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Die unvollendete Autobiographie, Seite 213 ff. (engl.)
beschreiten.

Das Pensum der Schule erweiterte sich allmählich. Wir haben uns von Anfang an auf kein starres Arbeitsprogramm festgelegt, um uns wechselnden Bedürfnissen jederzeit anpassen zu können; mit der Zeit gewannen wir einen Stab von geschulten Frauen und Männern, welche die Arbeit der Schüler überwachen konnten. Vor fünfzehn Jahren (1928) zogen wir in unsere gegenwärtigen Büros, und heute benutzen wir sowohl den 31. als auch den 32. Stock als Hauptgeschäftsstelle der Arkanschule, des Lucis Trust, der «Guter-Wille»-Bewegung und des Lucis Verlages. Nach kleinen Anfängen, mit ein paar Schülern, beschäftigen wir uns heute mit einer Anzahl von geistigen Projekten, die alle mit dem Dienst an der Menschheit zu tun haben, die ohne Gewinnzweck arbeiten, sich über die ganze Welt erstrecken, und die alle nur durch Beiträge der Studenten der Arkanschule ermöglicht werden.

KAPITEL VI

Das Jahr 1930 war das letzte, in dem ich ein einigermassen normales Leben führen durfte. Von da an wurde ich immer mehr von unserem Werk auf dem europäischen Kontinent, den britischen Inseln und in den Vereinigten Staaten in Anspruch genommen; dazu kamen obendrein die Verlobungen und Heiraten meiner Töchter, die mich zu meiner eigenen Verwunderung aus irgendeinem Grund in emotioneller Hinsicht stark mitnahmen. Der zwischen 1924 und 1930 einigermassen normale Rhythmus meines Lebens wurde im Jahr 1931 definitiv unterbrochen.

Die sechs Jahre bis 1931 verliefen in vieler Beziehung in einem eintönigen Rhythmus und in der Routine des Alltags: - morgens aufstehen und für den Tibeter arbeiten, dafür sorgen, dass die Mädchen rechtzeitig aufstanden und sich zur Schule fertigmachten, frühstücken, telefonisch Lebensmittel bestellen und dann den Zug nach New York erwischen, um gegen 10 Uhr im Büro zu sein; dort hatte ich dann ständig Besucher zu empfangen, die sich angemeldet hatten, Post zu erledigen, Briefe zu diktieren, Entscheidungen hinsichtlich des Schulprogramms zu treffen und vieles mit Foster zu besprechen, bis es Zeit zur Mittagspause war. Am späten Nachmittag erteilte ich dann häufig noch Klassenunterricht; diese Stunden, in denen ich die Grundlagen der Geheimlehre besprach, sind mir in besonders angenehmer und befriedigender Erinnerung geblieben.

In mancher Beziehung ist H. P. B.'s Buch «Die Geheimlehre» heute überlebt; diese Art, der Ewigen Weisheit näherzukommen, findet bei der modernen Generation wenig oder keinen Anklang. Aber denjenigen unter uns, die es wirklich durchstudierten und seine innere Bedeutung einigermassen verstehen lernten, gab es ein grundsätzliches Wertgefühl für die Wahrheit, wie es kein anderes Buch zu vermitteln scheint. H. P. B. sagte voraus, dass die nächste Auslegung der Ewigen Weisheit von der psychologischen Seite aus erfolgen würde; und «Eine Abhandlung über Kosmisches Feuer», die ich im Jahr 1925 herausbrachte, ist der psychologische Schlüssel zur «Geheimlehre». Keines meiner Bücher wäre möglich gewesen, wenn ich nicht vorher der «Geheimlehre» ein so gründliches Studium gewidmet hätte.

Wenn ich über meine eigenen und meiner Töchter Jugendjahre zurückblicke, dann weiss ich, was für eine schwierige Zeit das ist. Ich hatte es dabei viel schwerer als meine Töchter, weil mir niemand irgendwelchen Rat gab. Sie hatten es schwer genug, aber Gott weiss, ich hatte es schwerer. Ich musste beiseite stehen und zusehen, wie man ihnen nachlief, und hoffen, sie würden sich nicht einfangen lassen, wie es gelegentlich der Fall war. Ich musste es mir gefallen lassen, zeitweilig von ihnen als altmodische Mutter betrachtet zu werden. Ich musste mir sagen lassen, meine Ansichten wären überlebt, und ich musste an die Zeit meiner eigenen inneren Auflehnung zurückdenken. Ich hatte soviel Böses in der Welt gesehen und erfahren, dass ich ihretwegen Schreckensqualen ausstehen musste, die sich zwar als vollkommen überflüssig erwiesen, aber mir dennoch damals schwer zu schaffen machten. Ich musste mich ihren jugendlichen Auffassungen fügen, dass ich von sexuellen Dingen überhaupt nichts wüsste, dass ich keine Ahnung hätte, wie man Männer behandelt, dass sonst niemand in mich verliebt gewesen sei als die beiden Männer, die ich geheiratet hatte. Meine Erfahrung unterschied sich natürlich nicht von der aller anderen Eltern, die ihre Kinder in die Welt hinausschicken, besonders wenn es sich dabei um Töchter handelt. Söhne lösen sich leichter los und wissen ihren Mund zu halten, und die Mutter weiss meistens nichts von den Liebesaffairen ihres Sohnes. Die nächsten sieben oder acht Jahre waren daher für mich recht schwierig und ich bin mir durchaus nicht sicher, ob ich mich dabei weise benahm. Immerhin habe ich anscheinend keinen grossen Schaden angerichtet, und damit muss ich mich zufriedengeben.

