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Von Bethlehem nach Golgatha, Seite 227 ff. (engl.)
gepredigt und haben eine Lehre des Hasses verbreitet. Wir haben gelehrt, dass Christus starb, um die Welt zu erretten, und haben uns bemüht zu zeigen, dass nur Gläubige erlöst werden können, obwohl Millionen leben und sterben, ohne jemals von Christus zu hören. Wir leben in einer Welt des Chaos und streben danach, ein Reich Gottes ausserhalb des laufenden täglichen Lebens und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zu errichten, und gleichzeitig setzen wir einen entfernten Himmel voraus, den wir eines Tages erlangen möchten. Aber Christus gründete ein Reich auf Erden, worin alle Kinder Gottes die gleiche Gelegenheit haben, sich selbst als Söhne des Vaters zu erweisen. Dies anzunehmen, finden viele Christen unmöglich, und einige der besten Denker unserer Generation haben solche Ideen zurückgewiesen.

Individuelle Erlösung ist gewiss selbstsüchtig in ihren Interessen und in ihrem Ursprung. Wir müssen dienen, um erlöst zu werden, und nur dann können wir intelligent dienen, wenn wir an das Göttliche in allen Menschen glauben und auch an Christi unvergleichlichen Dienst an der Menschheit. Das Reich ist ein Reich von Dienern, denn jede erlöste Seele muss ohne Kompromiss eintreten in die Reihen jener, die unaufhörlich ihren Mitmenschen dienen. Dr. Schweitzer, dessen Vision vom Reich Gottes so aussergewöhnlich und so wirklich ist, drückt diese Wahrheit und die sich daraus entwickelnde Erkenntnis in folgenden Worten aus:

«Die aufsteigenden Stufen des Dienens entsprechen den absteigenden Stufen des Herrschens.

1. Welcher will gross werden unter euch, der soll euer Diener sein, (Markus X/43)

2. Welcher unter euch will der Vornehmste werden, der soll aller Knecht sein. (Markus X/44)

3. Denn auch des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben zur Erlösung gebe für viele. (Markus X/45)

Der Höhepunkt ist ein doppelter. Der Dienst der Jünger umfasste nur ihren Kreis. Der Dienst von Jesus erstreckte sich auf eine unbegrenzte Zahl, nämlich auf all jene, die aus seinem Leiden und Sterben Nutzen ziehen sollten. Im Fall der Jünger war es bloss eine Frage der selbstlosen Unterwerfung, im Fall von Jesus [228] bedeutete es das bittere Erleiden des Todes. Aber beides zählt als Dienst, insofern sie Anspruch erwerben auf eine führende Stellung im Reich». (Das Mysterium des Reichs Gottes, von Albert Schweitzer, S. 75)

Liebe ist der Beginn und Liebe das Ende, und in Liebe dienen und wirken wir. Die lange Reise endet damit, im Glanz der Entsagung von persönlichen Wünschen und in der Widmung für den lebendigen Dienst.

VI. KAPITEL

Die fünfte Einweihung. ... Die Auferstehung und Himmelfahrt

Leitgedanke:

«Getrennt von Christus, wissen [229] wir weder, was unser Leben, noch was unser Tod ist, wissen wir weder, was Gott ist, noch was wir selbst sind». (Pascal: Pensées)

«Es gibt eine Seele über der Seele jedes einzelnen,

Eine machtvollere Seele, die dennoch zu jedem gehört.

Es besteht ein Klang, gebildet aus allem menschlichen Sprechen,

So vieltönig, wie aller Gesänge Zusammenklang.

In dieser SEELE lebt jeder, in jedem diese SEELE.

Ihre Lebenszeiten durch alle Zeitalter hindurch sind unermesslich.

Jede Seele, die stirbt, empfängt in ihrem heiligsten Ganzen Leben, das für immer dauern soll.» (Richard Watson Dixon)

