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Die unvollendete Autobiographie, Seite 182 ff. (engl.) |
könnten alle ein gewisses Mass von geistiger Erkenntnis erlangen, wenn sie es
wirklich ernst damit meinten, dass das aber Opfer kosten würde, wie ich sie
selbst in meinem Leben bringen musste. Ich erzählte ihnen, dass ich gelernt
hätte, während des Bügelns von Kindersachen gleichzeitig ein Buch über geistige
oder okkulte Dinge zu lesen, und dass ich dabei trotzdem nicht die Kleider
versengte. Ich sagte ihnen, dass sie beim Kartoffelschälen oder Aushülsen von
Erbsen ihr Denken regulieren und mentale Konzentration und geistige Orientierung
erlernen könnten, denn genau das hatte ich selber tun müssen, da ich einfach
nicht daran glaubte, dass man seine Familie und deren Wohlergehen den eigenen
geistigen Bestrebungen zum Opfer bringen dürfe. Am Ende der Vorlesung stand eine
Frau unter den Zuhörern auf und erteilte mir einen öffentlichen Verweis dafür,
dass ich mich vor so vielen Leuten mit solch unwichtigen Kleinigkeiten
blossgestellt hätte. Ich antwortete ihr mit der Erklärung, dass ich das
Wohlergehen der Familie keinesfalls als unwichtige Kleinigkeit betrachten könne
und dass ich dabei immer an eine gewisse Frau denken müsse, die eine bekannte
Rednerin und Lehrerin war, die sich aber bei ihrer Familie mit sechs Kindern nie
sehen liess, sondern die Verantwortung für deren Wohlergehen irgend jemandem
überliess, der sich gerade dazu hergab.
Ich persönlich habe durchaus nichts für einen Menschen übrig, der seine geistigen Ziele auf Kosten seiner Familie oder Freunde fördert. Das findet man gar zu häufig in verschiedenen okkulten Gruppen. Wenn Leute zu mir kommen und mir sagen, dass ihre Familien kein Verständnis für ihre geistigen Bestrebungen haben, dann lege ich ihnen folgende Fragen vor: «Lassen Sie ihre okkulten Bücher herumliegen, um die anderen damit zu ärgern? Verlangen sie vollkommene Ruhe im Haus, während sie ihre Morgenmeditation abhalten? Muss sich die Familie um ihr Abendbrot selber kümmern, während sie eine Versammlung besuchen?» Gerade in diesen Dingen machen sich okkulte Schüler so lächerlich und bringen den ganzen Okkultismus in einen schlechten Ruf. Das geistige Leben vollzieht sich nicht auf Kosten anderer, und wenn andere Leute darunter leiden müssen, weil man selbst in den Himmel kommen möchte, dann hat die Sache eben einen Haken. Wenn mich irgend jemand in der Welt ermüdet, anödet und krank macht, dann ist es der akademische, technische Okkultist. Ähnlich geht es mir mit den Einfaltspinseln, die denken, dass sie mit den Meistern in Verbindung stünden, und die geheimnisvoll von Mitteilungen sprechen, die sie von den Meistern erhalten hätten. Meine Einstellung zu all solchen Mitteilungen ist folgende: «Ich glaube, das hat der Meister gesagt; ich glaube, dies ist die Lehre, aber bitte, folgen sie ihrer eigenen Intuition, denn vielleicht habe ich unrecht». Manche mögen mich deshalb für einen Aal halten, der sich gerne herauswindet, aber ich lasse eben allen Menschen die Freiheit zur selbständigen Meinungsbildung. Diese Berührung mit der breiten Öffentlichkeit begann im Jahr 1921 und leitete eine recht schwierige Periode meines Lebens ein. