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Vom Intellekt zur Intuition, Seite 50 ff. (engl.)
zu jenem Bewusstseinszustand gelangen können, der das Kennzeichen des erleuchteten Mystikers und des intuitiven Wissenden ist. Die schönen Zeilen aus Dr. Winslow Hall's Illuminanda weisen auf dieses Ziel hin:

«In allen Menschen liegt verborgen Licht, doch in wie wenigen

Ist es hervorgebrochen, so wie es eigentlich sollte,

Erhellend aus dem Innern die Lampe unsres Fleisches

Entzündend kosmisch' Feuer in geistverwandten Seelen!

Bei Gott wie wenige! Und unser ist die Schuld;

Denn wir ersticken grob und ohne Unterschied

Gedankenlos und oft im Zorn

Den Funken Gottes, der in jedem Kinde glänzt.

Doch alle Kinder haben in ihrem Wesen etwas von Gott,

Und wenn man ihnen ihre Freiheit liesse,

Würd' Gott sich bald entfalten, knospen, blühn,

Würd' sie in Farb' und Form gestalten, bis als vollkomm'ne Blumen

Sie erblühten in voll entfalteter Lieblichkeit». [*U21]

Das ist das Ziel des Meditationsprozesses - Menschen zum Licht zu führen, das in ihnen selbst leuchtet, und sie zu befähigen, in diesem Licht das grosse Licht zu sehen. Dieses Offenbarungswerk basiert in bezug auf Konstitution und Natur des menschlichen Wesens auf ganz bestimmten Theorien. Die Entwicklung und Vervollkommnung der Denkfähigkeit im Menschen mit ihrem Scharfsinn und Konzentrationsvermögen gibt dem Westen heute die Gelegenheit, diese Theorien auf die Probe zu stellen. Ein intelligentes Experiment ist natürlich jetzt in Ordnung. «Die neue Synthese von Denkprinzip und Seele» - sagt Keyserling, «muss, wenn sich Entscheidendes ereignen soll, dem Denken, dem höchsten Grad von Intellektualität entspringen». [*U16]

Dazu ist aber ein klares Verstehen dreier Punkte notwendig, auf denen der orientalische Standpunkt basiert, die, wenn sie der Wahrheit entsprechen, den Standpunkt des Studenten orientalischer Meditationstechnik bekräftigen; man darf aber dabei nicht das chinesische Sprichwort vergessen, das sagt: «Wenn ein verkehrter Mann die rechten Mittel gebraucht, so wirkt das rechte Mittel verkehrt». Diese drei Voraussetzungen sind:

Erstens: In jeder menschlichen Form ist eine Seele, und diese Seele benützt die niederen Aspekte des Menschen einfach als Ausdrucksmittel. Das Ziel des Evolutionsprozesses besteht darin, die Herrschaft der Seele über dieses Instrument zu stärken und zu vertiefen. Ist dieses vollkommen, dann haben wir eine göttliche Inkarnation.

Zweitens: Wir nennen die Gesamtheit dieser niederen Aspekte - nach deren Entfaltung und Harmonisierung - die Persönlichkeit. Diese Einheit setzt sich aus den mentalen und emotionalen Seinszuständen, der vitalen Energie und dem physischen Reaktionsapparat zusammen, und diesen «maskieren» oder verbergen die Seele. Nach der östlichen Philosophie entwickeln sich diese Aspekte der Reihe nach und schrittweise, und erst nach Erlangung einer relativ hohen Entfaltungsstufe wird es dem Menschen möglich, die Aspekte zu koordinieren und später mit der innewohnenden Seele bewusst zu vereinen. Darauf folgt die Herrschaft der Seele und eine ständig intensiver werdende Wesensäusserung der Seele. Dieser Vorgang wird manchmal symbolisch als «Licht in einer Lampe» dargestellt. Zuerst strahlt die Lampe kein Licht aus, allmählich aber macht sich dessen Gegenwart bemerkbar, bis die Bedeutung der Worte Christi klar wird. Er sagte: «Ich bin das Licht der Welt», und Er gebot Seinen Jüngern: «Lasset euer Licht leuchten, so dass es die Menschen sehen können.»

Drittens: Wenn das Leben der Seele unter dem Gesetz der Wiederverkörperung die Persönlichkeit in den Zustand einer integrierten und koordinierten Einheit versetzt hat, dann beginnt zwischen diesen beiden eine intensivere Wechselwirkung. Diese Wechselwirkung wird durch Selbstdisziplin, einen aktiven Willen zu geistigem Sein, selbstlosen Dienst (denn in dieser Weise manifestiert sich die gruppenbewusste Seele) und Meditation erreicht. Die Krönung des Werkes ist die bewusste Verwirklichung der Vereinigung - in christlicher Terminologie die Einswerdung genannt.

