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Briefe über okkulte Meditation, Seite 142 ff. (engl.)
eine Erweiterung des Gesichtsfeldes, und dadurch gelangt die sich selbst erkennende Einheit Schritt für Schritt von der Selbsterkenntnis zur Erkenntnis von höheren Selbstbegriffen, bis sie so weit ist, ihrerseits als ein höheres Selbst anerkannt zu werden, um dann schliesslich zur okkulten Erkenntnis des eigenen höheren Selbst zu gelangen. Der Mensch erkennt dann sein höheres Selbst oder Ego als sein wahres Selbst, und aus diesem Stadium geht er über zu dem des Gruppenbewusstseins. Hier erkennt er zunächst seine egoische Gruppe und dann andere egoische Gruppen.

Auf dieses Stadium folgt die Erkenntnis des Universalprinzips der Bruderschaft; dabei handelt es sich nicht nur um eine theoretische Erkenntnis, sondern um ein Übergehen des eigenen in das Bewusstsein der menschlichen Gesamtheit; wir haben es hier in Wirklichkeit mit einer Entwicklung des Bewusstseins zu tun, die es dem Menschen möglich macht, nicht nur seine egoischen Gruppenverbindungen zu erkennen, sondern seinen Platz in der menschlichen Hierarchie auf deren eigener Ebene zu finden. Er weiss sich dann de facto als ein Teil von einem der grossen Himmlischen Menschen. Dieses Gesichtsfeld dehnt sich später zu einer beinahe unbegreiflichen [143] Weite aus -, und er erkennt seinen Platz im grossen Himmlischen Menschen, wie dieser sich im Logos selbst darstellt.

Weiter brauchen wir für unsere Zwecke nicht zu gehen, denn diese Briefe verfolgen nicht die Absicht, kosmisches Bewusstsein zu entwickeln.

Daraus geht klar hervor, dass all diese Stadien systematisch durchgemacht werden müssen und dass jedes davon Schritt für Schritt zu meistern ist. Zunächst muss einmal die Tatsache erfasst werden, dass die Stelle, auf der die Ausdehnung stattfindet und deren Erkenntnis bewusst wird, letztlich im denkenden, wachen Bewusstsein liegen muss. Auf seiner eigenen Ebene mag sich das Ego der Einheit seines Bewusstseins mit allen anderen Bewusstseinsträgern durchaus gewahr sein und dort seine Gruppe als eins mit sich selbst erkennen; solange sich aber der Mensch (in seinem physischen Bewusstsein) nicht selbst zu jener gleichen Ebene erhoben hat und auch physisch um sein Gruppenbewusstsein weiss und solange er sich nicht als das höhere Selbst innerhalb der egoischen Gruppe, sondern als getrennte Einheit ansieht, bedeutet das alles praktisch nicht mehr und nicht weniger als eine Theorie, die man anerkennt, ohne sie erfahrungsmässig zu erleben.

Ein Mensch muss diese Stadien in seinem physischen Bewusstsein erfahren und praktisch - nicht nur theoretisch - wissen, wovon ich spreche, ehe er für reif befunden wird, auf die nächsten Stufen vorzurücken. Letzten Endes kommt alles darauf an, dass das Denkvermögen erweitert wird, bis es das niedere Denken beherrscht, und dass die Fähigkeit abstrakter Erkenntnis erworben wird, die sich schliesslich auf der physischen Ebene auswirkt. Dies bedeutet, dass wir unsere höchsten Theorien und Ideale zu nachweislichen Tatsachen machen, dass das Höhere mit dem Niederen verschmolzen und das Niedere so ausgerüstet wird, dass es das Höhere in angemessener Weise auszudrücken vermag. Hierbei spielt die Meditationsübung ihre Rolle. Die wahre wissenschaftliche Meditation [144] benutzt abgestufte Formeln, durch welche das Bewusstsein gehoben und das Denken erweitert wird, bis es folgendes umfasst:

1. Die Familie und die Freunde des Betreffenden.

2. Die Mitmenschen seiner Umgebung.

3. Die Gruppen, mit denen er in Verbindung steht.

4. Seine egoische Gruppe.

5. Andere egoische Gruppen.

6. Jenen Himmlischen Menschen, von dem die egoischen Gruppen ein Zentrum sind.

7. Den grossen Himmlischen Menschen.

Zu diesem Zweck werden später (je nach dem Strahl des einzelnen) gewisse Formeln festgelegt, die ihn stufenweise seinem Ziel näherbringen werden. Soweit habe ich mich mit dem Bewusstsein selbst befasst und mit dem Ziel, dem es zustrebt, d.h. also mit den ersten beiden Punkten dieses Kapitels. Damit komme ich zu den zwei übrigen Punkten, nämlich zu den Mitteln, die zum gewünschten Erfolg führen.

