs eine Vernachlässigung individueller oder nationaler Probleme oder Unternehmungen, sondern soll sie dem Ganzen als integrale und wirksame Teile einfügen und dadurch die separative Einstellung vermeiden, die den Zusammenbruch unserer modernen Welt herbeigeführt hat.

Später (wenn echte Religion wieder hergestellt ist) könnte es sich erweisen, dass diese Schulung eine grundlegend geistige ist, geistig im Sinne von Verstehen, Hilfsbereitschaft, Brüderlichkeit, rechten menschlichen Beziehungen und einem Glauben an die Wirklichkeit jener Welt, die hinter der sichtbaren liegt. Die Ausrüstung eines Menschen für Bürgerschaft im Reiche Gottes besteht nicht in einer religiösen Tätigkeit, die ausschliesslich von den Kirchen und vermittels theologischer Lehren behandelt wird, obschon es vieles gäbe, was diese tun könnten. Es ist mit Sicherheit die Aufgabe der höheren Erziehung, allem, was getan worden ist, Ziel und Bedeutung zu verleihen.

Wenn wir das Curriculum betrachten, das für die Jugend der gegenwärtigen Generation geplant werden soll, bietet sich folgende Einteilung an:

Grundschule #Zivilisation #Alter 4-12

Oberschule #Kultur #Alter 12-18

Hochschule #Weltbürgertum #Alter 18-25

In Zukunft wird die Pädagogik einen viel umfassenderen Gebrauch von der Psychologie machen müssen als bisher. Ein Trend in diese Richtung ist schon deutlich erkennbar. Das Wesen des Jungen oder Mädchens - in physischer, vitaler, emotionaler und mentaler Hinsicht - wird sorgfältig untersucht, und seine noch unklaren Lebensziele werden in richtige Bahnen gelenkt. Das Kind wird dazu erzogen, sich selbst als den zu sehen, der handelt, fühlt und denkt. Auf diese Weise wird die Verantwortlichkeit des zentralen «Ich» oder des Bewohners des Körpers deutlich. Das wird die gesamte heutige Einstellung der Weltjugend gegenüber ihrer Umgebung ändern und sie von Anfang an zu der Erkenntnis führen, dass sie eine Rolle zu spielen und Verantwortung zu übernehmen hat. Erziehung wird dann als eine Vorbereitungsmethode auf eine interessante und als nützlich erkannte Zukunft betrachtet werden.

Es wird daher immer klarer, dass die künftige Erziehung in einem neuen und erweiterten Sinne als die Wissenschaft von den rechten menschlichen Beziehungen und der sozialen Organisation definiert werden könnte. Dies gibt jedem darauf ausgerichteten Curriculum eine relativ neue Zielsetzung und zeigt doch, dass nichts, was bisher darin enthalten war, jetzt ausgeschlossen werden müsste; es wird lediglich eine bessere Motivation erkennbar, und jede nationalistische, selbstsüchtige Darstellung wird vermieden. Wird zum Beispiel Geschichte auf der Grundlage der Ideen gelehrt, welche die Menschheit beeinflusst und vorwärtsgebracht haben und nicht auf der Grundlage von Angriffskriegen und internationalen oder nationalen Diebstählen, dann wird sich die Erziehung mit der richtigen Erkenntnis und Anwendung von Ideen befassen, mit deren Umwandlung in wirkende Ideale und deren Auswirkung als Wille zum Guten, Wille zur Wahrheit und Wille zur Schönheit. Auf diese Weise kommt eine sehr notwendige Änderung der Menschheitsziele zustande, weg von unseren gegenwärtig auf Wettbewerb und materialistischen Zielen beruhenden Bestrebungen, hin zu solchen, die ein besserer Ausdruck der Goldenen Regel sein und zwischen Individuen, Gruppen, Parteien und Nationen, und in der ganzen internationalen Welt rechte Beziehungen schaffen werden.

Immer stärker sollte sich Erziehung mit der Gesamtheit des Lebens ebenso befassen wie mit den Einzelheiten des täglichen individuellen Lebens. Das Kind wird als Individuum entwickelt und ausgerüstet, geschult und motiviert, und dann über seine Verantwortlichkeit dem Ganzen gegenüber sowie über den Wert seines Beitrages, den es zum Wohl der Gruppe leisten kann und muss, belehrt.

Es ist vielleicht ein Gemeinplatz zu sagen, dass sich Erziehung notwendigerweise mit der Entwicklung der Verstandeskräfte des Kindes beschäftigen sollte und nicht in erster Linie - wie das heute gewöhnlich der Fall ist - mit Gedächtnisschulung und papageienhaftem Speichern von Fakten, Daten und unzusammenhängenden, schlecht verdauten Einzelinformationen. Die Geschichte des Wachstums der menschlichen Aufnahmefähigkeit bei unterschiedlichen nationalen und rassischen Bedingungen ist von grösstem Interesse. Die herausragenden Gestalten der Geschichte, Literatur, Kunst und Religion werden dann sicher vom Standpunkt ihrer Wirkung und ihres guten oder schlechten Einflusses auf ihre Zeit sowie auf Qualität und Ziel ihrer Führerschaft aufmerksam studiert werden. So wird das Kind eine grosse Menge historischer Information, Idealismus und Philosophie nicht nur mit grösster Leichtigkeit, sondern auch mit bleibender Wirkung auf seinen Charakter aufnehmen können.

