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Vom Intellekt zur Intuition, Seite 205 ff. (engl.) |
Zuerst beherrscht das Denkvermögen das Gehirn und die emotionelle Natur; dann
beherrscht die Seele das Denkvermögen. Ersteres wird durch Konzentration,
letzteres durch Meditation zustande gebracht.
Aus dieser Reihenfolge von Aktivitäten wird der interessierte Wahrheitssucher zur Überzeugung gelangen, dass hier wirkliche Arbeit geleistet werden muss, und dass die Haupteigenschaft, die er braucht, AUSDAUER ist. Hier könnte noch bemerkt werden, dass bei der Koordinierung zwei Dinge helfen: Erstens, das Bestreben, die Herrschaft über das Denkvermögen zu erlangen, und zwar durch das Bemühen, ein konzentriertes Leben zu führen. Das für den Mystiker so bezeichnende Leben der Heiligung und Hingabe weicht dem Leben der Konzentration und Meditation, das den Wissenden kennzeichnet. Die Organisierung des Gedankenlebens zu jeder Zeit und überall, und zweitens die Ausübung der Konzentration regelmässig, täglich und wenn möglich zu einer bestimmten Zeit - tragen zu einer zielbewussten Geisteshaltung oder Denkweise bei, und diese beiden zusammen bedeuten Erfolg. Das Erstere erfordert einige Zeit, man kann damit aber sofort anfangen; mit dem zweiten Erfordernis (festgesetzte Konzentrationszeiten) kann man ebenfalls beginnen, doch hängt der Erfolg von zwei Dingen ab: Regelmässigkeit und Beharrlichkeit. Der Erfolg des planvollen Gedankenlebens beruht weitgehend auf Ausdauer, aber auch auf der Anwendung der Vorstellungskraft. Durch diese Imagination nehmen wir die Haltung des Zuschauers, des Beobachters ein. Wir stellen uns im Geiste vor, dass wir der EINE sind, der denkt (nicht fühlt), und wir lenken unsere Gedanken beharrlich und jederzeit in bestimmte, erwählte Bahnen, wobei wir selbst bestimmen, was wir denken wollen; wir verweigern jenen Gedanken den Zutritt, die wir auszuschliessen wünschen, und zwar nicht in der Weise, dass wir sie unterbinden, sondern durch ein starkes Interesse an etwas anderem. Wir erlauben unseren Gedanken nicht, die Welt nach Belieben zu durchstreifen, sich von unseren Gefühlen und Empfindungen oder durch die Gedankenströmungen der Umwelt zur Aktivität hinreissen zu lassen. Wir zwingen uns, allem unserem Tun volle Aufmerksamkeit zu schenken: sei es, dass wir ein Buch lesen, dass wir unsere täglichen Pflichten im Büro oder im Heim, im gesellschaftlichen oder Berufsleben erfüllen, ein Gespräch mit einem Freund führen oder womit wir uns sonst gerade beschäftigen mögen. Sollte unsere Beschäftigung rein mechanisch sein, also ohne gedankliche Aufmerksamkeit ausgeübt werden können, dann können wir einem erwählten Gedanken nachgehen und diesen vernünftig und logisch weiterverfolgen, während unsere Hände oder Augen mit der zu erledigenden Arbeit beschäftigt sind. Wahre Konzentration erwächst aus einem konzentrierten, gedankenbeherrschten Leben, und die erste Massnahme des Aspiranten besteht darin, sein tägliches Leben planvoll zu ordnen, seine Tätigkeiten zu regulieren und in seiner Lebensweise konzentriert und zielbewusst zu werden. Alles das ist denen möglich, die es mit den notwendigen Anstrengungen ernst nehmen, und die ihre Vorsätze beharrlich verfolgen. Dies ist das erste und grundlegende Erfordernis. Wenn wir unser Leben ordnen und neu gestalten können, beweisen wir unseren Eifer und die Stärke unseres Verlangens. Man kann daraus ersehen, dass für den zielbewussten Menschen eine Pflichtvernachlässigung nicht möglich ist. Er wird seine Pflichten der Familie und den Freunden, dem geschäftlichen Leben oder dem Beruf gegenüber vollkommener und wirksamer erfüllen, ja er wird