Im Herbst 1930 stellten wir fest, dass unser Werk in Europa und in Grossbritannien offensichtliche Fortschritte machte. Die von uns veröffentlichten Bücher verbreiteten sich über die ganze Welt, und dadurch kamen wir mit Menschen aus allen Ländern in Verbindung. Viele traten in die Arkanschule ein, und die meisten von ihnen sprachen Englisch. Unsere Schullektionen gab es damals noch nicht in fremden Sprachen, und wir hatten auch bloss Englisch sprechende Sekretäre. Die Kunde von unserer Tätigkeit und von unseren Zielen hatte sich in der ganzen Welt verbreitet, und zwar hauptsächlich durch unsere Bücher und durch Leute, die mit uns wegen Meditationsfragen und anderer Probleme brieflich in Verbindung getreten waren.

Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft, die mit der Engherzigkeit in der Darstellung der Lehre unzufrieden waren, setzten sich ebenfalls mit uns in Verbindung, und viele von ihnen traten der Arkanschule bei. Wenn sie ihre Anmeldung einreichten, wies ich sie stets darauf hin, dass wir persönlich nichts gegen ihre anderweitige Mitgliedschaft hatten, dass aber die Leiter der theosophischen E. S. entschieden dagegen protestierten. Ausserdem machte ich ihnen klar, dass ihre Seelen auf alle Fälle ihnen selbst gehörten, und dass sie sich von niemandem, weder von mir noch von den Leitern der E. S., irgendwelche Vorschriften machen lassen sollten. Infolgedessen haben wir heute in der Arkanschule viele der ältesten und besten E. S. Mitglieder, die in den beiden verschiedenen Arten der Annäherung keinerlei Widerspruch sehen.

Die lächerliche, von der E. S. verbreitete Theorie, dass die gleichzeitige Befolgung zweier Meditationsarten gefährlich sei, hat mich nicht nur belustigt, sondern hat sich auch als falsch erwiesen. Erstens einmal haben beide Arten die gleiche Schwingungsqualität und zweitens ist die in der E. S. vorgeschriebene Meditationsarbeit derart elementar, dass sie, wenn überhaupt, nur eine geringe Wirkung auf die Zentren ausübt; sie ist jedoch für Leute auf dem Probepfad sehr zu empfehlen.

Die Arkanschule war also in ständigem Wachsen begriffen, blieb aber noch immer verhältnismässig klein. Unter dem Zwang der New Yorker Mietverhältnisse waren wir verschiedene Male umgezogen, und im April 1928 gehörten wir mit zu den ersten, die in das neue Geschäftsgebäude Nr. 11 West 42. Strasse einzogen, wo wir uns zunächst im obersten Stockwerk (im 32.) einquartierten. Heute sind wir ausserdem noch im 31. Stock, aber wir sind auch dort viel zu sehr eingeengt und werden uns in absehbarer Zeit wohl doch noch weiter ausdehnen müssen.

Wir hatten eine Zeitlang mit einer Frau in der Schweiz in brieflicher Verbindung gestanden, die ziemlich viel Wissen besass, die an dem, was wir lehrten, interessiert war und gern etwas tun wollte, um die Ewige Weisheit der Welt zugänglich zu machen. Sie hatte ein wunderschönes Heim am Lago Maggiore in der Schweiz, wo sie auch eine Versammlungshalle erbaut und eine sehr gute Bibliothek angesammelt hatte. Im Herbst des Jahres 1930 tauchte sie eines Abends zu später Stunde in unserem Haus in Stamford (Connecticut) auf; sie blieb eine Weile bei uns, um uns verschiedene Pläne zu unterbreiten, ihre Mitarbeit anzubieten und unsere Stellungnahme zu erfahren. Sie schlug vor, mit unserer Hilfe in Ascona bei Locarno am Lago Maggiore ein geistiges Zentrum zu errichten, das sich ausserhalb jeder Kirche oder Sekte halten und allen esoterischen Denkern und Schülern aller Richtungen offenstehen sollte, die von Europa oder anderswoher dorthin kommen wollten. Sie bot uns ihre schönen Gebäude, die Vorlesungshalle und das herrliche Gelände als ihren Beitrag an, und Foster und ich sollten hinkommen und das Projekt durch Vorträge und Unterrichtsstunden in Gang bringen. Sie bot uns volle Gastfreundschaft an und war bereit, uns und auch den drei Mädchen in Ascona freie Kost und Unterkunft zu gewähren; nur die Reisekosten müssten wir selbst bezahlen.