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass astrologisch Krebs mein aufsteigendes Zeichen sein muss, weil ich mich gern verstecken und nicht gesehen werden möchte; und der Bibelvers, der mir immer besonders wichtig erschien, bezieht sich auf den «Schatten eines grossen Felsens im trockenen Land» (Jesaja 32, 2). Viele führende Astrologen haben sich damit amüsiert, mein Horoskop aufzustellen. Die meisten geben mir Löwe als aufsteigendes Zeichen, weil sie mich für eine ausgesprochene Individualistin halten. Einer von ihnen hat mir Krebs als aufsteigendes Zeichen zugewiesen, weil er meine Scheu vor der Öffentlichkeit kannte und mitempfand, und dieser Umstand bestimmte ihn wohl zu der Annahme, dass Krebs mein aufsteigendes Zeichen sei. Ich selbst glaube jedoch, dass die Fische mein aufsteigendes Zeichen sind. Mein Mann und eine meiner Töchter sind in diesem Zeichen geboren, es ist das Zeichen des Mediums oder des Vermittlers. Ich bin zwar kein Medium, aber ich bin eine Art von «Mittelsperson» zwischen der Hierarchie und der Allgemeinheit. Ich sage mit Absicht «Allgemeinheit» und nicht «okkulte Gruppen». Ich weiss bestimmt, dass die Allgemeinheit für ein gesundes Wissen über die Meister aufgeschlossener, und auf eine normale und vernünftige Auslegung okkulter Wahrheit besser vorbereitet ist als die Mitglieder einer durchschnittlichen okkulten Gruppe. Die Kinder kamen jetzt allmählich in das Alter, in dem sich ihr Bedürfnis nach körperlicher Fürsorge, das die Mutter normalerweise in Anspruch nimmt, in Bedürfnisse emotionaler Art verwandelte. Diese Zeit zwischen dem dreizehnten und neunzehnten Jahr ist eine recht schwierige, - schwierig für die Kinder und schrecklich schwierig für die Mütter. Ich bin mir durchaus nicht sicher, ob ich darauf in der richtigen Weise reagierte und mich weise verhielt, und vielleicht ist es reine Glückssache, dass meine Töchter mich heute noch gern zu haben scheinen. Sie wuchsen unter weit normaleren Umständen auf als ich, die ich doch fremden Leuten, Gouvernanten und Privatlehrern überlassen worden war, und vielleicht wurde es mir deshalb schwerer, sie zu verstehen. Ich hatte eine sehr erhabene Vorstellung von dem Verhältnis zwischen Mutter und Kindern, wie es idealerweise sein sollte. Sie hatten kein solch erhabenes Ideal. Für sie war ich bloss jemand, von dem man Hilfe erwarten konnte, die sich aber meistens ihren Wünschen entgegenstellte. Ich habe in jener kurzen Zeitspanne viel gelernt, was mir später sehr zustatten kam, wenn andere Mütter mich wegen ihrer Probleme um Rat fragten. Wenn ich auf diese Zeit zurückblicke, so bin ich ehrlich überzeugt, dass meine Kinder nicht viel Grund hatten, sich über mich zu beklagen, denn ich versuchte aufrichtig, sie zu verstehen und mich in sie einzufühlen; aber im grossen und ganzen halte ich die Einstellung der Durchschnittseltern hier in Amerika und in England für ziemlich verfehlt. Hier in den Staaten sind wir so nachlässig und nachgiebig gegenüber unseren Kindern, dass sie sehr wenig Verantwortungsgefühl oder Selbstdisziplin besitzen, während drüben in England die von den Eltern gestellten Anforderungen in bezug auf Disziplin, Überwachung und Kontrolle wahrlich genügen, um jedes Kind zur Auflehnung herauszufordern. Auflehnung ist in beiden Ländern gleichermassen das Endresultat der Erziehung. Die junge britische Generation scheint sich nach allem, was ich höre, völlig im Unklaren über die Wünsche und Belange zu sein, für welche die heutige Jugend sich in der Welt einsetzen sollte; andererseits haben sich die amerikanischen Soldaten in Europa und anderswo derartig benommen, dass sie dem Ansehen der USA in der Welt ernstlich geschadet haben. Dafür kann ich aber die amerikanischen Jungen nicht verantwortlich machen, sondern ihre Mütter, ihre Väter, ihre Lehrer und ihre Offiziere, die ihnen keine Richtlinien, kein Verantwortungsgefühl und keine wahren Lebensideale gegeben haben. Es ist bestimmt nicht ihre alleinige Schuld, wenn so viele von diesen jungen Leuten