sogar Zeit für zusätzliche Pflichten finden, die sein geistiges Streben mit sich bringt, denn er beginnt, das Unwesentliche aus seinem Leben auszuschalten. Er wird sich keiner Verpflichtung entziehen, denn das konzentrierte Denkvermögen wird ihn befähigen, mehr als bisher und in kürzerer Zeit zu leisten, und aus seinen Anstrengungen bessere Resultate zu erzielen. Menschen, die von ihren Gefühlen beherrscht werden, verschwenden viel Zeit und Energie und vollbringen weniger als der mental eingestellte Mensch. Die Ausübung der Meditation ist für jemanden, der in geschäftlichen Methoden geschult ist, und es zu einer leitenden Stellung gebracht hat, bedeutend leichter als für einen nicht denkenden, mechanisch Arbeitenden oder für eine Frau, die nur ein gesellschaftliches Leben oder ein Familienleben führt. Die letztgenannten müssen erst lernen, ihre Tage planvoll einzuteilen und unwichtige Tätigkeiten beiseite zu lassen. Sie sind diejenigen, die immer so geschäftig sind, das und jenes zu tun, und für die es eine unüberwindliche Schwierigkeit bedeutet, täglich zwanzig Minuten für die Meditation oder eine Stunde für das Studium aufzubringen. Sie sind so sehr von sozialen Annehmlichkeiten, von der mechanischen Haushaltsführung und von einer Unmenge Lieblingsbeschäftigungen und inhaltslosen Gesprächen in Anspruch genommen, dass sie unmöglich einsehen können, dass die Angewohnheit der Konzentration sie in die Lage versetzen würde, mehr als bisher zu leisten, und es überdies noch besser zu machen. Der geschulte Chef, mit einem geschäftigen und voll ausgefüllten Leben scheint die für die Seele nötige Extrazeit viel leichter aufzubringen. Er findet immer noch für das eine oder andere Zeit. Er hat gelernt, sich zu konzentrieren, und oft sogar zu meditieren; alles, was er braucht, ist ein anderes Ziel der Aufmerksamkeit. Die Antwort auf die zweite Frage über die Notwendigkeit, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, um die Seele zu erwecken, eröffnet ein oder zwei interessante Überlegungen. Wenn wir die heutige Situation betrachten, hat es den Anschein, als ob der moderne abendländische Aspirant entweder die Kultur der Seelen-Natur bis zu jenem Zeitpunkt zurückstellen müsste, wo er sich gemäss der alten Regel zurückziehen kann, oder dass er eine neue Methode entwickeln und einen neuen Standpunkt einnehmen muss. Wenige von uns sind so gestellt, dass sie ihre Familien und Verantwortlichkeiten aufgeben und aus der menschlichen Gesellschaft verschwinden können, um zu meditieren und unter ihrem Bo-Baum Erleuchtung zu suchen. Wir leben inmitten einer grossen Menschenmasse und in einer chaotischen Situation, die jede Vision von Frieden und Stille in der Umwelt vollkommen ausser Frage stellt. Ist also das Problem deshalb unlösbar? Gibt es da keinen Weg zur Überwindung dieser Schwierigkeit? Haben wir jede Hoffnung auf Erleuchtung aufgegeben, weil wir (der Umstände, des Klimas und - wirtschaftlicher Gründe wegen) nicht aus der Welt der Menschen verschwinden und das Reich der Seele suchen können? Zweifellos liegt die Lösung nicht im Verzicht auf die Möglichkeiten, wofür Menschen früherer Rassen und Jahrhunderte Zeugenschaft ablegen. Die Lösung liegt im rechten Verstehen unseres Problems und in unserem Vorrecht, einen neuen Aspekt der alten Wahrheit aufzuzeigen. Wir im Westen gehören einer jüngeren Rasse an. Im uralten Osten suchten die wenigen unerschrockenen Bahnbrecher die Abgeschlossenheit, ermittelten für uns die günstigen Gelegenheiten und sicherten uns die Regeln. Sie hielten die Methode für uns so lange in sicherem Gewahrsam, bis die Massen bereit sein würden, in grosser Anzahl und nicht