Diese drei Hypothesen müssen auf jeden Fall wenigstens versuchsweise angenommen werden, wenn dieser Erziehungsprozess durch Meditation eine Wirkung haben soll. In Webster's Dictionary wird der Begriff Seele im Einklang mit diesen Theorien folgendermassen definiert:

«Eine Wesenheit, verstanden als die Essenz, die Substanz oder bewirkende Ursache individuellen Lebens, besonders eines in psychischen Tätigkeiten manifestierten Lebens; Träger individueller Existenz, dem Wesen nach vom Körper getrennt und gewöhnlich als für sich bestehen könnend angenommen». 59

Webster fügt folgenden Kommentar hinzu, der auf unser Thema angewandt werden kann, nämlich, dass «manche Vorstellungen, wie die Fechner's, dass die Seele der ganze einheitliche geistige Vorgang in Verbindung mit dem ganzen einheitlichen körperlichen Prozess sei, zwischen dem idealistischen und dem materialistischen Gesichtspunkt die Mitte zu halten scheinen». [*U22]

Dr. Radhakrishnan von der Universität in Kalkutta vertritt den strikt orientalischen Standpunkt hierzu wie folgt:

«Alle organischen Wesen besitzen ein Prinzip der Selbstbestimmung, dem allgemein die Bezeichnung "Seele" gegeben wird. Dem genauen Wortsinn nach ist "Seele" jedem Wesen eigen, das Leben in sich hat, und die verschiedenen Seelen sind ihrem Wesen nach grundsätzlich identisch. Die Verschiedenheiten kommen durch die physischen Lebensformen zustande, die das Leben der Seele verdunkeln und behindern. Die Beschaffenheit der Körper, denen die Seelen innewohnen, ist für deren verschiedene Verdunkelungsgrade verantwortlich. ... Das Ego ist die psychologische Einheit jenes Stromes bewussten Erlebens, der das darstellt, was wir als das innere Leben eines empirischen Selbstes kennen.

Das empirische Selbst ist eine Mischung von freiem Geist und Mechanismus, von purusha und prakriti. ... Jedes Ego besitzt innerhalb des groben, im Tode sich auflösenden materiellen Körpers einen subtilen Körper, der aus dem psychischen Apparat einschliesslich der Sinne besteht». [*U23]

Diese Seele - so wird berichtet - ist ein Fragment der Weltseele, ein Funke der einen Flamme, im Körper eingekerkert. Sie ist jener Lebensaspekt, der dem Menschen - so wie allen Erscheinungsformen - Leben oder Sein und Bewusstsein verleiht. Sie ist der lebenswichtige Faktor, jenes integrierende, zusammenhaltende Etwas, das den Menschen (zusammengesetzt und doch geeint, wie er eben ist) zu einer denkenden, empfindenden und strebenden Wesenheit macht. Der Intellekt im Menschen ist jener Faktor oder jene Art von Seelen-Bewusstheit, die ihn befähigt, die richtige Einstellung zu seiner Umgebung während der Entwicklungszeit seiner Persönlichkeit zu gewinnen, ihn aber später durch richtige Meditation mit der vom Mechanismus losgelösten Seele in Verbindung bringt und ihn daher in einen neuen Zustand der Seinswahrnehmung führt.

Das Verhältnis der Seele zur Weltseele ist das eines Teiles zum Ganzen, und eben diese Beziehung samt den daraus folgenden Erkenntnissen ist es, die sich zu jenem Gefühl des Einsseins mit allen Wesen und mit der höchsten Realität, von der die Mystiker seit jeher Zeugnis abgelegt haben, entwickelt. Ihr Verhältnis zum Menschen ist das der bewussten Wesenheit zu ihrem Ausdrucksmittel, des Denkers zu seinem Denkinstrument, des Empfindenden zum Bereich der Sinnes-Erfahrung, des Handelnden zu seinem physischen Körper, - dem einzigen Kontaktmittel zu jenem besonderen Tätigkeitsgebiet, zur Welt des physischen Lebens. Diese Seele äussert sich durch zwei Energiearten, nämlich sowohl durch das vitale Prinzip oder Fluidum, den Lebensaspekt, als auch durch die Energie der reinen Vernunft. Diese Energien sind während der Lebenszeit im physischen Körper konzentriert. Der Lebensstrom konzentriert sich im Herzen und benützt den Blutkreislauf, die Arterien und Venen, zur Belebung jedes Teiles des Organismus; der andere Strom, der intellektueller Energie, konzentriert sich im Gehirn und benützt den Nervenapparat als sein Ausdrucksmittel. Im Herzen also ist der Sitz des Lebensprinzips, während im Kopf der des vernünftigen Denkens und des spirituellen Bewusstseins ist, welch letzteres durch den rechten Gebrauch des Denkvermögens erreicht wird. Dr. Lloyd Morgan sagt im Zusammenhang mit dem Wort «Seele»:

«Jedenfalls hat das, was landläufig unter "Seelen-Theorie" verstanden wird, seine Wurzeln im Dualismus. Und das, was manche Menschen meinen, wenn sie von einer "Psychologie der Seele" sprechen, ist keine dualistische Philosophie. ... In einem gewissen Sinn kann man aber nach entsprechender Definition von der Seele sagen, dass sie für jene Stufe mentaler Entfaltung charakteristisch ist, auf der eine Vorstellung über Geist im Bereich reflektiver Beziehung besteht».