Die Kontinuität des Bemühens, die Auswirkungen alter Tradition auf die Zivilisation, auf gute und schlechte Ereignisse und die Wechselwirkung der verschiedenen kulturellen Aspekte der Zivilisation, werden der Aufmerksamkeit des Kindes nahegebracht werden und die trockenen Informationen, Daten und Namen werden wegfallen. Auf diese Weise könnten alle Zweige des menschlichen Wissens wieder zum Leben erwachen und eine neue Stufe konstruktiven Nutzens erlangen. Es besteht bereits eine deutliche Tendenz in dieser Richtung, und das ist gut und vernünftig. Es wird immer mehr anerkannt, dass die Vergangenheit der Menschheit der Ausgangspunkt für das jetzige Geschehen, und die Gegenwart der bestimmende Faktor für die Zukunft ist; dadurch werden grosse und notwendige Veränderungen in der menschlichen Psychologie als Ganzes bewirkt.

Unter dem Einfluss der neuen Zeit sollte auch die schöpferische Befähigung des Menschen grössere Aufmerksamkeit erfahren; das Kind wird entsprechend seinem Temperament und seiner Fähigkeit zu persönlicher Anstrengung angespornt werden. So wird es veranlasst, das, was ihm an Schönheit und richtigen Gedanken zur Verfügung steht, zur Gesamtsumme des menschlichen Denkpotentials beizutragen; es wird dazu ermutigt, zu forschen, und die Welt der Wissenschaft wird sich vor ihm auftun. Hinter all diesen praktisch verwerteten Antrieben werden die Motive des guten Willens und rechter menschlicher Beziehungen zu finden sein.

Schliesslich sollte die Erziehung mit Sicherheit die Hypothese von der Seele als den inneren Faktor im Menschen verdeutlichen, der das Gute, Wahre und Schöne hervorbringt. Schöpferischer Ausdruck und humanitäre Bemühungen werden dadurch eine logische Grundlage erhalten. Dies wird dann nicht, wie es heute der Fall ist, durch eine theologische oder doktrinäre Darlegung geschehen, sondern in der Form eines zu untersuchenden Problems und mit dem Bemühen, die Frage zu beantworten: Was ist der Mensch? Was ist sein eigentlicher Zweck innerhalb des Systems der Dinge? - Die Lebendigkeit des Einflusses und die proklamierten Ziele hinter den seit Jahrhunderten in Erscheinung tretenden geistigen, kulturellen und künstlerischen Führern der Welt, werden studiert, und ihr Leben wird sowohl vom historischen als auch vom psychologischen Standpunkt aus erforscht werden.

Dies wird der Jugend der Welt das ganze Problem der Führerschaft und der Motive aufschliessen. Erziehung wird daher in Form von menschlichen Interessen, menschlichen Errungenschaften und Möglichkeiten dargeboten werden. Das wird in einer Weise geschehen, die des Schülers Denken nicht nur mit historischen und literarischen Fakten bereichert, sondern auch seine Vorstellungskraft beleben und Ehrgeiz und Streben nach wahren, richtigen Grundlinien wecken. Die Welt menschlicher Bemühungen in der Vergangenheit wird dem Lernenden in einer gültigeren Perspektive dargeboten und die Zukunft wird ihm eröffnet durch einen Appell auch an seine persönliche Anstrengung und seinen persönlichen Beitrag.

All das bedeutet keineswegs eine Anklage der alten Methoden, ausser insoweit, als die heutige Welt selber eine Anklage darstellt; es handelt sich weder um eine unpraktische Vision noch um eine mystische Hoffnung, die auf Wunschdenken beruht. Es bezieht sich auf eine Einstellung zum Leben und zur Zukunft, die heute viele Tausende von Menschen haben, darunter viele Erzieher in jedem Lande. Die Missgriffe und Fehler der alten Methoden sind deutlich sichtbar, aber es ist hier schade um die Zeit, sie hervorzuheben oder im Einzelnen aufzuzählen.

Was benötigt wird, ist das Erfassen der unmittelbaren günstigen Gelegenheit und die Erkenntnis, dass ein erfolgreicher Wandel der Zielsetzung und eine Änderung der Methoden lange dauern werden. Wir werden unsere Lehrer anders ausbilden müssen, und viel Zeit wird vergehen, während wir nach neuen und besseren Wegen suchen, neue Schulbücher erarbeiten und die Männer und Frauen finden, die von der neuen Vision beeindruckt werden können und für die neue Zivilisation wirken werden. Wir versuchen hier nur, Prinzipien zu unterstreichen, geben dabei aber

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