nur einzeln voranzukommen. Diese Zeit ist nun gekommen. Im Druck und Tumult des modernen Lebens, in den Dschungeln unserer Grossstädte, im Lärm und der Geschäftigkeit des täglichen Lebens und Verkehrs können die Menschen überall den Ruhepunkt des Friedens in sich selbst finden und den Zustand stiller, positiver Konzentration erlangen, der ihnen die Erreichung des gleichen Zieles und der gleichen Erkenntnis, sowie den Eintritt in dasselbe Licht ermöglicht, von dem die Grossen der Menschheit Zeugnis abgelegt haben. Die Abgeschlossenheit, in die sich der Mensch zurückzieht, findet er in sich selbst; das stille Plätzchen, wo man mit dem Leben der Seele in Berührung kommt, ist jene Stelle im Kopfe, wo Leib und Seele zusammentreffen, jene früher erwähnte Gegend, wo das Licht der Seele und das Leben des Körpers sich vermischen und ineinander verschmelzen. Wer sich selbst in der Konzentration hinreichend schulen kann, vermag auch seine Gedanken jederzeit und an jedem Ort in einem Punkt in seinem Innern zurückzuziehen; in diesem Zentrum im Kopfe entwickelt sich der grosse Prozess der Einswerdung. Dies erfordert eine stärkere Konzentration und eine wirkungsvollere Meditation. Die Menschheit hat indes in den letzten dreitausend Jahren an mentaler Kraft und Stärke zugenommen und darin grosse Fortschritte gemacht, so dass sie jetzt das vollbringen kann, was den Sehern vergangener Zeiten nicht möglich war. Hier ergibt sich noch eine dritte Frage: Was geht nun in der Meditation mit dem Aspiranten psychologisch und physiologisch tatsächlich vor? Die Antwort lautet: sehr viel. Psychologisch gesprochen: das Denkvermögen wird kontrolliert und kommt unter die Herrschaft der Seele. Das führt aber durchaus nicht zur Ausschaltung der gewöhnlichen mentalen Fähigkeiten; diese können vielmehr leichter angewandt werden, und das Denkvermögen ist schärfer denn je zuvor. Die Fähigkeit, klar zu denken, ist grösser. Der Aspirant entdeckt, dass er neben den Eindrücken aus der Erscheinungswelt auch Eindrücke aus der Welt des Geistes aufzunehmen vermag. Sein Denkvermögen wirkt in zwei Richtungen und es wird zu einem zusammenfassenden, vereinigenden Instrument. Die emotionelle Natur wiederum wird durch das Denkvermögen kontrolliert, sie wird still und ruhig gemacht und bildet daher für den Zustrom geistiger Erkenntnis in das Gehirn kein Hindernis mehr. Wenn diese beiden Wirkungen erzielt wurden, finden im Kopf gewisse Änderungen im Mechanismus des Denkens und Wahrnehmens statt; das versichern uns die Wissenden des Ostens, und auch das Beweismaterial scheint dies zu bestätigen. Fortgeschrittene Denker des Westens verlegen wie wir an früherer Stelle gesehen haben die höheren mentalen Fähigkeiten und den Sitz der Intuition in das Grossgehirn, während sie die niederen mentalen Fähigkeiten und die höheren emotionellen Reaktionen dem unteren Gehirnteil zuordnen. Dies stimmt mit der östlichen Lehre überein, nach der die Seele (mit der höheren Erkenntnis und der Fähigkeit zu intuitiver Wahrnehmung) ihren Sitz in einem Kraftzentrum in der Gegend der Zirbeldrüse habe, während der Sitz der Persönlichkeit in einem Kraftzentrum in der Gegend des Hirnanhanges gelegen sei. Wenn die in diesem Buch niedergelegten Theorien tatsächlich eine Grundlage haben, könnte die Hypothese, auf der die neuere Schule auf dem Gebiet der Erziehung einmal aufbauen wird, in folgenden Grundformeln oder Leitsätzen ausgedrückt werden: 1. Das Energiezentrum, durch das die Seele wirkt, liegt im oberen Gehirn. Während der wirksamen Meditation strömt von der Seele Energie in das Gehirn und übt eine ganz deutliche Wirkung auf das Nervensystem aus. Wenn jedoch das Denkvermögen nicht kontrolliert ist und die emotionelle Natur vorherrscht (wie im Fall des reinen Mystikers), macht sich die Wirkung hauptsächlich im Empfindungsapparat, in den emotionellen Seinszuständen bemerkbar. Wenn dagegen das Denkvermögen der dominierende Faktor ist, dann wird der Gedankenapparat (im oberen Gehirn) zu planvoller Tätigkeit veranlasst. Der Mensch erlangt in dem Masse, wie er neue Erkenntnisgebiete entdeckt, eine neue Fähigkeit, nämlich klar, synthetisch und wirkungsvoll zu denken. 