während des Krieges und in überseeischen Ländern ausser Rand und Band gerieten. Als ich im Sommer 1946 in England und auf dem europäischen Kontinent weilte, erhielt ich aus vielen Ländern Berichte aus erster Hand über ihr Benehmen; ich hörte von den Zehntausenden illegitimer Kinder, die sie unversorgt und unanerkannt zurückliessen und von den Hunderten von Mädchen, die sie heirateten und dann im Stich liessen. Besonders interessant war für mich die Feststellung, dass die Negertruppen sich eines verhältnismässig guten Rufes erfreuten, weil sie den Mädchen gegenüber höflich und nett waren und sie nicht ausnutzten, wenn die Mädchen nicht selbst dazu gewillt waren. Bei dieser Kritik der amerikanischen Soldaten, die in gewisser Beziehung auch auf die etwas mehr disziplinierten britischen Truppen zutrifft, bin ich mir natürlich über eines klar, was ich verschiedentlich in England denen gegenüber zum Ausdruck brachte, die sich bei mir über das Benehmen amerikanischer Soldaten beschwerten: «Das ist alles schön und gut, und ich nehme durchaus alles an, was sie mir von den amerikanischen Jungen sagen, aber was halten sie von den leichtsinnigen kleinen englischen, französischen und holländischen Mädchen - denn es gehören doch immer zwei zu solchem Spiel?» Obwohl unsere Jungen zu viel Geld hatten und obendrein von ihren Offizieren dazu ermuntert wurden, sich während ihrer aktiven Dienstzeit «kein Korsett anzulegen», sind die ausländischen Mädchen doch mitverantwortlich. Man kann sogar einigermassen verstehen, dass diese ausgehungerten und unterernährten Mädchen sich an unsere amerikanischen Soldaten heranmachten, wenn sie und ihre Familien dadurch etwas zu essen bekamen. Ich sage das nicht, um sie zu entschuldigen, sondern weil es sich um eine bestehende Tatsache handelt. Das Sexualproblem und das ganze Verhältnis zwischen beiden Geschlechtern ist überhaupt eine der Hauptfragen, welche die Welt im Lauf des nächsten Jahrhunderts lösen muss. Zu bestimmen, wie es gelöst werden soll, ist natürlich nicht meine Aufgabe. Es ist wohl in der Hauptsache eine Frage der vorbeugenden Erziehung, die der aufwachsenden Jugend klarmacht, dass der Tod der Sünde Lohn ist. Einer der saubersten Männer, der mir je begegnet ist, und der sich im puritanischen Sinn nie schlecht in seinem Leben benahm, sagte mir, das komme nur daher, weil ihn sein Vater als Neunzehnjähriger einmal in ein medizinisches Museum geführt und ihm einige Folgen schlechten Benehmens gezeigt habe. Ich glaube allerdings nicht, dass Furcht das richtige Mittel zur Besserung des Benehmens und zum Überwinden von Schwächen ist, aber es ist möglich, dass physisches Beweismaterial physischer Missetaten einen gewissen Wert hat. Ich will nicht weiter auf dieses Thema eingehen, aber es hat einiges mit dem Problem zu tun, vor dem ich stand, als wir uns in dem Haus in Ridgefield Park niedergelassen hatten. Ich musste meine Kinder in die öffentlichen Schulen des Staates New Jersey schicken. Ich war an den Gedanken einer gemeinsamen Erziehung von Knaben und Mädchen gewöhnt, aber nur bei Kindern unter zehn Jahren, die alle aus besseren Kreisen stammten. Ich selbst war allerdings kein Produkt einer solchen Erziehung und ich war mir deshalb gar nicht sicher, ob diese für Kinder, die allmählich in die Zehnerjahre kamen, zu empfehlen sei, aber ich hatte keine andere Wahl und musste mich damit abfinden. Wenn ein Kind in einem richtigen Heim und unter dem richtigen elterlichen Einfluss aufwächst, dann kenne ich kein besseres System als das der gemeinschaftlichen Erziehung. Das Erstaunen meiner eigenen Töchter, als sie zum ersten