[*U19]

Im gleichen Buch sagt er an früherer Stelle, dass

«jeder von uns Leben, Denkvermögen und Geist ist ein Beispiel für Leben als ein Ausdruck des Weltplanes, für Denken als ein anderer Ausdruck dieses Weltplanes und für Geist insofern, als die Substanz dieses Weltplanes in uns geoffenbart wird. Der Weltplan wiederum ist ganz und gar von der niedrigsten bis zur höchsten Ausdrucksform eine Manifestation Gottes; in jedem einzelnen von uns ist Gott als Geist teilweise offenbart».

Diese Offenbarung der Gottheit ist ja das Ziel mystischer Bestrebung und Gegenstand der zweifachen Betätigung des Denkvermögens; Gott als Leben in der Natur, Gott subjektiv als Liebe, als Plan und Vorhaben, und eben dies offenbart sich dem Menschen durch die mittels Meditation zustandegebrachte Vereinigung. Der Mensch entdeckt durch methodische Meditation diese Einheit, die er selbst ist. Später entdeckt er seine Beziehung zum Universum; er erkennt, dass sein physischer Körper und seine vitalen Energien, Teile und Teilchen der Natur selbst sind, die ihrerseits tatsächlich das äussere Gewand der Gottheit ist; er erkennt ferner, dass; seine Fähigkeit zu lieben und zu empfinden ihn die im Herzen aller Schöpfung pulsierende Liebe wahrnehmen lässt; und er entdeckt, dass er in seinem Denkvermögen den Schlüssel zum Tor des Verstehens besitzt und dass er in die Absichten, die Gottes Denken leiten, und in den Plan Einblick gewinnen kann. Er gelangt tatsächlich zu Gott und erkennt Gott als die grosse zentrale Tatsache. Da er sich nun selbst als göttlich erkennt, kommt er darauf, dass das Ganze ebenfalls göttlich ist. Dr. F. Kirtley Mather von der Harvard Universität sagt in einem sehr aufschlussreichen Artikel:

«Dass eine Regierung des Universums besteht, kann nicht geleugnet werden. Ein Etwas hat die Wirkungsweise der Naturgesetze, die ordnungsgemässe Umformung von Materie und Energie beschlossen und veranlasst das auch weiterhin. Dieses Etwas mag die "Krümmung des Kosmos", "blinder Zufall" oder "universelle Energie", mag "ein in fernen Himmeln lebender Jehova" oder ein "alldurchdringender Geist" sein, eins aber steht fest, es muss etwas sein. Von irgendeinem Gesichtspunkt aus ist also die Frage: Gibt es einen Gott? sofort im bejahenden Sinne zu beantworten».

So gelangt der Mensch nun dadurch, dass er sich selbst findet und seine eigene Natur versteht, zu jenem Mittelpunkt in sich selbst, der eins ist mit allem, was ist; er stellt fest, dass er mit einem Apparat ausgerüstet ist, der ihn mit den verschiedenen Manifestationen, durch die sich die Gottheit auszudrücken sucht, in Berührung bringen kann. Er besitzt einen vitalen, auf universelle Energie reagierenden Körper und das Vehikel (Ausdrucksmittel, Instrument) für die beiden Arten von Seelen-Energie, auf die ich mich im Vorhergehenden bezog. Über den Vitalkörper, dessen Beziehung zu dieser universellen Energie und über die sieben Kontaktpunkte im physischen Organismus habe ich ausführlich in meinem Buche: «Die Seele und ihr Instrument» geschrieben; ich will hier also darauf nicht näher eingehen, sondern nur einen Absatz daraus anführen:

«Hinter dem objektiven Körper steht eine subjektive, aus ätherischer Materie bestehende Form, die als Konduktor (Stromleiter) des Lebensenergie-Prinzips oder des Prana fungiert. Dieses Lebensprinzip ist der Kraftaspekt der Seele, die ihre Form vermittels des Ätherkörpers belebt, ihr besondere Qualitäten und Eigenschaften verleiht, ihr ihre Wünsche einprägt und sie schliesslich durch die Tätigkeit des Denkvermögens leitet. Durch das Gehirn spornt die Seele den Körper zu bewusster (gelenkter) Aktivität an, und durch das Herz werden alle Körperteile von Leben durchflutet».[*U24]

Es existiert noch ein anderer «Körper», der aus der Gesamtsumme aller emotionalen Zustände, Stimmungen und Empfindungen zusammengesetzt ist. Dieser Körper reagiert auf die physische Umwelt eines Menschen, also auf Eindrücke, die ihm durch die fünf Sinne über das Gehirn und den Ätherkörper übermittelt werden. Auf diese Weise wird dieser Körper zu rein selbstsüchtiger und persönlicher Tätigkeit veranlasst; er kann aber auch dazu geschult werden, in erster Linie

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.