Wir konnten uns natürlich nicht sofort auf der Stelle entscheiden, versprachen ihr aber, die Sache sehr ernst in Erwägung zu ziehen und ihr bald nach Neujahr 1931 Bescheid zu geben.

Es gab da viel zu überlegen. Die Reisekosten für fünf Personen waren keine Kleinigkeit, und wir waren uns durchaus nicht sicher, ob wir solch ein Unternehmen unter diesen Bedingungen wagen durften. Ich war zwanzig Jahre lang ununterbrochen in Amerika gewesen, und ich konnte auch nicht nach Europa gehen, ohne meine eigene Heimat zu besuchen; es gab allerhand zu überlegen, bevor wir genau wussten, was richtig war.

Meine Freundin, Alice Ortiz, kam gerade zu dieser Zeit mit einem Vorschlag zu mir, der mit der ganzen Situation zusammenhing. Ohne irgend etwas von dem Vorschlag von Olga Fröbe zu wissen, sagte sie mir eines Tages: «Was möchtest du für deine Mädel lieber haben: Soll ich sie für einige Jahre auf ein College (Oberschule) schicken oder möchtest du sie lieber ins Ausland reisen lassen? Ich würde in jeden Fall für die Kosten aufkommen, aber du musst tun, was du für die Mädel am besten hältst». Ich besprach das eingehend mit Foster und wir kamen zu dem Ergebnis, dass Auslandsreisen den Mädchen ein erweitertes Gesichtsfeld verschafften und ihnen nützlicher wären als irgendein akademischer Grad, den sie sich auf einem College erwerben könnten. Einen akademischen Grad kann jeder erwerben, aber weite Reisen sind nur wenigen vergönnt. Ich liess mich wahrscheinlich in meiner Auffassung dadurch beeinflussen, dass ich selbst weit gereist war und ebenfalls keine akademischen Würden besass.

Nur zweimal im Leben hat mir das leid getan. Solche akademische Grade werden hier im Land sehr überschätzt, und obwohl ich keinen besitze, halte ich mich dennoch für ebenso gebildet wie die Leute, die ein College absolviert haben. Vor einiger Zeit wurde ich aufgefordert, eine Reihe von Vorlesungen im Postgraduate College in Washington, der Bundeshauptstadt, zu halten, und zwar über den Intellekt und die Intuition. Die Ankündigungen waren schon vorgedruckt und verschickt worden, als man entdeckte, dass ich keine akademischen Grade hinter meinem Namen hatte; daraufhin wurden die Vorlesungen abgesagt. Später erhielt ich einen Brief vom Präsidenten des College, in dem er mir mitteilte, dass die Fakultät seiner Ansicht nach einen Irrtum begangen habe, dass es aber zu spät sei, etwas daran zu ändern. Kurz danach wurde ich von der Cornell Universität aufgefordert, zu ihren Studenten über moderne, geistige Annäherung an die Wahrheit zu sprechen und mich mit kleinen Gruppen von Studenten zu unterhalten. Auch diese Vorlesung wurde abgesagt, weil ich keine akademischen Titel besass.

Auf jeden Fall stand ich auf dem Standpunkt, dass meine Töchter sich zu nützlicheren Menschen entwickeln würden, wenn sie auch über die Bewohner anderer Kontinente mehr Kenntnisse sammeln könnten und zwar nicht nur durch Besichtigen von Denkmälern und den Besuch von Kunstgalerien, sondern durch direkten Kontakt mit der Bevölkerung selber. Wir gaben daher jeden Gedanken an eine akademische Bildung der Mädchen auf und entliessen sie lieber - in die Schule des Lebens.

Ich habe diesen Entschluss nie bereut. Sie haben viele Menschen kennengelernt und sind sich darüber klar geworden, dass die USA nicht das einzige Land in der Welt sind. Sie stellten fest, dass es in England, Frankreich, in der Schweiz usw. genauso viel nette und intelligente, gute und schlechte Menschen gibt wie in den Vereinigten Staaten.

Was wir heute in der Welt entwickeln müssen, ist ein Weltbürgertum, das dem primitiven Nationalismus ein Ende bereitet, der soviel Hass unter den Menschen gesät hat. Ich kenne nichts Vernichtenderes als das Schlagwort: «Amerika den Amerikanern». Nichts ist bezeichnender für das Inselbewusstsein der Briten, als die Gewohnheit, alle anderen als Ausländer zu betrachten, oder für die Überzeugung der Franzosen, dass sie an der Spitze aller Zivilisationsbestrebungen stünden. All das muss verschwinden. Ich habe in allen Ländern, in denen ich gewohnt habe, die gleichen Menschen angetroffen. Es gibt Länder, in denen man bequemer lebt als in anderen, aber die Menschheit ist stets die gleiche.

Ich bin in vielen Städten hier in den Staaten, in Grossbritannien und auf dem

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.