2. In der Gegend des Hirnanhanges (pituitary body) ist der Sitz der niederen Fähigkeiten, wenn diese im höheren Menschen-Typus schon koordiniert sind. Hier werden sie zu harmonischem Zusammenwirken gebracht und zur Einheit verbunden; und hier sind auch - wie uns von angesehenen Psychologen und Endokrinologen versichert wird - die Emotionen und die mehr konkreten Aspekte des Denkvermögens zu finden, die aus rassischen Gewohnheiten und ererbten Instinkten entstehen, und die daher keine schöpferische oder höhere Denktätigkeit erfordern. Das war das Thema meines früheren Buches «DIE SEELE UND IHR INSTRUMENT», so dass ich hier darauf nicht näher einzugehen brauche. 3. Wenn die Persönlichkeit - die Gesamtheit aller physischen, emotionellen und mentalen Zustände - einheitlich und harmonisch ist, dann erhöht sich ständig die Leistung des Hirnanhanges, und die Schwingung dieses Energiezentrums wird in dessen Umgebung sehr stark. Man sollte beachten, dass, wenn die Persönlichkeit von niederer Art ist, die Reaktionen hauptsächlich instinktmässig erfolgen und das Denken praktisch noch nicht funktioniert, nach dieser Theorie das Energiezentrum dann in der Nachbarschaft des Solar plexus liegt, der Mensch also seinem Wesen nach mehr tierisch veranlagt ist. 4. Wenn man die Fähigkeit, sein Bewusstsein im Kopfe zu konzentrieren, entwickelt und übt, wird das Zentrum in der Gegend der Zirbeldrüse sowie das Grosshirn zur Tätigkeit veranlasst. Die östlichen Bücher verwenden dafür die interessanten Ausdrücke «rechte Zurückziehung» oder «rechte Abstraktion». Dies bedeutet die Entwicklung der Fähigkeit, die nach aussen gerichtete Tendenz der fünf Sinne zu unterjochen. So lernt der Aspirant die rechte Zurückziehung oder Abstraktion des zur Erscheinungswelt hinstrebenden Bewusstseins, und er muss sich darin üben, dieses Bewusstsein in der grossen Zentrale des Kopfes zu konzentrieren, von wo aus er - wenn er an dem grossen Werk teilnimmt - bewusst Energie verteilen, mit dem Reiche der Seele in Berührung kommen und die von diesem Reiche ausstrahlenden Botschaften und Eindrücke empfangen kann. Das ist nicht bloss eine symbolische Art und Weise, ein zielbewusstes Streben zum Ausdruck zu bringen, sondern eine ganz eindeutige Errungenschaft auf der Stufenleiter zur Vollendung. Die verschiedenen Leitungen der Sinneswahrnehmungen werden stillgelegt. Das Bewusstsein des wirklichen Menschen brandet nicht mehr nach aussen auf den fünf Bahnen physischer Kontaktnahme. Die fünf Sinne werden vom sechsten Sinn, dem Denkvermögen, beherrscht, Bewusstsein und Wahrnehmungsvermögen des Aspiranten vereinen sich im Kopfe, und richten sich nach innen und aufwärts. Die psychische Natur wird dadurch unterworfen, und die Mentalebene wird zum Tätigkeitsgebiet des Menschen. Diese Zurückziehung oder Abstraktion vollzieht sich in zwei Abschnitten: a) Die Zurückziehung des physischen Bewusstseins oder der Wahrnehmung durch Gehör, Gefühl, Gesicht, Geschmack und Geruch. Diese Art der Wahrnehmung wird |
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Last updated Saturday, February 14, 1998 © 1998 Netnews Association. All rights reserved. |