Sechstes Kapitel

Die fünfte Einweihung. ... Die Auferstehung und Himmelfahrt

Diese Einweihung [231] ist zweigeteilt, und von keinem Teil wissen wir viel. Die Einzelheiten der Auferstehungs-Episode oder -Krise im Leben Christi sind von den Verfassern des Neuen Testaments nicht erzählt worden. Es war für sie nicht möglich, mehr zu wissen. Nach der Kreuzigung wird uns von Christi eigenem Leben und davon wenig gesagt, womit er sich in der Zeit zwischen seinem Auferstehen und jenem Zeitpunkt befasste, als er die Gemeinschaft der Apostel verliess und «in den Himmel auffuhr» ein symbolischer Ausdruck, der für jeden von uns sehr wenig bedeuten kann. Die entscheidende Einweihung, die von der Menschheit heute verstanden werden kann, ist die vierte. Nur, wenn wir die Bedeutung des Dienens und des Opfers erfasst haben, kann uns die Tatsache der Unsterblichkeit und ihrer wahren Bedeutung offenbart werden. Wie Christus auferstand, welchen Prozessen er sich unterzog, in was für einem Körper er genau erschien, können wir nicht sagen. Es wird uns durch die Apostel versichert, dass dieser Körper dem ähnlich war, den er vorher verwendet hatte, aber ob es derselbe Körper, wunderbar auferstanden, ob es sein geistiger Körper war, der den physischen Augen derer, die ihn liebten, als der gleiche erschien, oder ob er einen gänzlich neuen Körper aufgebaut hatte, der im allgemeinen dem vorigen entsprach, ist für uns nicht möglich zu sagen. Noch ist es möglich für uns, überzeugt zu sein, dass die Vision der Jünger übernatürlich war, oder dass, durch die Verstärkung seiner ausgestrahlten Göttlichkeit, Christus ihre innere Vision so angeregt hatte, dass sie hellsehend waren oder in einer anderen Dimension sahen. Die Hauptsache war, dass er auferstand, dass er von vielen gesehen wurde, und dass der Tatsache seiner Auferstehung im Denken seiner Freunde und für [232] die zwei oder drei Jahrhunderte nach seinem Scheiden Glauben geschenkt wurde.

Die Seelenverfassung der Jünger ist der beste Beweis für die Wirklichkeit ihrer Überzeugung, dass der Tod den Erlöser nicht halten konnte und dass er nach dem Tod unter ihnen gegenwärtig und lebendig war. Es ist schwierig für uns, diesen hohen Bewusstseinszustand zu erreichen, den sie hatten. Scheinbar war ihre Welt mit dem Kreuz zu Ende gegangen. Christus hatte sie augenscheinlich im Stich gelassen und, anstatt der göttliche Sohn Gottes und König der Juden zu sein, war er nichts als ein gewöhnlicher Mensch, des Verrats überführt und als alltäglicher Missetäter bestraft. Es ist nicht schwierig, sich vorzustellen, was sie während der drei Tage seiner Abwesenheit ertragen haben mussten: Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Verlust des Vertrauens zu sich selbst und des Ansehens unter ihren Freunden. Die gute Sache, der sich zu widmen sie so bereit gewesen waren, als sie mit Christus im Heiligen Land von Ort zu Ort wanderten, war zu Ende und zusammengebrochen. Ihr Führer war in Unehre geraten. Dann geschah etwas, was die ganze Richtung ihres Denkens änderte. Alles, was an Vertrauen, Hoffnung und Zweck verlorengegangen war, wurde wieder hergestellt, und die ersten paar Jahrhunderte der christlichen Geschichte (ehe die Theologie die Auslegung verdrehte und so das Evangelium der Liebe in einen Kult der Trennung verwandelte), offenbaren uns

«... eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, voll von Vertrauen, Begeisterung und Mut, bereit, Verfolgung und Tod entgegenzutreten, eine Schar eifriger Missionare. Was hat ihnen diese neue Wesensart verliehen? Nicht lange vorher waren bei der ersten Drohung persönlicher Gefahr einige von ihnen voller Schrecken geflohen. Als Jesus gekreuzigt wurde, hatten sie den letzten Schimmer von Hoffnung verloren, dass er sich als der Christus erweisen möchte. Als er ins Grab gelegt wurde, war das Christentum tot und ebenfalls begraben. Nun, ein paar Wochen später, treffen wir diese Männer und Frauen, und sie sind völlig verändert. Nicht, dass da in einigen von ihnen ein schwaches Zurückkehren von Hoffnung gewesen wäre. Alle sind völlig gewiss, dass Jesus in der Tat der Christus ist. Was war geschehen, um diese Umwandlung zu verursachen? Ihre Antwort ist einstimmig: Am dritten Tag stand er von den Toten auf». (Das Tal und jenseits, engl., von Anthony C. Deane, S. 72)