Mal nach England kamen und sahen, wie englische Mädchen sich englischen Jungen gegenüber benahmen, war recht amüsant. Sie stellten fest, dass diese Mädchen die englischen Jungen überschätzten, dass ihnen das sexuelle Gebiet ein tiefes Geheimnis war, und dass sie keine Ahnung hatten, wie man die Jungen eigentlich behandeln sollte; dagegen hatte das amerikanische Mädchen, das mit den Jungen zusammen aufwuchs, mit ihnen in der Schule sass, in der Frühstückspause, beim Spiel auf dem Schulhof und auf dem Schulwege ständig mit ihnen zusammen war, eine viel gesündere und vernünftigere Einstellung. Ich hoffe, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis das gemeinsame Erziehungssystem in jedem Land der Welt eingeführt sein wird. Das Rückgrat der Erziehung muss aber das Elternhaus sein, das die Lücken des Schulsystems ausfüllt und ausgleicht. Es ist wesentlich, dass die Jungen und Mädchen rechte Beziehungen und Übernahme von gegenseitiger Verantwortung lernen, und dazu gehört, dass man ihnen mancherlei Freiheit innerhalb beiderseits klar umrissener Grenzen gewährt - eine Freiheit, die auf Vertrauen beruht. Die drei Mädchen gingen also in eine Volksschule. Ich kann nicht behaupten, dass sie sich besonders auszeichneten. Sie wurden jedes Jahr versetzt, aber ich kann mich nicht entsinnen, dass sie je unter den ersten ihrer Klasse waren oder Auszeichnungen erwarben. Sie alle hatten kluge Köpfe und haben sich zu intelligenten Staatsbürgerinnen entwickelt, aber sie zeigten eben kein besonderes Interesse an der Schule. Ich weiss noch, wie Dorothy, als sie zur höheren Schule ging, mir einmal einen Leitartikel aus der New York Times brachte. Der Artikel befasste sich mit dem modernen Erziehungssystem und betonte dessen Vorteile für die Massen. Er wies aber im weiteren Verlauf auch darauf hin, dass das System hochintelligenten und schöpferisch begabten Kindern gegenüber versage. «Und das», sagte meine Tochter, «sind wir und das ist der Grund, warum wir in der Schule keine besseren Zensuren kriegen». Sie hatte wahrscheinlich recht, aber ich gab mir Mühe, mir das nicht anmerken zu lassen. Die Massenerziehung in gemischten Schulklassen leidet darunter, dass die Lehrer zu grosse Klassen haben und den einzelnen Kindern nicht genügend Aufmerksamkeit widmen können. Ich weiss noch, wie ich Mildred einmal fragte, warum sie keine Schularbeiten mache, und die Antwort erhielt: «Ach Mutti, ich hab mir ausgerechnet, dass es bei 60 Kindern in meiner Klasse drei Wochen dauern wird, bis ich beim Lehrer an die Reihe komme, und da brauche ich doch jetzt noch nichts zu tun». Immerhin schwitzten sie sich durch die Schule hindurch, wurden immer mitversetzt und erhielten die normalen Abgangszeugnisse; und das war eben alles. Sie sind aber alle sehr belesen, lernten durch Foster und mich viele interessante Menschen aus der ganzen Welt kennen und hörten vielen interessanten Gesprächen zu, so dass sie wirklich eine sehr umfassende Erziehung erhielten. Foster war zu der Zeit als Sekretär der Theosophischen Vereinigung von New York tätig, die eine unoffizielle, unabhängige Organisation war, während ich kochte, nähte, den Haushalt besorgte und zu Hause Bücher schrieb. Jeden Montagmorgen pflegten Foster und ich um 5 Uhr aufzustehen und die wöchentliche Wäsche einschliesslich Bettwäsche zu waschen, denn wir hatten wenig Geld, und erst während der letzten paar Jahre meines Lebens habe ich mich von einem Teil meiner Hausarbeit freimachen können. |
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Last updated Saturday, February 14, 1998 © 1998 Netnews Association. All rights reserved. |