Wenn ein Mensch mit okkulter Entwicklung beginnt und nach dem Höheren strebt, dann hat er das Stadium des Durchschnittsmenschen hinter sich - eines Menschen, der sich als isolierte Einheit betrachtet und nur sein eigenes Wohl im Auge hat. Der Aspirant strebt nach etwas anderem; er trachtet danach, sich mit seinem höheren Selbst und mit allem, was dieser Begriff in sich einschliesst, zu verschmelzen. Die nachher folgenden Stadien und alle damit verbundenen Schwierigkeiten bilden die Geheimnisse der Einweihung, und damit haben wir nichts zu tun.

Das Streben nach dem Ego und die Erlangung jener höheren Bewusstseinsstufe, die ihrerseits die Entwicklung von Gruppenbewusstsein zur Folge hat, ist jedoch etwas, woran alle Leser dieser Briefe unmittelbar interessiert sind. Es bedeutet den nächsten Schritt für alle diejenigen, welche sich auf dem Probepfad befinden. Es genügt dabei nicht, dass man sich einfach dreissig Minuten täglich bestimmten, festgelegten Meditationsformeln widmet. Vielmehr handelt es sich darum, Stunde um Stunde, Tag für Tag und von [145] morgens bis abends bestrebt zu sein, das Bewusstsein so nahe wie möglich auf der Höhe festzuhalten, die während der Morgenmeditation erreicht wurde. Das bedingt die Entschlossenheit, sich selbst jederzeit als das Ego zu betrachten und nicht als eine abgesonderte Persönlichkeit. Später, wenn das Ego mehr und mehr die Kontrolle übernimmt, gesellt sich dazu auch die Fähigkeit, sich als Teil einer Gruppe zu betrachten, ohne eigene Interessen und Wünsche, ohne Ziele oder Begehren, die ausserhalb des Wohls jener Gruppe liegen. Dazu bedarf es steter Wachsamkeit zu jeder Stunde, um ein Zurückgleiten in die niedere Vibration zu vermeiden. Das erfordert andauernden Kampf mit dem niederen Selbst, das uns hinunterzieht, es bedeutet ein Ringen ohne Ende, um die höhere Vibration aufrecht zu erhalten. Und - das möchte ich dem Leser mit allem Nachdruck einprägen - das Ziel besteht darin, dass die Gewohnheit entwickelt wird, den ganzen Tag lang zu meditieren und im höheren Bewusstsein zu leben, bis dieses so gefestigt wird, dass das niedere Denken, das Wunschleben und die physischen Elementarkräfte durch Mangel an Nahrung so eingeschrumpft und ausgehungert werden, dass die dreifache niedere Natur zum blossen Werkzeug wird, durch welches das Ego mit der Welt in Berührung tritt, um der Menschenrasse zu helfen.

Wer das tut, erreicht etwas, wovon sich der Durchschnittsschüler kaum einen Begriff macht. Er erbaut eine Form, eine bestimmte Gedankenform, die er schliesslich bei seinem Übertritt aus der niederen in die höhere Bewusstseinsebene als Träger benutzt, eine Art von Mayavirupa, die ihm als mittelbarer Wegbereiter dient. Diese Formen sind gewöhnlich, wenn auch nicht immer, von zweierlei Art:

Mit Hingabe, Sorgfalt und Liebe erbaut der Schüler täglich eine Form seines Meisters, der für ihn das verkörperte Ideal des höheren Bewusstseins ist. In der Meditation entwirft er die Umrisse dieser Form, und in seinem täglichen Leben und Denken gibt er ihr greifbare Substanz. Die Form wird mit allen Tugenden ausgestattet, [146] schillert in allen Farben und wird zunächst einmal durch die Liebe des Menschen zu seinem Meister belebt und später (wenn sie für den Zweck hinreicht) durch den Meister selbst. Auf einer bestimmten Entwicklungsstufe bildet diese Form die Grundlage für die okkulte Erfahrung des Eingehens in das höhere Bewusstsein. Der Mensch erkennt sich als ein Teil des Bewusstseins des Meisters, und vermittelst dieses allumfassenden Bewusstseins schlüpft er bewusst in die egoische Gruppenseele hinein. Jene Form dient so lange als Mittel für diese Erfahrung, bis es auch ohne sie geht und der Mensch sich nach Belieben in seine Gruppe hineinversetzen kann, um später dort bewusst dauernden Aufenthalt zu nehmen. Diese Methode ist die am meisten benutzte und ist der Pfad der Liebe und Hingabe.

Bei der zweiten Methode erschaut sich der Schüler als den idealen Menschen. Er sieht sich als den Exponenten aller Tugenden und versucht in seinem täglichen Leben, seinem Idealbilde gleich zu werden. Diese Methode wird von den mehr mentalen Typen benützt, von den Intellektuellen und denjenigen, deren Strahl weniger von Liebe, Hingabe oder von Harmonie gefärbt ist. Sie ist weniger üblich als die erste. Die solcherart errichtete mentale Gedankenform dient als Mayavirupa wie im ersten Fall, und der Betreffende geht von diesen Formen aus in das höhere Bewusstsein über. Natürlich müssen beim Erbauen dieser Formen gewisse Schritte unternommen werden, und jeder Typus wird seine Form auf seine Weise erschaffen.

Der erste Typus wird mit irgend jemandem anfangen, den er liebt, und von ihm aus auf dem Weg über verschiedene andere Individuen schliesslich zum Meister emporsteigen.