«Christus ist [233] auferstanden!» rufen sie, und weil er auferstanden ist, kann das Reich Gottes auf Erden vorwärts gehen, und seine Botschaft der Liebe kann weit verbreitet werden. Nun, nach allen Widrigkeiten, wissen sie, dass er den Tod überwunden hat, und dass sie in den kommenden Jahren den Tod besiegt sehen werden. Dass sie das Reich als unmittelbar bevorstehend erwarteten, und dass sie ausschauten, um die Tatsache der Unsterblichkeit allgemein anerkannt zu sehen, ist offensichtlich aus ihren Schriften und ihrer Begeisterung. Dass sie im Irrtum waren, haben die nahezu 2000 Jahre des Christentums erwiesen. Wir sind noch nicht Bürger eines auf der Erde entschieden verwirklichten göttlichen Reichs, die Todesfurcht ist so stark wie immer, und noch ist die Tatsache der Unsterblichkeit nur eine Quelle von Vermutungen für Millionen. Doch es war ihr Zeitempfinden, das sich geirrt hatte und ihr Mangel an einem Verstehen der langsamen Vorgänge in der Natur. Die Evolution geht langsam vor sich, und erst heute stehen wir wahrhaft am Rand der Verwirklichung des Gottesreichs auf Erden. Weil dies das Ende eines Zeitalters ist, wissen wir, dass binnen kurzem die Gewalt des Todes über das menschliche Wesen und der Schrecken, den der Todesengel einflösst, verschwinden werden. Sie werden vergehen, weil wir den Tod nur als eine Stufe auf dem Weg zu Licht und Leben ansehen und uns vorstellen werden, dass, so, wie das Christusleben sich in und durch menschliche Wesen ausdrücken wird, diese sich selbst und in der Welt die Tatsache der Unsterblichkeit beweisen werden.

Der Schlüssel zur Überwindung des Todes und zur Erkenntnis von Bedeutung und Natur der Ewigkeit und der Fortdauer des Lebens kann mit Sicherheit nur dann offenbart werden, wenn Liebe das menschliche Bewusstsein beherrscht, und wo das Wohl des Ganzen und nicht das selbstsüchtige Wohl des Einzelnen zur höchsten Beachtung kommt. Nur durch Liebe (und Dienen als Ausdruck der Liebe) kann die wirkliche Botschaft Christi verstanden werden und der Mensch einer freudvollen Auferstehung entgegengehen. Liebe macht uns demütiger und zugleich weiser. Sie dringt zum Herzen der Wirklichkeit vor und hat die Fähigkeit, die in der Form verborgene Wahrheit zu entdecken. Die ersten Christen waren in dieser Weise einfach, weil sie einander liebten, weil sie [234] Christus liebten und den Christus in jedem von ihnen. Dr. Grensted führt dies in den folgenden Worten aus, in denen er eine gute Zusammenfassung der Haltung der ersten Christen und ihrer Annäherung an Christus und an das Leben in der Welt in jenen enthusiastischen Tagen gibt.

«Sie sprachen in schlichten Worten von Gott. Sie dachten bei Jesus von Nazareth nicht als an einen entscheidenden Versuch. Sie kannten ihn als Freund und Meister, und sie stürzten ihr ganzes Sein in die Begeisterung für seine Freundschaft und den Dienst. Ihre Predigten waren gute Nachrichten von Jesus. Sie setzten voraus, dass die Menschen bereits an etwas Bestimmtes dachten, wenn sie von Gott sprachen, und ohne das vom Judentum empfangene Erbe herauszufordern, setzten sie Seite an Seite damit den Jesus, den sie gekannt hatten, lebend und tot und wieder lebendig. Sie waren durch viel mehr gegangen als durch eine Zeit unerklärlicher Wunder, Heilungen und Stimmen und einer ungewöhnlichen Meisterschaft über die Natur selbst und zuletzt einer Überwindung des Todes. Wenn sie der Welt und uns allein diese Dinge gesagt hätten, würde man ihnen geglaubt haben. Solche Berichte haben immer Gehör gefunden, und die Menschen würden noch nichts mehr von der Absicht Gottes gewusst haben. Aber ihre Erfahrung war die einer solchen FREUNDSCHAFT gewesen, wie der Mensch sie bisher nicht gekannt hatte, die eines unseligen Fehlschlags und eines Vergebens, das über jedes Erwarten hinausging, und dann eines neuen, eines freien, eines schöpferischen Lebens. Sie hatten dies alles nicht von sich aus erreicht. Sie wussten, sie waren erneuerte Menschen, und sie wussten, dass die Art ihrer Erneuerung Liebe war. Dies war eine Vorsehung, eine Befreiung, grösser und bedeutender als alles, was der Jude jemals vom Schöpfer-Gott behauptete. Jedoch sie konnten darüber nicht anders denken, als dass dies sein Werk sei, weil Gott, wie ihre nationale Überlieferung lehrte, Eins ist. Das bedeutete für sie, wie wir es in unserer vorsichtigeren Weise ausdrücken möchten, die schöpferische Wirklichkeit, auf die sie mit allen Menschen mit Ungewissheit und sogar mit Furcht geblickt hatten. Hinfort wurde die zentrale Hypothese, welche die Menschen Gott nennen, als Liebe erkannt, und überall wurde er insofern offenbar gemacht, als von Christus Liebe ausgegangen war zu der Bruderschaft der

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.