Der andere Typus wird zunächst über die am meisten ersehnte Tugend meditieren und der Form dann nacheinander weitere Tugenden hinzufügen, bis sie alle an der Reihe waren und plötzlich ein Kontakt mit dem Ego entsteht.

Morgen wollen wir dasselbe Thema von einem anderen Gesichtswinkel [147] aus betrachten und den Unterschied zwischen dem Okkultisten und dem Mystiker untersuchen.

8. August 1920

2. Formeln, wie sie der Okkultist und der Mystiker anwendet

Das Thema dieses Briefes sollte von Interesse sein, denn wir wollen uns mit Formeln befassen, wie sie seitens des Okkultisten und des Mystikers benützt werden.

Es dürfte angebracht sein, zunächst einmal den genauen Unterschied zwischen beiden klarzulegen. Da möchte ich mit der Feststellung einer Tatsache beginnen. Der Mystiker ist nicht notwendigerweise ein Okkultist, aber der Okkultist schliesst den Mystiker in sich ein. Der Mystizismus ist nur ein Schritt auf dem Weg zum Okkultismus. In diesem Sonnensystem - dem System tätiger Liebe - liegt der Pfad des Mystikers oder der Pfad der Liebe und Hingebung den meisten Menschen am nächsten. Im nächsten Sonnensystem wird der Pfad, den wir heute den okkulten nennen, der natürlichen Neigung entsprechen. Der mystische Pfad wird dann der Vergangenheit angehören. Worin liegt nun der Unterschied zwischen beiden?

Der Mystiker befasst sich mit dem Gott im Innern; der Okkultist befasst sich mit der Form, mit Gott in der sichtbaren Schöpfung.

Der Mystiker wirkt vom Zentrum aus zur Peripherie hin; der Okkultist macht es umgekehrt.

Der Mystiker wächst durch Sehnen und intensive Hingabe an den Gott im Innern oder an den Meister, den er erkennt; der Okkultist kommt dadurch ans Ziel, dass er das Gesetz in seiner Auswirkung erkennt, und indem er das Gesetz, das die Materie in Banden hält, geschickt handhabt, passt er es den Bedürfnissen des innewohnenden Lebens an. Dadurch tritt der Okkultist allmählich mit jenen Intelligenzen in Berührung, die das Gesetz handhaben, bis er die grundlegende Intelligenz selbst erreicht.

Der Mystiker [148] wirkt durch die Strahlen der Liebe, der Harmonie und der Hingabe oder auf dem Pfad des zweiten, vierten und sechsten Strahls. Der Okkultist wirkt durch die Strahlen der Macht, der Aktivität und des Zeremoniengesetzes, d.h. also durch den ersten, dritten und siebenten Strahl. Beide treffen und vereinigen sich durch die Entwicklung des Denkvermögens oder durch den fünften Strahl konkreten Wissens (ein Bruchstück kosmischer Intelligenz), und auf diesem fünften Strahl wird der Mystiker zum Okkultisten und benutzt von da an alle Strahlen.

Indem er das Reich Gottes in seinem Innern entdeckt und die Gesetze seines eigenen Wesens erforscht, gewinnt der Mystiker Einblick in die Gesetze des Weltalls, dessen Teil er ist. Der Okkultist erkennt das Reich Gottes in der Natur oder im Sonnensystem und betrachtet sich als einen kleinen Teil jenes grösseren Ganzen, der daher den gleichen Gesetzen unterliegt.

Der Mystiker wirkt im allgemeinen im Bereich des Weltlehrers, also des Christus, und der Okkultist häufiger in dem des Manu, des Regenten; wenn aber beide Typen die vier niederen Strahlen im Bereich des Herrn der Zivilisation durchschritten haben, dann wird eine Vollendung ihrer Entwicklung erkennbar, und der Mystiker wird zum Okkultisten und der Okkultist schliesst die Merkmale des Mystikers in sich ein. Um das allgemeinverständlich auszudrücken, lässt sich sagen: Nach der Einweihung wird der Mystiker eins mit dem Okkultisten, denn.er ist dann zum Erforscher okkulten Gesetzes geworden; er muss sich mit der Materie befassen, mit ihrer Handhabung und ihrem Gebrauch, und er muss alle niederen Ausdrucksformen meistern und kontrollieren lernen und die Regeln herausfinden, nach denen die bauenden Devas vorgehen. Vor der Einweihung liesse sich der mystische auch als der Probepfad bezeichnen. Ehe der Okkultist die Materie des Sonnensystems einsichtsvoll behandeln kann, muss er die Gesetze beherrschen, die im Mikrokosmos obwalten; und obwohl er sich natürlicherweise auf [149] dem okkulten Pfad befindet, muss er doch erst den Gott innerhalb seines eigenen Wesens finden, ehe er sich ohne Gefahr auf den Pfad okkulten Gesetzes wagen darf.

Der Mystiker arbeitet sich vom Gefühl zur Intuition durch und von dort aus zur Monade oder zum Geist. Der Weg des Okkultisten führt von der physischen zur

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